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Streit um Atomkraftwerk Biblis B

Ministeriums-Willkür bei der Akteneinsicht

Die atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW wirft dem Hessischen Umweltministerium vor, "willkürlich" die Einsicht in wichtige Akten zur Sicherheit des Atomkraftwerksblocks Biblis B zu verweigern. Die Rechtsanwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach hat im Namen der IPPNW am 9. September 2005 bei der Atomaufsicht beantragt, den Atommeiler stillzulegen und dabei um Akteneinsicht gebeten. Die Behörde habe seitdem zwar nach langwierigen und zähen Verhandlungen einige Unterlagen zur Verfügung gestellt, zuletzt mit Bescheiden vom 5. Juni und 27. August aber "pauschal" sicherheitstechnisch sehr bedeutsame Behördendokumente nicht herausgegeben. Ablehnend beschieden wurde beispielsweise die Einsichtnahme in die Originalakten der Sicherheitsüberprüfungen des Atomkraftwerks (PSÜ, SIAN), in eine Risikostudie zum Nicht-Leistungsbetrieb, sowie in Dokumente zum Notspeisesystem und zum Notstandssystem.

Die Behauptung des Umweltministeriums, die Antragsteller hätten nicht dargelegt, inwieweit die Kenntnis der Akteninhalte erforderlich sei, ist absurd, so die IPPNW. In einem Schreiben vom 16. September 2007 an Ministerpräsident Roland Koch rügt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen, man habe der Behörde im Rahmen einer förmlichen Anhörung – wie vom Ministerium erbeten – auf insgesamt 20 Seiten aus rechtlicher und technischer Sicht umfangreich dargelegt, wofür die Kenntnis der Akten erforderlich und wo der Verfahrensbezug sei. In dem entsprechenden Bescheid vom 5. Juni 2007 heiße es zu den umfangreichen Argumenten lapidar: "Ihre Ausführungen haben mich im Ergebnis zu keiner anderen Entscheidung veranlasst."

Auch die Verweise der Anwältin auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof), wonach Zugang zu den Originalakten der Behörde zu gewährleisten ist, wurden laut IPPNW vom Hessischen Umweltministerium einfach ignoriert. Im Schreiben der IPPNW-Vorsitzenden Claußen an Ministerpräsident Koch heißt es dazu resümierend: "Es ist festzustellen, dass eine ernsthafte rechtliche Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Argumenten nicht erfolgt ist."

Die Willkür des Behördenhandelns ist nach Auffassung der IPPNW mit zahlreichen Fallbeispielen zweifellos belegbar. Claußen weist u.a. darauf hin, dass die Behörde zunächst schriftlich erklärt habe, Einsicht in die "Periodische Sicherheitsüberprüfung" (PSÜ) gewährleisten zu wollen (nicht nur in das Gutachten zur PSÜ). Mit dem Bescheid vom 5. Juni sei diese Einsichtnahme in die PSÜ dann dennoch ohne Begründung abgelehnt worden.

Besonders kurios sei, dass das Ministerium in seinem Entwurf eines Bescheides vom 18. Januar 2007 einerseits angekündigt hatte, Einsicht in Unterlagen zum Blitzschutz des Atomkraftwerks verweigern zu wollen, zugleich aber darauf hingewiesen habe, dass die entsprechenden Unterlagen bereits am 9. Januar 2007 zur Verfügung gestellt worden seien. "Das Ministerium bestreitet also das Recht auf Akteneinsicht zu einem Vorgang, zu dem es tatsächlich bereits Akteneinsicht gewährt hat", moniert Claußen
im Schreiben an Koch. "Insgesamt zeigt sich, dass das Hessische Umweltministerium in dem laufenden Verwaltungsverfahren auf rechtsstaatliche Grundsätze wenig Rücksicht nimmt. Wir fordern Sie nachdrücklich dazu auf, den Bescheid vom 5. Juni 2007 sowie den entsprechenden vom 27. August 2007 zu korrigieren."



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Artikel Online geschaltet von: / litschauer /