SPIEGEL - Geschichte ist eine absolute Luftnummer

Ein Kommentar von Peter Ahmels, Präsident des Bundesverbandes Windenergie

‘Viel heiße Luft’ war eine Sendung von Spiegel-TV betitelt, die vergangenen Oktober über den Äther ging. Ein Tiefpunkt aus dem Haus des Flaggschiffs des deutschen Journalismus: Die Kronzeugen des Anti-Windkraft-Beitrages waren angebliche Ökologen und angebliche Experten, die weder vor noch nach der Sendung je in Erscheinung getreten waren.

Nun also die Printverison: ‘Der Windmühlenwahn’ lautet der aktuelle Spiegel-Titel, der auf 16 Seiten alle nur möglichen Argumente gegen die Windkraftnutzung aneinander reiht. Gemeinsam ist beiden Beiträgen der Chef. Stefan Aust, der nicht nur Chefredakteur von Spiegel-TV, sondern auch des Nachrichtenmagazins ist, wohnt in Stade. Seit dort das Atomkraftwerk abgeschaltet wurde, sind es die Windparks der Region, die Strom ins Netz einspeisen. Stört das Deutschlands mächtigsten Journalisten?

Gemeinsam ist beiden Beiträgen auch der wohlkalkulierte Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung: Damals wie heute lagen Umweltminister Jürgen Trittin und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement im Clinch um das Erneuerbare-Energien-Gesetz. In dieser Woche wollen die rot-grünen Koalitionäre letzte Hand anlegen an das weltweit erfolgreichste Gesetz zur Förderung regenerativer Energien, weshalb Clement in der vergangenen Woche ein Gutachten zu den Gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen veröffentlichte.
Der Spiegel zitiert aus diesem. Beispielsweise dass die Weiterführung des Gesetzes für die Verbraucher und die Gesamtwirtschaft ein äußerst teures Unterfangen wäre oder das bei einer steigenden Menge Windkraft mehr Regelenergie zum Ausgleich von Schwankungen vorzuhalten wäre. Im Gutachten steht allerdings auch, dass die Strompreisumlage für Erneuerbare Energien trotz weiteren Ausbaus praktisch konstant bleibt und dass die Kosten für Netzausbau und Regelenergie von geringer Bedeutung sind. Aber Fakten, die für die Windkraft sprechen, zitiert der Spiegel nicht. Das Nachrichtenmagazin, das sich unter seinem legendären Herausgeber Rudolf Augstein durch akribisch recherchierte Fakten und feine Analyse auszeichnete, praktiziert heute ein journalistisches Auswahlprinzip: Durch Weglassen und Tendieren wird die – von wem eigentlich? – gewünschten Darstellung eines Sachverhaltes erreicht. Natürlich haben die zuständigen Redakteure auch mit Windkraftbefürwortern geredet.

Zum Beispiel mit mir hat einer der Autoren über eine Stunde gesprochen. Der Text spiegelt aber nicht einmal eine Minute des Gespräches wieder. Gabor Steingart, Leiter des Spiegel-Haupstadtbüros, hat vergangene Woche sein neues Buch ‘Der Abstieg eines Superstars’ vorgestellt. Darin geht es weder um Janette Jackson noch um Oliver Kahn oder das MoMa. Es geht viel mehr um Deutschland: Der produktive Kern der deutschen Volkswirtschaft, von dessen Energieleistung alles andere abhängt, schrumpft, so Steingarts These. Die Folge: Der Wohlstand verflüchtigt sich.
Nachdem Steingart in den vergangenen Ausgaben des Spiegels seine interessante Analyse abdrucken durfte, beeilt sich das Nachrichtenmagazin jetzt, eine junge, innovative Wertschöpfungskette - mit 45.000 Jobs und 4,8 Milliarden Euro Umsatz im letzten Jahr - sturmreif zu schießen. So klug Steingart den Strukturkonservativismus der deutschen Wirtschaft im vergangenen Jahrhundert beschreibt, so platt schießt jetzt der Spiegel gegen deutsche Innovationsfähigkeit.

Denn alle aufgereihten Argumente sind längst bekannt – und widerlegt. Das interessanteste an der aktuellen Spiegel-Geschichte ist deshalb die Autorenfrage: Nicht der seit Jahren mit dem Thema betraute Fachredakteur hat den Text verfasst, sondern ein Autorenduo, dass in diesem Metier noch nicht in Erscheinung getreten ist. Der eine hat zuletzt hauptsächlich über Medienwirtschaft geschrieben. Der andere sitzt in der Düsseldorfer Spiegelvertretung.

Stellt sich die Frage: Warum ist Spiegel-Chef Aust gegen die Windkraft? Die Antwort ist eine Machtfrage: Jahr für Jahr jagen die Windmüller den Deutschen Energiekonzernen ein Prozent des Strommarktes ab – inzwischen sind es knapp sechs. Bei 43,9 Milliarden Umsatz, den allein RWE im vergangenen Jahr erwirtschaftete fällt, das zwar kaum ins Gewicht. Die Tendenz hat aber bei den Strommanagern Alarm ausgelöst. Umverteilung von oben nach unten – Aust, der sich zu Deutschlands mächtigsten Journalisten hoch gearbeitet hat, hält es heute lieber mit der Macht. Sollen die Windmüller deshalb das bleiben, wozu sie geboren wurden:
Zum Stromkunden?


Die Presseaussendung mit Fakten zum Download (als PDF)
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Quelle: Bundesverand Windenergie


Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /