© Gerd Maier
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Wien Hauptbahnhof – Acht Sitzplätze

Fernreisende müssen drei Jahre lang stehen, damit das „Erste-Bank-Hochhaus“ früher gebaut werden kann

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Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2009 will die ÖBB den gesamten Süd- und Ostbahnhof schließen und abreißen, damit auf den freiwerdenden Flächen Hochhäuser errichtet werden können. Die Fernreisenden nach Kärnten, Italien, Slowenien und Südfrankreich müssen dann in Wien-Meidling einsteigen, da dies drei Jahre lang der neue Anfangs- und Endpunkt aller Südbahn-Fernzüge ist.

Oekonews hat nun staunend festgestellt, dass im neu umgebauten Bahnhof Wien-Meidling für ‘normale’ Reisende zweiter Klasse genau acht (wetterfeste) Sitzplätze errichtet worden sind. Und auch die nicht in einem eigenen Warteraum, sondern in einer ungemütlichen Durchgangshalle.

Fahrgäste erster Klasse werden allerdings besser behandelt: Für sie wird gerade eine ‘VIP-Lounge’ gebaut.

Acht Sitzplätze für einen internationalen Kopfbahnhof?

Nun sind acht Warteplätze für einen internationalen Bahnhof sparsam bemessen, um nicht zu sagen, originell. Denn das Warten auf Züge wird sich häufen, da die begrenzte Gleiskapazität in Wien-Meidling dazu führen wird, dass die Fernzüge erst kurz vor der Abfahrtszeit bereit gestellt werden, ganz im Gegensatz zum Wiener Südbahnhof, wo man schon lange vor der Abfahrt einsteigen konnte.

Der frühzeitige Abriss des Süd- und Ostbahnhofes wird indes von den ÖBB als ‘unbedingt notwendig’ dargestellt. Dies, obwohl der neue Hauptbahnhof ganz woanders errichtet wird, nämlich im Bereich der einstigen Station ‘Favoriten’ der Verbindungsbahn und benachbarter Abstellgleise.

Alexandra Kastner, für den Hauptbahnhof zuständiger ÖBB-Pressekontakt, teilte uns mit, ihrem Wissen nach brauche man die Fläche des Süd- bzw. Ostbahnhofes als Baustellenlogistikfläche für die Großbaustelle. Ein genaueres Nachforschen ergab jedoch, dass dies so nicht stimmen kann. Das Areal wird nämlich bereits ein dreiviertel Jahr nach Abrissbeginn an diverse ‘Immobilienentwickler’ übergeben, unter anderem an die ‘Erste Bank’, die auf dem Areal eine riesige Osteuropa-Zentrale bauen wird.

Immobilien-Gelder für die ÖBB, gravierende Nachteile für die Bahnkunden?

Von ‘Baustellen-Logistikfläche’ ist also keine Rede. Wir fragten nach, ob man die Variante geprüft habe, den Südbahnhof noch ein oder zwei Jahre länger zu betreiben, was ja zweifellos möglich wäre. Die Fernzüge von Wien Süd könnten beim Südtiroler Platz auf zwei Richtungsgleisen enggeführt werden, sodass der benachbarte Baustellenbetrieb kaum beeinträchtigt wäre.

Frau Kastner meinte, die Höhenlage der Gleise würde da Probleme machen, und es sei ihres Wissens einfach nicht möglich.

Dieses Argument ist kaum nachvollziehbar. Die Hochlage der Gleise von Wien Süd (auf provisorischen Tragwerken) würde einen Ausbau des Verkehrsknotenpunkts Südtiroler Platz und einen Bau des neuen Hauptbahnhofes durchaus zulassen.

In Wirklichkeit bringt ein frühzeitiger Abriss den ÖBB ganz andere Vorteile, nämlich frühzeitig ausbezahlte hochpreisige Grundstückserlöse. Dies ist wohl der wahre Grund für die Demolierung des Bahnhofes ab Dezember 2009: Finanzlöcher der ÖBB sollen gestopft werden – auf Kosten der Fernreisenden, die bei der Abfahrt in den Süden zukünftig nur mehr acht Warteplätze vorfinden.



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /