© Foto: ÖBB / Archiv PG - www.oebb.at
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Die Westbahnhof-Falle

Hunderte ÖBB-Fahrgäste wurden nachts im Wiener Westbahnhof „inhaftiert“

Dass massive Personalreduktionen und die Aufsplitterung in schlecht koordinierte Teilgesellschaften dem Eisenbahnverkehr schaden, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Welch skurrile Blüten diese Politik des ÖBB-Managements jedoch hervorbringen kann, zeigte sich am 21. August zeitig in der Früh am Wiener Westbahnhof.

Ein Sonderzug mit hunderten Fahrgästen, die das Frequency-Festival in St. Pölten besucht hatten, erreichte kurz nach 2,30 Uhr nachts den Bahnhof. Die Menschen strömten zu den Ausgängen und – fanden sich im Bahnhofsgebäude eingesperrt. Kein einziger Bahnbediensteter war sichtbar oder aufzufinden(!), und man kann von Glück reden, dass bei den hunderten Eingeschlossenen keine Panik aufkam.

Flucht übers Eisentor

Etliche Fahrgäste kletterten über ein Eisentor ins Freie, manche von ihnen stürzten dabei laut ‘Kurier’ ab und verletzten sich leicht. Die anderen warteten ratlos im Bahnhof oder versuchten per Handy Hilfe zu holen. Erst etwa 30 Minuten nach der Ankunft des Zuges erschien ein Security-Mann und sperrte die Ausgänge auf.

Die ÖBB lässt den Westbahnhof normalerweise um 1 Uhr zu- und um 4 Uhr wieder aufsperren. Offiziell wegen der Reinigung des Bahnhofes, der tatsächliche Grund liegt aber wohl darin, dass die ÖBB Obdachlose auf die Straße schicken will, damit diese die Halle nicht als Schlafplatz nützen können.

Durch die massiven Personalreduktionen hatte ein überlasteter Mitarbeiter innerhalb der Organisationskette ‘übersehen’, dass an diesem Tag ein Sonderzug kommt. Der Fahrdienstleiter hatte seine Durchsagen gemacht, aber von seinem abgelegenen Kammerl nicht sehen können, dass die Fahrgäste eingesperrt waren, berichtet ÖBB-PV-Pressesprecherin Gudrun Czapka. Erst als er ‘Lärm hörte’, habe er einen Security-Mitarbeiter in die Bahnhofshalle geschickt.

Hohe Prämie pro entlassenem Mitarbeiter

‘Es war ein menschlicher Fehler’, sagt Czapka. ‘Das darf nicht noch einmal passieren, wir müssen uns entschuldigen.’ Man werde sich die interne Kommunikation anschauen. Am heftigen Personalabbau wird sich wohl nichts ändern, trotz der skurrilen Tatsache, dass mehrere hundert ÖBB-Fahrgäste fast eine halbe Stunde lang im Bahnhofsbereich keinen Mitarbeiter finden konnten.

Ein ÖBB-Insider, der selbst mit weniger als 50 Jahren in Frühpension geschickt wurde, berichtete mir, wie die Sache derzeit funktioniert: Die Personalmanager bei den ÖBB bekommen für jeden Mitarbeiter, den sie entlassen oder in Frühpension schicken können, persönlich eine hohe finanzielle Prämie ausbezahlt. Diese bewegt sich im oberen einstelligen Prozentbereich eines Jahresgehaltes des gekündigten Angestellten. Da strengt man sich schon mal ordentlich an, möglichst viele langjährige (teure) Mitarbeiter samt ihrer Kompetenz fortzuschicken und durch unerfahrene Neulinge oder durch niemanden zu ersetzen. Übrig bleiben die Fahrgäste, die nachts ratlos im Bahnhof eingeschlossen bleiben.



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /