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Wir sind nicht mit Atomenergie einverstanden, bestechen lassen wir uns aber

Atommüllendlager... mit einer zweideutigen Botschaft?

Die Fragen im Referendum um die Errichtung eines Atommüllendlagers in der Gemeinde Slavětice bei Dukovany wurden sehr salomonisch gestellt. Das Ergebnis deutete an, dass die lokale Bevölkerung zwar gegen ein Atommülllager ist, sich aber vorstellen kann, mit einer Kompensation einverstanden zu sein.

‘Mit der Atomenergie sind wir nicht einverstanden, bestechen lassen wir uns aber.’ Das ist die Botschaft, die sich aus dem Ergebnis des sonntäglichen Referendums bezüglich des Baus neuer Blöcke des AKWs Dukovany und der Errichtung eines Atommüllendlagers in der Gemeinde Slavětice ergibt.

Das lokale Referendum fand am Sonntag, den 10. April 2016 in Slavětice statt, welches etwa zweieinhalb Kilometer nordwestlich des AKWs Dukovany liegt.

Die erste Frage lautete: ‘Sind Sie – ohne zustzliche Anmerkungen – mit dem Bau eines Atommüllendlagers und neuer Blöcke des AKWs Dukovany am Katastergebiet der Gemeinde Slavětice oder in unmittelbarer Nähe der Gemeinde (am Katastergebiet von nicht mehr existierenden Ortschaften) einverstanden?’ Auf diese Frage antwortete die Bevölkerung von Slavětice eindeutig: ‘90, 7 Prozent (136 EinwohnerInnen) stellten sich gegen den Bau von neuen Kraftwerksblöcken und einem Atommülllager, 7,3 Prozent (11 EinwohnerInnen) unterstützten den Bau und 2 Prozent (3 EinwohnerInnen) enthielten sich der Abstimmung. Wenn wir es bei dieser Frage bewenden lassen würden, dann wäre der Sieg des gesunden Menschenverstandes somit eine eindeutige Angelegenheit.

Die Atomkraft wird immer teurer. Das belegen unter anderem die ständig steigenden Kosten (ca. auf das Dreifache) der ursprünglich veröffentlichten geplanten Kosten beim finnischen AKW Olkiluoto (im französischen Flamanville stellt sich das ähnlich dar). Damit verbunden verschiebt sich das wahrscheinliche Datum des Anschlusses an das Stromnetz immer weiter nach hinten. Aber auch die Entscheidung der EU-Kommission, für das britische AKW Hinkley Point C, eine Ausnahme bei den staatlichen Subventionen zu ermöglichen, bestätigt die finanziellen Komplikationen, mit denen sich die Atomindustrie zunehmend auseinandersetzen muss. Wenn es bei AKWs um eine billige Form der Produktion von Energie gehen würde, warum sollte dann aber eine finanzielle Unterstützung erlaubt werden, welche eigentlich im Widerspruch zum geltenden EU-Recht steht? Eine Verdreifachung der Kosten in Finnland, das in Bezug auf Korruption als vorbildlich wahrgenommen wird, könnte unter den realen Bedingungen in Tschechien noch eine bedeutend höhere Kostenexplosion bedeuten.

Eine Studie, welche Ende 2014 vom deutschen ‘Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft’ veröffentlicht wurde, führt an, dass sich die Produktionskosten von Strom aus PV-Kraftwerken im Wesentlichen mit jenen von Strom aus neu errichteten AKWs vergleichen lassen. Wobei relevant ist, dass sich die bisherigen Preisentwicklungstrends noch fortsetzen werden. Die erneuerbaren Energiequellen sind fähig, zunehmend noch billiger zu produzieren, wohingegen die Atomkraft ständig noch teurer wird.

Der Preis ist allerdings nicht die einzig strittige Frage. Ein brennendes Problem stellt nach 60 Jahren des Betriebs von Atomkraftwerken und weiterer atomarer Anlagen die Nichtexistenz weltweit auch nur eines einzigen Atommüllendlagers dar. Man hatte in den USA in Yucca Mountain begonnen, eines zu errichten, aber Präsident Obama ließ die Bauarbeiten aufgrund des Risikos von Erdbeben in der Region einstellen. Ein anderes soll in Finnland entstehen.

Radioaktiver Abfall wird bis auf Weiteres in unterschiedlichen Lokalitäten gelagert, zum Beispiel in Asse in Deutschland. Dort gibt es aber seit vielen Jahren Kritik an den Bedingungen der Lagerung. In den letzten Jahren wurden sogar Kontaminationen durch hohe Strahlenwerte mit einer Gefährdung für die Umwelt registriert.

Laut einer renommierten Studie von deutschen Statistikexperten wurde festgestellt, dass in unmittelbarer Umgebung von Atomkraftwerken und Atommülllagern nachweisbar weniger Mädchen geboren werden, als anderswo. Der Unterschied ist zwar nicht groß, wurde aber in der Umgebung von AKWs in unterschiedlichen europäischen und Übersee-Ländern registriert.

Es ist also offenkundig so, dass die Sensibilität des weiblichen Embryos in Bezug auf die Radioaktivität höher ist, als bei Jungen. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Mädchen, aber auch Jungen, die unter Bedingungen in der Nähe von AKWs geboren werden, genetische Schäden davontragen. Wobei sich derartige strahlungsbedingte Beeinträchtigungen häufig erst in der genetischen Disposition der Folgegenerationen äußern.

Nicht zuletzt droht zunehmend das Risiko eines terroristischen Anschlags, egal ob unter Nutzung ausgeklügelter und wirkungsvoller Waffen oder im Falle von Kriegen. Bei der ernsthaften Beschädigung eines AKW-Reaktors könnte das in Europa in weiten Gebieten grundsätzlich das weitere menschliche Leben bedrohen.

Alle diese Aspekte wurden aber durch das Ergebnis der Antwort auf die zweite Frage des örtlichen Referendums in Slavětice negiert. Diese lautete nämlich: ‘Sind Sie mit dem Bau neuer Blöcke des AKWs Dukovany am Katastergebiet der Gemeinde Slavětice oder in umittelbarer Nähe der Gemeinde (am Katastergebiet von nicht mehr existierenden Ortschaften) dann einverstanden, wenn die Regierung der Tschechischen Republik die Beeinträchtigung der Lebensbedingungen der Bevölkerung von Slavětice ausreichend kompensieren würde?’

Auf diese Frage antworteten die BewohnerInnen von Slavětice anders: 59,3 Prozent (89 EinwohnerInnen) antworteten hier mit ‘Ja’, während 40 Prozent (60 EinwohnerInnen) dem Bau neuer Atomreaktoren auch unter den Bedingungen einer Kompensation (‘Bestechung’) nicht zustimmten, wobei sich 0,6 Prozent der StimmbürgerInnen (ein Bürger) einer gültigen Stimme enthielt.

Die Fragen waren ziemlich hinterlistig formuliert und die wahrscheinlichen Antworten im Prinzip schon vorgegeben. Nach einer ersten Frage, welche den Unmut und die Befürchtungen in Bezug auf das atomare Risiko reflektierte, folgte eine zweite Frage, welche eine Lösung in Form einer unklar spezifizierten finanziellen Unterstützung anbot.

Die Zustimmung zum Bau eines neuen AKWs samt Atommülllager war aber nicht so ausgeprägt, wie die ProtagonistInnen der Atomkraft erwartet hatten, als sie vor der Abstimmung behaupteten, dass ‘alle hier vor Ort’ für das Atom seien. Die Beteiligung am Referendum war für tschechische Verhältnisse ungewöhnlich hoch: von 194 Wahlberechtigten nahmen 152 an der Abstimmung auch teil, also 78, 3 Prozent.

Die betroffene Umgebung des Atomkraftwerks ist aber viel größer, als nur die Nachbarschaft der Gemeinde Slavětice. Bei Entweichung von Radioaktivität wären nicht nur die unmittelbaren Nachbarn betroffen, sondern ein viel größerer Umkreis – das würde von der Menge der entwichenen Radioaktivität und von den aktuellen klimatischen Bedingungen abhängen. Die Bevölkerung in den umliegenden Gemeinden äußerte sich zum Bau neuer AKW-Blöcke leider nicht, offenbar unterlag sie einem trügerischen Gefühl von Sicherheit.

Es ist äußerst positiv, dass so ein Referendum stattgefunden hat. Es ist gut, wenn die Bürger beginnen, sich dafür zu interessieren, was sich in ihrem Umfeld abspielt. Möglicherweise ist das sogar der Anfang eines ‘östlichen’ Erwachens und Begreifens der einfachen Wahrheit, dass ‘die Atomkraft nur einen einzigen angemessen Ort für sich in Anspruch nehmen könne – als Exponat in einem technischen Museum nämlich’, um den Nestor der erneuerbaren Energien, den ehemaligen deutschen Politiker Hermann Scheer zu zitieren.


Autor: Milan Smrž, Vorsitzender von Eurosolar Tschechien, im tschechischen Original am 14.4.2016 veröffentlicht im Medium: www.denikreferendum.cz

Übersetzung aus dem Tschechischen: Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /