Bildungsaufgabe Klimaschutz. Die Bedeutung des Verbraucherverhaltens

Bildungsbegriff, Nudging (sanftes Anstupsen), Rebound-Effekte

Zum Hintergrund

‘Um die Energie- und Klimaziele erreichen zu können müssen die THG-Emissionen drastisch reduziert, der Energiebedarf halbiert und der verbleibende Energiebedarf ausschließlich mit Erneuerbaren gedeckt werden. Haushalte spielen durch ihre täglichen Entscheidungen eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Ziele. Doch warum handeln Konsumentinnen und Konsumenten oft nicht klimaschutzgerecht? Welche Maßnahmen sind hilfreich? Wie müssen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen angesprochen werden? Wo bestehen Lücken im Bildungssystem betreffend die Energiewende? Müssen Konsumentinnen und Konsumenten vom Kindergarten bis zur Pension ‘gelenkt’ werden?’ so Prof. Dr. Reinhold Christian in seiner Einleitung zum Fachdialog von Umwelt Management Austria.

Die Rolle der Bildung auf dem Weg zum Klimaschutz

Dr. Peter Iwaniewicz, BMLFUW, referierte über den Bildungsbegriff. Die Herausforderung sei, die unterschiedlichen Zielgruppen passend anzusprechen. Volksschulen und Gymnasien tun sich in Sachen ‘Klimabildung’ vergleichsweise leicht. In Abhängigkeit vom fachlichen Schwerpunkt hätten es Universitäten schwerer. Ebenso wären Strukturen ein Problem.

Der Referent plädiert für ein neues ‘Framing’ im Bereich Klimaschutz. Präsident Reagan soll festgelegt haben, dass über ‘global warming’ gesprochen wird und nicht über die ‘Klimakatastrophe’. Unter der Trump-Administration wird der Begriff ‘extreme Wetterereignisse’ verwendet. Begriffe wie Klimaerwärmung (warm ist eigentlich gutes Wetter!) und Klimaschutz (Menschen sind die Täter nicht die Opfer!) erzeugen ‘falsche’ Bilder. Iwaniewicz war davon überzeugt, dass es Klimakatastrophe heißen muss, da wir Täter und nicht Opfer sind.

Rebound-Effekte als Verbrauchstreiber, Abgrenzung von anderen Effekten

DI Rupert Christian, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Umwelt Management Austria, sprach über Rebound-Effekte und Verhaltensweisen. Grundlage bildeten Erfahrungen aus dem Projekt ‘urbane Rebound-Effekte’ (uRbE). Das Vorhaben wurde über den Klima- und Energiefonds finanziert (e!MISSION.at – 4. Ausschreibung – Projektnummer: 843768) und über die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH abgewickelt.

Der Referent unterscheidet Rebound-Effekte von strukturellen (Angebot an Wohnungen: Größe, Lage, …; Angebot an Fahrzeugen, Geräten, …) und weiteren Verbrauchstreibern (technische Mängel, informelle Mängel, …). Einen Sonderfall stellt das ‘soziale Aufholen’ dar. Diese Unterscheidung ist besonders wichtig für die Entwicklung wirksamer Maßnahmen, genauso wie die Identifikation der Ursachen von Rebound-Effekten (Wünsche, Bedürfnisse, …), der ‘Enabler’ (finanzielle, zeitliche, soziopsychologische Faktoren), die Rebound-Effekte erst möglich machen, sowie äußerer Rahmenbedingungen und Strukturen.

In den Modellen des Projektes uRbE für die Bereiche Gebäude, Mobilität und Haushaltsgeräte konnten direkte Rebound-Effekte quantifiziert werden. Im sogenannten ‘Gesamtmodell’, das alle drei Bereiche umfasst, konnten auch indirekte Rebound-Effekte berechnet werden.

Nudging - sanftes Anstupsen der Verbraucherinnen und Verbraucher und Lenken in die richtige Richtung

Prof.in Dr.in Ester Reijnen, Leiterin der Fachgruppe Angewandte Kognitionspsychologie, ZHAW Angewandte Psychologie, bot interessante Ausführungen zum Thema ‘Nudging – ein neues Patentrezept?’. Ihr Mitarbeiter Swen Jonas Kühne unterstützte sie dabei.

Nudging heißt, Personen ‘sanft anstupsen’ und das Verhalten in die richtige Richtung (zum individuellen Wohl und dem Wohl der Gesellschaft) zu lenken. Beispiele zeigen, dass Nudges durchaus funktionieren, allerdings situationsabhängig und nicht nach einem einheitlichen Prinzip. Jedenfalls sollte den Menschen keine Handlungsoption weggenommen werden. Die Optionen dürfen zudem finanziell nicht oder zumindest nicht zu stark attraktiv bzw. unattraktiv gemacht werden – sonst handelt es sich nicht mehr um Nudges.

‘Nudging ist einfach und kostengünstig, hat aber Stolperfallen (Stichwort: Bevormundung)’, so Reijnen. Warum funktioniert Nudging? Der Mensch hat ein bewusstes, rationales System. Dieses braucht aber viele Ressourcen. Deshalb wird vieles über das automatische, unbewusste System gesteuert, was Fehler impliziert. Hier kann, da die Fehler nicht zufällig sind, über Nudges angesetzt werden. Diese sollten einfach, anziehend, sozial und zeitgerecht sein. Ein anziehender Nudge muss z. B. auffallen und emotional verarbeitet werden. Dann erfolgt eine Änderung des Verhaltens.

Die Diskussion mit dem Publikum brachte eine enorme Bandbreite an Fragen und Hinweisen.

Präsentation, vollständige Unterlagen; Klimaschutz und Energiewende. Chancen für Städte und Gemeinden - Enquete und Seminar

Die Präsentationen zum Fachdialog und eine vollständige Mitschrift finden Sie hier online.

Informationen zur nächsten Veranstaltung am 17. sowie 18. samt Anmeldemöglichkeit zum Thema "Klimaschutz und Energiewende. Chancen für Städte und Gemeinden - Enquete und Seminar -" finden Sie hier.


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