© Gerd Maier
© Gerd Maier

Bahngrund als Baugrund

Keine der vom Land NÖ übernommenen Bahnen wird reaktiviert oder intervallverdichtet. Bahngrund wird stattdessen teilweise als Baugrund umgewidmet

Kürzlich berichtete oekonews über die im Dezember in Niederösterreich geplanten Streckenstilllegungen. Die NÖ Landesregierung hatte anlässlich der schrittweisen Übernahme von 28 teils aktiven, teils stillgelegten Bahnstrecken eigentlich angekündigt, man wolle es ‘besser machen’, der ‘bessere Betreiber sein’. Wie sieht nun die Bilanz dieser Übernahme aus?

Viele der übernommenen Strecken, beispielsweise im Weinviertel, waren tatsächlich schon seit vielen Jahren de facto stillgelegt, aus den Gleisen wuchern Sträucher und kleine Bäume. Die ÖBB hatten jedoch merkwürdigerweise nie eine offizielle Stilllegung durch das Verkehrsministerium beantragt, wie dies eigentlich vorgesehen wäre. Etliche dieser toten Gleise gelten bis dato noch immer als ‘Bahnstrecke’, Autofahrer müssen beim queren zumindest theoretisch anhalten und nach rechts und links schauen.

Gleise als Immobiliengeschäft

Das Land NÖ hat jedoch, wie sich nun zeigt, in keinem einzigen dieser Fälle die Absicht, den Eisenbahnverkehr zu reaktivieren. Vielmehr will man nun, nach einer formalen Stilllegung, die Stopptafeln abmontieren. In einigen Fällen, etwa im Bereich Poysdorf, wollen die Gemeinden die Bahntrassen auch als wertvolles Bauland zu Geld machen. Die Übernahme der 28 Bahnstrecken kann also eher als großes Immobilienprojekt gesehen werden, als Verwertung von Bahngrund in den Gemeinden, wie auch die österreichweit aktive Fahrgast-Organisation ‘proBahn’ bereits im Juni 2010 anmerkte. Nur etwa 6 Prozent der gekauften Bahnstrecken werden künftig regulären Bahnbetrieb aufweisen.

Schon im Juni 2010 forderte ‘proBahn’, dass die Regionalbahnen nicht nur als Kulturerbe erhalten werden, sondern überdies durch eine Attraktivierung mit einem kombinierten Bus-Bahn-Konzept dem Mobilitätsanspruch der Bürger/-innen gerecht werden sollten.

Nirgends Verbesserungen

Skurril mutet in diesem Zusammenhang die Vorgangsweise der niederösterreichischen Regierungspartei ÖVP-NÖ an, die im Sommer 2010 im Waldviertel, im Ybbstal und in anderen Regionen an Straßenrändern große Plakatwände aufstellte, auf denen der SPÖ und den ÖBB die Schuld am Absterben der Regionalbahnen gegeben wird (SIEHE FOTO). Nun zeigt sich leider, dass auf den vom Land NÖ übernommenen Strecken nirgends (!) Verbesserungen für den Bahnkunden vorgenommen werden, sondern sogar etliche jener Strecken, auf denen noch Züge verkehren, stillgelegt werden.

Das Land NÖ hätte, wenn es an einem attraktiven Bahnverkehr Interesse hätte, wesentlich professioneller agieren können: Beispielsweise hätte das Land die Einhaltung des sogenannten ‘Gösing-Vertrages’ einklagen können, demzufolge Schmalspurbahnen wie etwa die Ybbstalbahn vom Bund in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten werden müssten, also ohne dutzende ärgerliche Langsamfahrstellen. Die Anfang 2010 vom Land NÖ mit Bund und ÖBB getroffene Vereinbarung enthält keine innovativen Investitions- und Betriebskonzepte, sondern geht von Annahmen für eine minimalistische Betriebsfortführung oder vom Abbau der Strecke (wie im Ybbstal) aus, kritisiert auch die Fahrgast-Organisation ‘proBahn’.

Abwärtsspirale

Die Streckenstilllegungen und die Verlagerung des Personenverkehrs auf Buslinien scheinen auf den ersten Blick billiger zu sein, da beispielsweise die Straßeninfrastruktur im Gegensatz zur Instandhaltung der Gleise nicht extra bezahlt werden muss. Experten weisen aber immer wieder darauf hin, dass mit der Intervallausdünnung und Stilllegung von Nebenbahnen eine Abwärtsspirale eingeleitet wird, die letztlich zur Verlagerung des Pendlerverkehrs auf private KFZ führt.

Was sagt nun das Bundesverkehrsministerium dazu, dass die vom Bund an das Land NÖ übergebenen Bahnen teilweise sofort stillgelegt werden und in keinem einzigen Fall eine Intervallverbesserung oder eine Reaktivierung stattfindet? Dieser spannenden Frage werden wir im nächsten Teil nachgehen.



Verwandte Artikel:


_____
Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /