© Gerd Maier
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Trauerspiel auf Schienen

Landesrat Heuras kündigt „neue Wege für Bahn und Pendler“ an. Doch vieles spricht dafür, dass ein Kahlschlag auf niederösterreichischen Nebenstrecken droht

Am 14. Januar 2010 unterzeichneten Landeshauptmann Erwin Pröll und der NÖ Verkehrslandesrat Johann Heuras gemeinsam mit Vertretern von ÖBB und Infrastruktur-Ministerium eine ‘Grundsatzvereinbarung’: Etwa 28 Nebenbahnstrecken sollen zwischen dem 31.3. und dem 30.12.2010 portionsweise ins Eigentum des Landes Niederösterreich übergehen.

Der Pressesprecher von Landesrat Heuras, Markus Hammer, teilt dazu mit, das Land habe diese Strecken übernommen, ‘weil wir neue Wege für Bahn und Pendler gehen wollen und den Regionen und Gemeinden neue Chancen erarbeiten wollen’. Die offizielle Stellungnahme endet mit dem euphorischen Statement: ‘Die Linie des Landes NÖ ist klar: Neue Wege für Bahn und Pendler!’

Ernüchternde Bilanz

Wenn man sich die Grundsatzvereinbarung jedoch genauer anschaut, wirkt sie einigermaßen desillusionierend. 16 der 28 Strecken sind de facto stillgelegt, teilweise sogar von Sträuchern und Bäumen überwuchert. Zwei weitere Strecken (Schwarzenau-Fratres und Krems-Sarmingstein) werden derzeit nur zu einem Teil befahren, den Rest verfällt langsam. Und auf fünf Strecken gibt es gelegentlich, meist an Sommerwochenenden, einen gewissen Tourismusverkehr, dazwischen bleiben sie wochen- oder monatelang leer. Zwei weitere Strecken (Ybbstalbahnäste) sind seit Juni 2009 nicht befahrbar, weil sich die ÖBB-Infrastruktur seit damals standhaft weigert, die Hochwasserschäden zu reparieren.

Es bleiben drei Strecken übrig, die einigermaßen regulär befahren werden: Die Mariazellerbahn, der Seitenast nach Mank (soll bald stillgelegt werden), und die Schneebergbahn (die eigentlich zu den Tourismusstrecken zählt).

Verwertung profitabler Grundstücke

Was bewirkt also der Kauf dieser Strecken durch das Land NÖ? Dass auf den schon bisher stillgelegten Strecken unter der Schirmherrschaft von Landeshauptmann Erwin Pröll eine neue Blüte der ‘NÖ Landesbahnen’ entstehen könnte, dürfte eine Illusion bleiben. Das Land, beziehungsweise die Gemeinden, könnten nun endlich auf die Grundstücke der stillgelegten Bahnstrecken zugreifen und sie für anderweitige Projekte verwerten, erfährt man aus dem Büro von Landesrat Heuras. Genannt werden beispielsweise ‘Radwege’, man kann aber wohl davon ausgehen, dass es sich dabei auch um profitable Baugrundstücke und Straßen handeln wird.

Wenn erst einmal die Trasse futsch ist, ist eine Strecke endgültig gestorben. Das zeigt sich beispielsweise an der einstigen Pressburgerbahn, deren Trasse zwischen Wolfsthal und Bratislava in den 80er Jahren mit Häusern zugebaut wurde. Heute, wo man die Verbindung über den Flughafen und Hainburg nach Bratislava gerne wiederbeleben würde, blockieren diese Häuser den möglichen Trassenverlauf.

Sanfter Niederösterreich-Tourismus

Ähnliches gilt für die idyllische Linie von Poysdorf nach Hohenau, die mit zahllosen Sehenswürdigkeiten und begleitenden Radwegen ein geradezu gigantisches Tourismuspotenzial gehabt hätte. Der Bau der Nordautobahn wird die Strecke endgültig durchschneiden, eine Wiederinbetriebnahme wird dadurch de facto unmöglich gemacht.

Ein ähnliches touristisches Potenzial hätte die Strecke entlang vom Nationalpark Donauauen bis zu den Prinz-Eugen-Schlössern (Engelhardstetten). Und ein Kandidat für eine ‘Wiederbelebung’ für den Pendlerverkehr wäre natürlich der Schnellbahnzubringer-Ast von Staatz nach Poysdorf. Doch die Verkehrsplanung in diesen Regionen konzentriert sich offensichtlich eher auf Straßengroßprojekte, etwa die Nordautobahn oder die Marchfeldautobahn nach Marchegg.

Die bestehenden Tourismusbahnen (Süd- und Nordast bei Gmünd, Schneebergbahn, die Strecke Gaming-Lunz sowie jene von Retz nach Drosendorf) gelten übrigens laut Heuras-Sprecher als sehr erfolgreich und werden wohl weiterbetrieben werden, für die Mariazellerbahn sollen sogar endlich neue Fahrzeuge beschafft werden.

Offiziell ist nichts entschieden

Das Schicksal vieler anderer Strecken ist jedoch ungewiss. Die wunderschöne, touristisch wertvolle Wachaustrecke westlich von Spitz beispielsweise mit der Donauuferbahn Richtung Sarmingstein könnte endgültig stillgelegt werden, ebenso die Strecke nach Mank.

Markus Hammer, Pressesprecher von Verkehrslandesrat Heuras, will oder kann zur Zukunft dieser und anderer Strecken nichts sagen. ‘Wir haben noch nichts entschieden’, sagt er. ‘Wir überlegen ein vernünftiges Konzept für alle Strecken.’ Man werde auch die Gemeinden einbeziehen.

Inzwischen entwickelt sich die Ybbstalstrecke immer mehr zu einem Krimi, wobei das Land NÖ mit allen Mitteln sein straßenzentriertes ‘Mobilitätskonzept’ durchsetzen will, ein Konzept, das auf Busse setzt und die historische Schmalspurstrecke durch die Voralpen beseitigen will. Im Sommer 2010 werden die Radtouristen (wie schon im Vorjahr) mit dem eigenen PKW anreisen müssen, da die ÖBB die Gleise nicht repariert und die Busse vorerst keine Räder mitnehmen. Später sollen manche Busse mit Fahrrad-Anhänger eingesetzt werden, ob jedoch jeder Bus damit ausgerüstet ist, oder nur ein Früh- und ein Abend-Transport, weiß auch Hammer noch nicht.

Ist Stilllegung ein innovatives Verkehrskonzept?

Das immer wieder gezeigte Interesse privater Betreiber (Veolia bzw. Bayerische Oberlandbahn, und YEG) an der Ybbstalstrecke wird vom Land NÖ hartnäckig ignoriert, wobei aus dem Büro des Landesrates Heuras zu hören ist, es gäbe überhaupt kein Angebot von einem privaten Betreiber. Erkundigt habe man sich aber bei Veolia nicht. ‘Wir rennen niemandem nach.’

Und zwei Nebenbahnen, die nicht ans Land NÖ übergeben wurden, sind ebenfalls teilweise bedroht: Im Traisental und im Erlauftal soll zwar der nördliche Teil der Strecken noch 2010 saniert werden (St. Pölten-Schrambach, Pöchlarn-Scheibbs), die südlichen Abschnitte werden jedoch höchstwahrscheinlich stillgelegt werden (Scheibbs-Gaming und Schrambach-St. Aegyd).

Angesichts der kommenden Gemeinderatswahlen in Niederösterreich befragt oekonews derzeit zahlreiche Bürgermeister entlang der Nebenbahnstrecken, ob sie sich eine Stilllegung oder einen Weiterbetrieb wünschen. Die Ergebnisse werden wir kommende Woche publizieren.

Diverse Bürgerinitiativen zur Erhaltung von Nebenbahnen zogen am 26. Februar empört vor das St. Pöltener Landhaus, koordiniert von der Organisation ‘probahn Österreich’ (www.probahn.at), die sich für einen attraktiven Schienenverkehr einsetzt. Unterstützt wurden sie von Abgeordneten der Grünen NÖ, die sich ebenso wie die SPÖ NÖ für den Erhalt der Nebenstrecken einsetzen. Man wird sehen, ob die Landesregierung dem Druck der Bevölkerung nachgibt. Sehen Sie dazu folgendes Video:


Auflistung der an NÖ übergebenen Bahnstrecken: Kein Personenverkehr oder kein Verkehr:

Freiland-Türnitz
Mank-Wieselburg
Göpfritz-Raabs
Ernstbrunn-Mistelbach
Zellerndorf-Sigmundsherberg
Siebenbrunn-Leopoldsdorf – Engelhartstetten
Breitstetten-Orth
Weissenbach-Neuhaus – Hainfeld
Alt-Nagelberg – Heidenreichstein
St Aegyd - Kernhof
Sulz-Zistersdorf
Zistersdorf-Dobermannsdorf
Gaweinstal-Paasdorf bei Mistelbach
Pirawarth-Gaweinstal
Enzersdorf-Poysdorf
Dobermannsdorf-Poysdorf
Bruck an der Leitha-Petronell

Reparaturweigerung der ÖBB, daher derzeit kein Verkehr:

Ybbstalbahn Waidhofen – Lunz
Gstadt - Ybbsitz

Tourismusverkehr:

Gaming-Lunz
Schneebergbahn
Gmünd-Nordast
Gmünd-Südast
Retz-Drosendorf

Strecke zum Teil mit Personenverkehr:

Schwarzenau – Waidhofen/Thaya – Fratres
Krems-Spitz-Emmersdorf-Sarmingstein

Strecke mit Personenverkehr:

Mariazellerbahn
Obergrafendorf-Mank

Nicht im Abkommen enthalten, aber bedroht (zwei Beispiele von vielen):

Traisentalbahn Schrambach-St. Aegyd
Erlauftalbahn Scheibbs-Gaming



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /