GATS als Umweltkiller

GATS - das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen - soll auch in der öffentlichen Daseinsvorsorge die Liberalisierung vorantreiben.

Was bedeutet das für die Umwelt?

von Werner Raza

Schauplatz Cochabamba, Bolivien, Jänner 2000: Tausende Menschen steigen auf die Barrikaden, die Polizei schreitet ein, fast zweihundert Verletzte, ein Toter. Der Grund: der lokale Wasserversorger, eine Tochter des US Multis Bechtel, hat die Wasserpreise um bis zu 200% in die Höhe getrieben, zu hoch, als dass sich die Leute das noch leisten können. Auch der bolivianische Staat zahlt letztlich einen hohen Preis. Zuerst an Menschenopfern und politischer Glaubwürdigkeit. Die Kündigung des Vertrags mit Bechtel brachte ihm aber auch eine Schadenersatzklage über 25 Mio US$ der US Firma vor einem internationalen Schiedsgericht ein.

Gewiss, Bolivien ist weit weg von Österreich. Geographisch, wirtschaftlich und politisch. Grossbritannien liegt da schon näher: die dortige, von der Regierung Margaret Thatchers 1988 umgesetzte Wasserprivatisierung zeitigte aber auch nicht die Verheissungen des freien Marktes: die Preise schnellten um 50 % in die Höhe, bei Nichtbezahlung der Rechnung wurde das Wasser abgedreht, die durch verunreinigtes Wasser verursachten Fälle von Ruhr stiegen in Ballungsräumen beträchtlich an. Zugegeben, auch England liegt noch jenseits des Ärmelkanals, und hat eine andere soziale Tradition als Österreich.

Wie sieht es etwa in Frankreich aus, einem Land mit starkem Sozialstaat und umfangreichem öffentlichen Sektor? Auch hier: die französische Wasserversorgung ist seit gut 100 Jahren maßgeblich in privater Hand. Vor dem Liberalisierungsschub der letzten 20 Jahre zu etwa einem Drittel, mittlerweile zu zwei Drittel. Das verbliebene Drittel ist öffentlich. Was sind die Resultate? Ergebnis 1: Private interessieren sich für die Versorgung von Städten und Ballungsräumen, ländliche Regionen sind kommerziell uninteressant, hier darf die öffentliche Hand weiter versorgen. Ergebnis 2: die Preise sind im internationalen Vergleich durchschnittlich nicht günstiger als in Ländern mit öffentlicher Versorgung. Ergebnis 3: auch die Qualität der Wasserversorgung ist nicht besser als jene öffentlicher. Ergebnis 4: wenige grosse Konzerne (Vivendi, Lyonnaise, Saur) teilen sich das Geschäft untereinander auf. Das private Oligopol sitzt gegenüber den Kommunen auf dem längeren Ast. Und es wird im Bedarfsfall auch kräftig geschmiert. Siehe Grenoble: dort wurde der Bürgermeister der Korruption überführt, der Vertrag mit Lyonnaise des Eaux daraufhin nach Bürgerprotesten gekündigt, die Versorgung wieder von der Kommune in Eigenregie erbracht. Der Staat entkommt seiner Verantwortung letztlich nicht. Doch solche gescheiterten Experimente fügen ihm einen hohen politischen Schaden zu.

Was das alles mit dem GATS zu tun hat? Es sind dieselben französischen Wassermultis, die in den GATS Verhandlungen darauf drängen, dass die Europäische Union von Ländern wie Bolivien, insgesamt sind es 72 Staaten, fordert, ihren Wassersektor für die Europäischen Konzerne zu öffnen. Und die EU-Kommission ist da durchaus willfährig. So hat sie einen breiten Konsultationsprozess abgehalten, um zu erfahren, was die EU Wasserkonzerne denn in den betreffenden Ländern so stört: öffentliche Monopole, Beteiligungsbeschränkungen, Universaldienstverpflichtungen u.a.m.. Kurz: das GATS dient als wichtiger, wenngleich bei weitem nicht einziger Transmissionsriemen, um einseitig Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Schutzbestimmungen im öffentlichen Interesse sind da ein Hindernis, das es auszuräumen gilt.

Was hat das mit Österreich zu tun? Die GATS Verhandlungen sind das Vorspiel für den Angriff auf die österreichische Wasserversorgung. Die EU-Kommission im Verbund mit denselben Konzernen will nämlich in nächster Zeit die Liberalisierung der Wasserversorgung in der EU durchsetzen. Auch das Wasser soll dem Gebot des freien Dienstleistungsverkehrs unterworfen werden.

Nur: Wasser ist keine Ware, es ist ein Menschenrecht. Als öffentliches Gut gehört es allen, weil es die unersetzbare Lebensgrundlage aller ist. Wir haben eben nicht die Wahl auf Champagner umzusteigen, wenn das Wasser einmal zu teuer geworden ist. Daher: wenn schon Außenhandel, dann nicht mit dem Lebensgut Wasser, sondern mit dem Luxusgut Champagner. Da hat Frankreich zudem einen wirklichen komparativen Vorteil. Sollte der uns trotzdem zu teuer sein, trinken wir eben Sekt oder sonst was. Im Unterschied zu Wasser braucht es dazu aber kein GATS. Champagner ist nämlich keine Dienstleistung, sondern eine Ware.



Dr. Werner Raza ist Volkswirt, Mitarbeiter der Abteilung EU und Internationales in der AK Wien und Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien



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Dieser Artikel erschien leicht gekürzt in Wirtschaft&Umwelt. Zeitschrift für Umweltpolitik der Arbeiterkammer Wien


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