© Pro Bahn
© Pro Bahn

Nebenbahn-Alarm in NÖ

Während Hauptstrecken gefördert werden, soll im Dezember auf vielen Nebenstrecken in NÖ der Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert werden

Den wenigsten Bahnfahrern ist derzeit bewusst, dass der kommende Fahrplanwechsel Mitte Dezember in Niederösterreich massive Intervallverschlechterungen und zahlreiche Streckenstilllegungen bringen wird. In seltener Einigkeit werden sowohl die ÖBB, als auch das Land Niederösterreich auf etlichen Nebenbahnen den Verkehr von der Schiene auf die Straße verlegen. In Schrambach im Traisental und in Scheibbs im Erlauftal müssen die Fahrgäste dann vom Zug in den Bus umsteigen.

Wachaubahn wird auf Bus umgestellt

Von Stilllegungen betroffen sind beispielsweise die ÖBB-Strecken Schrambach – St. Aegyd am Neuwalde und Scheibbs – Gaming in den Voralpen, sowie Schwarzenau – Zwettl im Waldviertel und Großschweinbarth – Sulz im Weinviertel. Das Land Niederösterreich wiederum wird auf der frisch gekauften Wachaubahn den regulären Verkehr komplett einstellen. Lediglich an Sommerwochenenden sollen einzelne Tourismuszüge fahren. Auf der westlich anschließenden Strecke am nördlichen Donauufer (Strudengau), entlang dem Donauradweg, soll es nicht einmal mehr diese Tourismuszüge mit Radtransport geben, sondern nur noch Autobusse.

Auch auf der von den ÖBB gekauften Strecke Schwarzenau – Waidhofen/Thaya wird das Land Niederösterreich den Personenverkehr einstellen. Noch vor einigen Jahren war davon gesprochen worden, die von dort nach Tschechien führende Verbindung über Fratres und Slavonice zu reaktivieren bzw. teilweise neu zu errichten, um zumindest Güter- und vielleicht auch Personenverkehr zu ermöglichen.

Die derzeit nur als Tourismusbahn betriebene Strecke Retz – Drosendorf soll in dieser Form weiter betrieben werden. Die ebenfalls vom Land Niederösterreich gekauften Schmalspurbahnen im Waldviertel (Tourismusverkehr) und nach Mariazell (ganzjähriger Regelverkehr) sollen anscheinend in ähnlicher Form wie bisher weitergeführt werden. Stillgelegt wird hingegen die nun gekaufte Schmalspurstrecke von Obergrafendorf nach Mank.

Bus statt Bahn im Ybbstal

Ebenso soll die idyllische Schmalspurbahn durch das Ybbstal (Waidhofen an der Ybbs – Lunz am See samt Zweigstrecke nach Ybbsitz) nun vom Land Niederösterreich übernommen und endgültig stillgelegt und durch Busverkehr ersetzt werden. Schon seit Monaten fahren dort nur mehr Busse, weil sich die ÖBB weigerte, Gleisreparaturen zu finanzieren.

Doch es regt sich inzwischen Widerstand in vielen niederösterreichischen Gemeinden und bei Bürgerinitiativen. Bahnfahrer sehen nicht ein, warum sämtliche Geldmittel nur in den Ausbau der Hauptstrecken fließen, während ÖBB und Land viele Nebenstrecken still sterben lassen, anstatt sie durch entsprechende Maßnahmen zu attraktivieren. Ebenso bewerben sich mehrere private Gesellschaften für den Kauf oder Betrieb einzelner Strecken. oekonews wird demnächst darüber genauer berichten.

Keine Konzession

Merkwürdig ist im Übrigen die Tatsache, dass das Land Niederösterreich zwar zahlreiche Normalspurstrecken gekauft hat, das Land und die NÖVOG-Gesellschaft jedoch überhaupt keine Konzession für den Betrieb einer normalspurigen Eisenbahnstrecke (‘Vollbahn’) besitzen. Das Verkehrsministerium muss deshalb beispielsweise die Strecke Retz – Drosendorf, die Wachaubahn und die Strecke von Schwarzenau nach Waidhofen an der Thaya im Dezember 2010 in einem Formalakt stilllegen, damit das Land NÖ diese Strecken überhaupt übernehmen darf.

Die ab diesem Zeitpunkt dort vereinzelt fahrenden Touristenzüge werden dann nicht vom Eisenbahngesetz, sondern skurrilerweise vom Veranstaltungsgesetz geregelt und gelten nicht mehr als ‘regulärer’ Eisenbahnverkehr. Die Strecken selbst sind dann formalrechtlich keine ‘echten’ Eisenbahnstrecken mehr, sondern ‘Anschlussbahnen’ ähnlich wie ein Gleis, das zu einer Fabrik führt.

Die wunderschöne Wachaubahn und die idyllische Bahnstrecke von Retz entlang dem Thayatal-Nationalpark nach Drosendorf werden also in Zukunft nur mehr sehr, sehr lange ‘Anschlussbahnen’ sein.



Verwandte Artikel:


_____
Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /