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Oberösterreich: Eiszeit und "Salto rückwärts" für die Energiewende!

Unfassbar: Schwarz-Blau beantragt neue Energiestrategie mit Rücknahme bisheriger Ziele - LR Anschober beantragt Rückstellung und Neuverhandlung

Linz - Oberösterreich war bisher international eine absolute Vorzeigereigon und ein Modell dafür wie Energiewende geht: Eine klare Energiestrategie "Energiezukunft 2030", die von Grünen und ÖVP beschlossen worden war, hatte das Ziel, bis 2030 100 Prozent des Energieverbrauchs bei Strom und Raumwärme aus Erneuerbarer Energie zu erzeugen. Mit großem Erfolg, soviel ist fix. Es entstand im Bundesland Oberösterreich eine breite Bewegung, die eines erkannt hat: Ein Umbau der Energieerzeugung ist ein Muss. In mehr als 200 Gemeinden wurden eigene Umbaukonzepte erarbeitet und tausende Arbeitsplätze entstanden neu. Greenjobs, die andere sich nur wünschen. Oberösterreich positionierte sich international mit viel Engagement und Investition als Modellregion der Energiewende.

Landesrat Anschober ist enttäuscht und warnt: ‘Das soll morgen alles vorbei sein. In zwei Anträgen will Schwarz-Blau in der morgendlichen Regierungssitzung eine neue Energiestrategie beschließen und einen neuen Windkraftmasterplan. Die bisherige von der ÖVP über 12 Jahre mitgetragene Politik würde damit auf den Kopf gestellt, die Energiewende beendet."

Oberösterreichische Landesregierung um Wirtschaftslandesrat Michael Strugl scheint unentschlossen und rückschrittlich

Das Dokument, das heute beschlossen werden soll, liegt auch GLOBAL 2000 bereits vor. Die Umweltschutzorganisation sieht darin einen großen Rückschritt und einen Schritt in die Isolierung von internationalen Entwicklungen. Dass Österreich im Vorjahr das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert hat, scheint an der oberösterreichischen Landesregierung völlig vorbeizugehen. Die darin enthaltenen Ziele finden nicht einmal eine Erwähnung in der Energiestrategie der OÖ-Landesregierung. Mehr als bedenklich ist auch, dass keine Konsultation der Öffentlichkeit zu diesem wichtigen Thema stattgefunden hat: "Was die Landesregierung in Oberösterreich unter Federführung von Landesrat Michael Strugl als Weiterentwicklung verkauft, ist in Wahrheit ein Salto Rückwärts in der Energiepolitik und ein Schritt zur Abkoppelung Oberösterreichs von internationalen Entwicklungen. Damit nimmt man vor allem den BürgerInnen von Oberösterreich Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsplätze", kritisiert Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.

Abschaffung wichtiger Ziele - Einfluss von Wirtschaft und Industrie statt Beteiligung der Öffentlichkeit

Ein zentraler Punkt in der neuen Energiestrategie ist die Abschaffung von wichtigen Zielsetzungen der bestehenden Energiestrategie, die bis 2030 angelegt ist. So werden die Ziele "100 Prozent Ökostrom bis 2030" ("ausreichende Eigenerzeugung aus erneuerbarer Energie zur vollständigen Abdeckung des OÖ Energiebedarfs") und "100 Prozent erneuerbare Wärme" ("ausreichende Eigenerzeugung aus erneuerbarer Energie zur vollständigen Abdeckung des Raumwärmebedarfs") gestrichen. An dessen Stelle setzt man sich sogenannte "relative" Ziele, wie die Reduzierung der Emissionsintensität des Bruttorealprodukts um 25 bis 30 % bis zum Jahr 2030. "Oberösterreich als ein entwickeltes Industrieland begibt sich damit auf ein Anfängerniveau bei der Energiewende. Im internationalen Vergleich sind es vor allem Entwicklungsländer, die sich solche Ziele als Einsteiger-Programm in den Klimaschutz setzen. So kann man Wirtschaft und Gesellschaft keine klare Richtung weisen und gibt stattdessen ein unentschlossenes und rückschrittliches Bild ab", stellt Johannes Wahlmüller klar.

Starker Einfluss von Wirtschaft und Industrie - Keine Beteiligung der Öffentlichkeit

Im Papier sind starke Einflüsse von Wirtschaft und Industrie klar ersichtlich. Streckenweise liest sich die neue Energiestrategie wie eine Wunschliste von Wirtschafts- und IndustrievertreterInnen. So wird zum Beispiel explizit festgehalten, dass in Zukunft eine "stärkere Einbeziehung von Wirtschaft und Industrie in die Gestaltung der Energiepolitik" vorgenommen werden soll. Andere Akteure wie Umweltgruppen oder ArbeitnehmervertreterInnen werden nicht genannt. In dieses Bild passt, dass eine öffentliche Konsultation, bei der interessierte BürgerInnen und die Öffentlichkeit ihre Ideen einbringen können, erst gar nicht vorgenommen wurde. "Anstatt mit den BürgerInnen aktiv die Energiewende zu gestalten, sollen in Zukunft die Wünsche von Industrie und Wirtschaft hinter verschlossenen Türen noch stärker Gehör finden. Diese Retro-Politik, die hier in Oberösterreich Einzug halten soll, ist im 21. Jahrhundert einfach inakzeptabel," so Johannes Wahlmüller.

Zum Inhalt:

• Statt wie bisher klare überprüfbare Umbauziele bis 2030 in Zukunft relative Zielsetzungen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung

• Strom: statt dem bisherigen Ziel 100 Prozent Erneuerbare bis 2030 in Zukunft bis 2050 zwischen 80 und 97 Prozent - das könnte sogar einen Rückfall zum Status Quo bedeuten

• Raumwärme: statt 100 Prozent bis 2030 kein absolutes Reduktionsziel in Zukunft

Und der Windmasterplan bedeutet in seiner nun beantragten Form, dass bei der Großwindkraft praktisch keine neuen Projekte mehr möglich sind, also ein Nullwind-Masterplan.

Anschober: ‘Dies wäre das Ende der engagierten oö Energiewende, eine totale Absage an den Pariser Weltklimavertrag, der in der Strategie nicht einmal erwähnt wird, und ein Im-Stichlassen der ambitionierten Ökoenergiewirtschaft und damit eine Gefährdung Tausender Arbeitsplätze. Und das in einer Situation, in der die Bundesregierung bis Sommer eine eigene Klima- und Energiestrategie erarbeiten will, mit der die EU-Vorgaben aus dem Weltklimavertrag einer CO2-Emissionsreduktion um zumindest 36 Prozent bis 2030 erreicht werden sollen. Die vorliegenden Anträge sind daher eine Kampfansage an die Umwelt- und Klimaschutzbewegung und an die Zukunftschancen vieler Ökoenergieunternehmen."

‘Die geplante neue Energiestrategie bezeichnet sich selbst "klima- und standortorientierte Klima- und Energiepolitik," so Anschober, und dabei hat es mit dem Klimaschutzressort keine einzige Verhandlungsrunde über den Inhalt gegeben. Das ist nicht nur schlechter Stil, sondern führt auch dazu, dass mit dieser Rücknahme Österreichs Klimaziele nicht erreicht werden können. Es wäre hochgradig absurd und verantwortungslos, falls Oberösterreich kurz vor der Fertigstellung der Klima- und Energiestrategie des Bundes zur Erreichung der EU-Klimaziele selbst eine eigene Klimastrategie beschließt, die diese Ziele nicht erreichen kann und damit im Widerspruch zur Bundesstrategie steht. Das gehört selbstverständlich auf die Erfordernisse der Bundesstrategie und die EU-Ziele aus dem Pariser Weltklimavertrag abgestimmt!"

Anschober beantragt daher heute die Rückstellung der beiden Anträge zur Verhandlung auch mit dem Klimaschutzressort und die Überprüfung, ob damit die gerade in Erarbeitung befindlichen neue Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung und damit die Klimaschutzziele der EU aus dem Weltklimavertrag von Paris erreicht werden können.
Eine kurze Rückfrage bei einigen innovativen Firmen aus Oberösterreich, die im Bereich erneuerbare Energien zeigte auf den ersten Blick, dass diese unbedingt einen Heimmarkt brauchen, um an weiteren Entwicklungen rascher arbeiten zu können. Fällt dieser weg, und das wäre mit den geplanten Anträgen der Fall, so wären hier Arbeitsplätze gefährdet, einer der Unternehmer erklärte sogar, dass er in so einem Fall sogar relativ rasch abwandern würde, da er auch Niederlassungen an anderen Standorten besitzt.

Die Landesregierung sollte sich besser informieren: Technologien zur Nutzung Erneuerbarer Energie haben sich gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als äußerst verlässlicher Faktor erwiesen. Erneuerbarer Energie aus Österreich sind ein Exportschlager, damit kommt Geld ins Land: Zwei von drei in Deutschland installierten Biomassekesseln stammen aus Österreich, der Exportanteil thermischer Kollektoren liegt bei 82 Prozent, die Exportquote der Windkraft-Zulieferindustrie beträgt 70 Prozent.

Österreich ist derzeit zu fast zwei Dritteln von fossilen Energieimporten abhängig – dies führt zu politischer Abhängigkeit und ist ein weiteres Risiko für den Standort. Durch eine Verringerung des Energieverbrauchs und den Ausbau der Erneuerbaren kann dies immens positiv beeinflusst werden. Allein im Jahr 2014 betrugen die Netto-Import fossiler Energieträger nach Österreich 10 Milliarden Euro!

Eine Entscheidung in die falsche Richtung könnte Wählerstimmen kosten: Die Zustimmung für den Ausbau erneuerbarer Energie ist in Österreich bereits seit mehreren Jahren anhaltend hoch und lag bei mehreren Umfragen immer um ca. 80%.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /