© oekonews.at
© oekonews.at

Chaos bei Novelle Umweltverträglichkeitsprüfung und Gewerbeordnungsreform

VIRUS warnt: Bodenlos undurchdachte Gesetzesmaterien sind Bärendienst für Wirtschaft und Umwelt

Wien - Als "Fremdkörper im Verwaltungsreformpaket, der so rasch wie möglich entfernt gehört" kritisiert die Umweltorganisation VIRUS den Entwurf für Novelle der Umweltverträgichkeitsprüfung, die trotz vielfältigster heftiger Kritik von allen Seiten offenbar kommenden Dienstag in den Ministerrat geschickt werden soll. UVP-Experte Wolfgang Rehm: "Dieser nahezu durchwegs kontraproduktive Entwurf hat mit Verwaltungsvereinfachung nichts zu tun. Umweltminister und Bundesregierung sollen sich nicht durch Durchwinken derart praxisfremder Novellierungsvorschläge zum Handlanger der Wirtschaftskammer degradieren, und es braucht auch nicht drei UVP-Gesetzesnovellen in knapp über einem Jahr".

Wie VIRUS betont, müsse die schon 2014 neu gefasste UVP-Richtlinie der EU bis Mai 2017 umgesetzt sein. Anstatt zügig die erforderliche große UVP-Reform umzusetzen und obwohl die Dreijahresfrist schon fast verstrichen ist, solle nach Februar 2016 nun zum zweiten Mal ohne Richtlinienumsetzung eine Novelle der Umweltverträgichkeitsprüfung erfolgen, die vorwiegend von Partikulärinteressen getrieben wird. "Die Wirtschafskammer will Parteienrechte ausschalten und das Umweltschutzniveau senken. Die vordergründige Verwaltungsvereinfachung entpuppt sich beim näheren Hinsehen als Schuss der nach hinten losgeht. Der Entwurf steht für mehr Bürokratie statt Vereinfachung. Verkürzungen, die zu längeren Verfahren und mehr Rechtsmitteln führen und schlecht gemachte Bestimmungen die mehrfach rechtswidrig sind und vom Verfassungsgerichtshof bzw. Europäischen Gerichtshof aufzuheben sein werden, Rechtsunsicherheit und vermehrtes Chaos - also das Gegenteil dessen, was vorgegeben wird - wären die Folge" kritisiert Rehm.
Die Taktik sei klar erkennbar, "Erst unter Mithilfe eines offenbar völlig wehrlosen Umweltministerkabinetts eine unübersehbare Vielzahl von Forderungen im Entwurf implementieren, dann bei der Begutachtung noch nachlegen und hoffen dass dann schon einige Forderungen als Beute überbleiben werden," so Rehm. Sah es zunächst so aus als würde wie davor beim Forstgesetz die naheliegende Herausnahme aus dem Verwaltungsreformpaket beinhaltend noch 24 weiteren Gesetzen erfolgen, so soll nun doch dem Ministerrat einüberarbeiteter Entwurf vorgelegt werden. Wenn es bei der uns vorliegenden Fassung bleibt, dann wäre die völlige Ausschaltung der Gemeinden nicht mehr Thema, und diese könnten wie die Umweltanwaltschaften weiter die meist zahlreichen Projektmängel gleich nach Einreichung identifizieren, die Prüfkompetenz des Umweltbundesamts bliebe aber weiter eliminiert. Geblieben sei, dass Umweltorganisationen zukünftig als Anerkennungsvoraussetzung in unsachlicher Weise verpflichtet werden sollen. Spenden offenzulegen. Bislang habe noch niemand erläutert was das überhaupt für einen Zusammenhang mit der UVP haben soll. "Damit die Ministerialbeamten auch ja genug Arbeit haben, wurde als weitere Verschärfung eine neue Verpflichtung, die Anerkennungsvoraussetzungen aller derzeit 51 Umweltorganisationen alle fünf Jahre zu überprüfen beibehalten und sogar noch bürokratiemaximierend auf drei Jahre verkürzt, so haben wir uns Verwaltungsvereinfachung immer vorgestellt;" kommentiert Rehm ironisch. Vom rechtswidrigen Versuch, beschwerdeführenden Parteien Sachverständigenkosten zu überwälzen sei man zwar offenbar abgekommen, aber die Regelungen nach Wegfall der so genannten "Präklusion" seien immer noch nicht. europarechtskonform ausgestaltet. Sauer stößt Rehm auf, dass anstelle der Verpflichtung, für die Erfüllung der in der UVP unverzichtbaren behördlichen Verbesserungsaufträge angemessene Zeiten festzulegen, nun eine die Behörde bindende Frist von lediglich vier Wochen vorgesehen werden sollen. Wegen grob mangelhafter und unvollständiger Projekte benötigten laut der Umweltschutzorganisation manche Vorhaben bis zu drei Jahre um überhaupt die erste UVP Phase noch vor der Öffentlichkeitsbeteiligung zu überstehen. "Anstelle von völlig praxisfremden Regelungen braucht es Maximalfristen für die Projektwerber, innerhalb derer sie ihr Projekt beurteilungsfähig machen müssen und bei Nichterfüllung die Zurückweisung mit anschließende Sperrfristen bis zu einer Wiederereinreichung, damit nicht zum Nachteil guter Projekte knappe Sachverständigen- und Behördenkapazitäten jahrelang mit Projektmüll lahmgelegt werden," fordert Rehm.

Auch die Gewerbeordnungsnovelle, deren Begutachtungsfrist am Dienstag geendet hat, sei nach gleichem Muster gestrickt. "Einerseits Verfahrenskonzentration durch Hinzunahme von Naturschutz, Wasserrecht, Forstrecht und Baurecht, perfiderweise allerdings ohne die Beibehaltung der jeweiligen Parteistellungen zu garantieren und andererseits sollen im Schnitt ohnehin bei weitem nicht ausgeschöpfte Entscheidungsfristen weiter verkürzt werden, weil das ja immer so gut klingt," so Rehm. Verfahren gleichzeitig komplexer machen und verkürzen zu wollen, sei wie die Quadratur des Kreises und könne absehbar nicht funktionieren.

"Wer Wind sät wird bekanntlich Sturm ernten", warnt Rehm. Werde derartiger Unfug beschlossen, dann werde es bei UVP wie gewerberechtlichen Betriebsanlagenverfahren vermehrt zu Zurückweisungen im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren und zu Anfechtung der neuen Gesetzsbestimmungen bei Höchstgerichten kommen, es drohe jahrelange Rechtsunsicherheit. "Damit wird nicht nur das Umweltschutzniveau gefährdet, sondern gereicht das unverantwortliche Handeln praxisfremder Schreibtischtäter auch jenen Wirtschaftsbetrieben zum Nachteil, deren Interessen man hier zu vertreten lediglich vorgibt. Die Bundesregierung möge nicht auf die Jungbauern in der Wirtschaftskammer hören, deren verderbliche Saat darf nicht aufgehen", so Rehm abschließend.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /