© Gustav Melin- pixabay.com / Flugzeug
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Politik muss umdenken: Gerichtsentscheid zur dritten Flughafenpiste als große Chance

UmweltschützerInnen sind entsetzt über die einseitigen Bewertungen von Teilen der Politik und Wirtschaft und veröffentlichen eine Analyse des Gerichtserkenntnisses.

Vor rund einer Woche hat der Gerichtsentscheid zur dritten Flughafenpiste in Wien-Schwechat für Aufsehen gesorgt. Das Bundesverwaltungsgericht gewichtete dabei das öffentliche Interesse an Klimaschutz höher als das öffentliche Interesse an einer verbesserten Flug-Infrastruktur in Ostösterreich. Die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 ist entsetzt, wie einseitig und undurchdacht seither die Kommentare von Teilen der Politik und diverser WirtschaftsvertreterInnen ausfallen und wie wenig Lösungskompetenz an den Tag gelegt wird: "Die Entscheidung der Richter ist ein Grund zur Freude und öffnet die Tür für eine nachhaltige Ausrichtung unserer Mobilität", ist Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000, überzeugt. "Die Politik muss jetzt Lösungskompetenz beweisen und für schnelle, angenehme und günstige Bahnverbindungen in unsere Nachbarländer sorgen, anstatt sorgfältig ausgearbeitete Gerichtsentscheide zu bekämpfen!"

Zunahme des Flugverkehrs kein Naturgesetz

Die Umweltschutzorganisation veröffentlicht ein Factsheet mit einer Analyse der wichtigsten Abwägungen des Gerichtsurteils und kommt zum Schluss, dass sehr genau und sehr sorgfältig verschiedene öffentliche Interessen abgewogen wurden. In einigen Punkten kommt GLOBAL 2000 aber zu anderen Schlussfolgerungen. So wird seitens des Gerichts der Einschätzung gefolgt, dass in Zukunft ein starkes Wachstum des Flugverkehrs zu erwarten ist. Dies ist aus Sicht von GLOBAL 2000 zu hinterfragen, denn in den letzten Jahren war ein Trend zu weniger Abflügen in Wien-Schwechat zu verzeichnen: Laut Statistik Austria gab es im Jahr 2008 rund 266.206 Flugbewegungen, im Jahr 2015 waren es noch 226.811, ein Rückgang um immerhin rund 40.000 Flugbewegungen. Die Anzahl der Passagiere erhöhte sich in diesem Zeitraum allerdings.[1] (#sdfootnote1sym) "Es ist kein Naturgesetz, dass der Flugverkehr immer weiter wächst. Schon jetzt geht ein großer Teil der Flugverbindungen in Städte von Nachbarländern, zu denen auch direkte Bahnverbindungen bestehen. Die Politik muss jetzt gestaltend eingreifen und nachhaltige Mobilitätsformen ausbauen, anstatt stur an der fixen Idee von weiteren Flugpisten festzuhalten", fordert Wahlmüller.

Verdrängung von Arbeitsplätzen bei der Bahn durch Flughafenausbau

Auch der Aspekt der Schaffung von Arbeitsplätzen wurde im Urteil andiskutiert. Letztendlich kamen die Richter aber zu dem Schluss, dass eine abschließende Bewertung nicht möglich war, weil die Gefahr besteht, dass Arbeitsplätze in anderen Transportzweigen verloren gehen. Aus Sicht von GLOBAL 2000 ist es mehr als wahrscheinlich, dass gerade die Bahn, die auf der Mittelstrecke in direktem Konkurrenzkampf mit den Fluglinien steht, unter einem weiteren Ausbau des Flughafens leiden würde. Der Grund dafür ist vor allem steuerlicher Natur, denn beim Flugverkehr fallen keine Steuern für Kerosin an, es gibt keine Mehrwertsteuer auf Tickets und der Flughafen selbst ist von der Grundsteuer befreit. Diese Steuerprivilegien haben laut Berechnungen des WIFO einen Wert von jährlich mehr als 500 Mio. Euro[2] (#sdfootnote2sym) und bescheren dem Flugverkehr einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil. Demgegenüber wurde vor einigen Jahren eine lächerlich geringe Ticketsteuer eingeführt. "Wir müssen die völlig absurden Steuerprivilegien für Fluglinien abschaffen und nicht auch noch die ohnehin geringfügige Ticketsteuer halbieren, wie es die Regierung kürzlich angekündigt hat. An den immer spärlicher werdenden Nachtzugverbindungen innerhalb Europas ist längst ersichtlich, dass durch diese fehlgeleiteten Anreize Arbeitsplätze bei der Bahn in Gefahr sind. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gibt uns jetzt die Möglichkeit, diesen Trend zu drehen und Arbeitsplätze in nachhaltigen Transportzweigen zu schaffen. Wir haben eine große Chance bekommen, nutzen wir sie", appelliert Wahlmüller abschließend.

[1] (#sdfootnote1anc)Vgl. Statistik Austria (2017), dl. 13.2.2017

[2] (#sdfootnote2anc)Vgl. WIFO (2016): Subventionen und Steuern mit Umweltrelevanz in den Bereichen Energie und Verkehr


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /