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Gesetz zum Durchboxen von Tempo 160 stoppen

Anschober: Appell an Nationalrat

Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober sieht gravierende inhaltliche und rechtliche Bedenken und informiert in einem Schreiben alle Klubobleute und Umweltsprecher der Parlamentsfaktionen.

Am 25. November beschäftigt sich die Landesumweltreferentenkonferenz gemeinsam mit Umweltminister Pröll mit der Erstellung eines bundesweiten Maßnahmenpakets zur Senkung der Feinstaubkonzentrationen. Nur wenige Tage davor soll im Umweltausschuss des Nationalrates den Ländern eine wichtige Handlungskompetenz de facto entzogen werden - mit dem offensichtlichen Hintergedanken des Durchboxens von Tempo 160 und der Unterbindung von möglichen rechtlichen Gegenmaßnahmen der Länder.

In der Regierungsvorlage zum Umweltrechtsanpassungsgesetz verbirgt sich eine Bestimmung, auf die besonders hinzuweisen ist. Diese ist laut der Oö. Umweltrechtsbehörde Verfassungs- und EU-widrig und konterkariert die Bemühungen der Länder zur Verbesserung der Luftsituation: Im Artikel 4 der Regierungsvorlage soll das Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) novelliert werden. Dazu soll auch Paragraph 14 Abs. 1 geändert werden - die Bestimmung die bisher den Ländern das Recht gab, generell Geschwindigkeitsbeschränkungen anzuordnen.

In der Novelle soll nunmehr vorgesehen werden, diese Beschränkungen auf Autobahnen und Schnellstraßen nur mehr bis zu drei Monate anordnen zu dürfen. Darüber hinaus muss das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) hergestellt werden.

In der Pressekonferenz zur Vorstellung dieser Novelle hat der Pressesprecher von Vizekanzler Gorbach die Notwendigkeit dieser Regelung damit begründet, dass damit der ‘Willkür der Länder" Einhalt geboten werden soll.

Diese Neuregelung der Herstellung eines ‘Einvernehmens’ bedeutet nichts anderes als die Abhängigkeit der Länder von der Zustimmung des Herrn Bundesministers. Anschober: "Mit anderen Worten: Auch wenn die Luftqualität so schlecht wäre, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Geschwindigkeitsbeschränkung erfüllt sind, kann der Bundesminister aus Verkehrsrücksichten die Erlassung einer derartigen Geschwindigkeitsbeschränkung verhindern."

Dies ist laut der Oö. Umweltrechtsbehörde aus folgenden Gründen verfassungs- und EU-rechtswidrig.

1. Der BMVIT kann lediglich die Geschwindigkeit auf Autobahnen regeln (§ 43 Abs. 4 StVO 1960), nicht aber auf Schnellstraßen, weil es diesen Begriff in der StVO 1960 gar nicht gibt.

2. ‘Straßenpolizei’ ist nach Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG Bundessache in Gesetzgebung, aber Landessache in der Vollziehung. Die Verordnungsbefugnis des BMVIT für Autobahnen ist bereits eine Einschränkung der Länderkompetenz in der Vollziehung, die daher nicht auf Schnellstraßen ausgedehnt werden kann, ohne die Länderkompetenz unzulässig zu beschneiden.

3. Luftreinhaltung ist eine Materie nach Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG. Ihre Vollziehung ist dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) zugewiesen (§ 33 Abs. 1 IG-L).

4. Die Reinhaltung der Luft ist ein höherwertiges Rechtsgut als die Fahrgeschwindigkeit auf Autobahnen und Schnellstraßen.

5. Die Luftqualitätsrahmenrechtlinie 96/62/EG und die dazugehörigen Tochterrahmenrichtlinien verpflichten die Mitgliedsstaaten, entsprechende Vorschriften für die Vermeidung, Verhinderung und Verringerung der Konzentrationen gefährlicher Luftschadstoffe zum Schutz der Umwelt insgesamt und der menschlichen Gesundheit zu erlassen. Wesentliche Anforderungen dieser Richtlinien sind im IG-L umgesetzt; durch die vorgesehene Neuer¬ung würden diese Vorgaben zu Gunsten von Verkehrsrücksichten verwässert oder gar unmöglich gemacht.

Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass nach deutschem Recht die Straßenverkehrsbehörde zur Umsetzung der Luftreinhaltemaßnahmen ausdrücklich gesetzlich verpflichtet wurde (siehe § 40 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz).

"Eine Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit bewirkt jedenfalls eine Erhöhung des NO2-Ausstosses. NO2 ist eine Vorläufersubstanz für Sekundär-PM10. Wenn also in einem Gebiet eine erhöhte eine PM10-Belastung vorherrscht, so kann diese wirkungsvoll durch Reduzierung der dort erlaubten Fahrgeschwindigkeiten bekämpft werden", so Anschober abschließend.



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