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Präzise Technik? Kritik an Genome Editing

Das Gen-ethische Netzwerk (GeN) fordert, dass auch in Zukunft jegliche Anwendung von Genome Editing-Verfahren an reproduktiven menschlichen Zellen verboten bleiben muss.

Berlin - Das ist nur eine von insgesamt acht Forderungen, die das GeN in einer gestern veröffentlichten Stellungnahme formuliert. Darin setzt sich das GeN sowohl mit dem wissenschaftlichen wie auch dem gesellschaftlichen Umgang mit den neuesten Spielarten der Gentechnik auseinander - sowohl was deren Nutzung in der Medizin wie auch in der Landwirtschaft anbelangt.

Die Stellungnahme des GeN

‘Neue Technologien müssen eine umfassende Prüfung durchlaufen, nicht nur bezüglich ihrer technischen Aspekte, sondern auch wenn es um ihre gesellschaftlichen Implikationen geht’, erklärt GeN-Vorstandssprecherin Dr. Susanne Schultz. Das GeN begleitet die Entwicklungen in Gen-, Bio- und Reproduktionstechnologien in Landwirtschaft und Medizin seit mehr als 30 Jahren kritisch - inklusive deren Hypes, Versprechen und nicht zuletzt auch deren möglichen Konsequenzen.

In der europäischen Landwirtschaft drehen sich die aktuellen Diskussionen um die Regulierung der neuen Gentechnik-Verfahren: Der Europäische Gerichtshof muss derzeit in einem laufenden Verfahren klären, inwieweit der Einsatz von Genome Editing-Methoden - wie CRISPR-Cas-Systeme, Oligonukleotide und Zinkfinger-Nukleasen - zur Veränderung von Erbgut zu gentechnisch veränderten Produkten führt, die konsequenterweise unter dem Gentechnikrecht der EU zu regulieren sind. ‘Es liegen zwei Rechtsgutachten auf dem Tisch, die unsere Position unterstützen: Pflanzen, die mit CRISPR-Cas oder Oligonukleotid-gerichteter Mutagenese verändert wurden und die daraus hergestellten Produkte müssen entsprechend der Freisetzungsrichtlinie reguliert werden. Es läuft eine Kampagne, die neuen Gentechnik-Verfahren per Definition aus der Regulierung herauszubekommen’, so Christof Potthof, im GeN mit Anwendungen von Gentechnik in der Landwirtschaft befasst.(1)

Unterdessen wird im Bereich der Medizin über die Zulässigkeit und potenzielle Folgen von Keimzellmanipulation zumindest intensiv diskutiert. Über somatische Therapien dagegen wird verhandelt, ohne potentielle Gefahren ausreichend darzustellen. ‘Wir fordern, dass somatische Anwendungen von Genome Editing nicht verfrüht am Menschen getestet werden’, so die Molekularbiologin und GeN-Mitarbeiterin Dr. Isabelle Bartram. Momentan finden bereits klinische Studien mit CRISPR-Cas9 und anderen Verfahren statt. ‘Die Entwicklung dieser Therapieansätze erfolgt innerhalb eines Forschungssystems, dass schlechte Nachrichten nicht zulässt’, erklärt Bartram. Zudem seien ForscherInnen zum großen Teil selbst Shareholder und PatentinhaberInnen, Diese Verhältnisse führten dazu, dass zu viel auf die vermeintlich unfehlbare Präzision der Methoden fokussiert und die dringend notwendige Diskussion um unerwünschte Off Target- und On Target-Effekte zu kurz komme. Neue Therapieansätze müssten aber in kleinen Schritten getestet werden, das Wohl von PatientInnen müsse im Mittelpunkt bleiben. ‘Die Entwicklung neuer Therapien darf nicht in einem ‚biomedizinisches Duell‘(2) als Wettlauf um Ruhm und Investoren vorangetrieben werden’, so Bartram.


Quelle: Christof Potthof & Dr. Isabelle Bartram, gen-ethisches-netzwerk.de

Fußnoten:
(1) L. Krämer (2015): ‘Legal questions concerning new methods for changing the genetic conditions in plants’
T. M. Spranger (2015): ‘Legal Analysis of the applicability of Directive 2001/18/EC on genome editing technologies’.

(2) Carl June, ‘CRISPR gene-editing tested in a person for the first time’. Nature, 15.11.16


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /