© Gerd Altmann / geralt- pixabay.com
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Uran aus Russland - mit lieben Grüßen

Nach all dem Theater über Hinkley Point C und andere geplante Kernkraftwerke in der EU und den Vereinigten Staaten stellt sich folgende Frage: hat jemand eine Ahnung, woher der Kraftstoff kommt, der diese Reaktoren antreibt?

Man höre und staune: kein Land exportiert so viel Uran in die EU wie – Russland. Putin hat mehr als nur den Gashahn in der Hand, falls er mit Europa spielen möchte. Und das Ausmaß, in dem die Vereinigten Staaten im Lauf der Zeit von instabilen, ausländischen Uranquellen abhängig wurden, ist gleichfalls beispiellos.

Dazu erst einmal ein paar Zahlen: Die Vereinigten Staaten sind derzeit, was das Uran betrifft, zu 94% ihres Gesamtbedarfs von Importen abhängig. In der EU sind es sogar 97 %. Über ein Viertel allen in der EU eingesetzten Urans kommt aus Russland. 2005 machte dieser Wert noch 10% aus – damals kamen die EU-Importe des Urans noch zu 46 % von befreundeten Ländern wie Australien oder Kanada. Die kombinierten Exportanteile beider dieser Länder in die EU sind mittlerweile auf unter 30% zurückgegangen. Diese Tendenzen haben auch geopolitische Auswirkungen.

Ein Aspekt ist die Sicherheit. Schon seit über zwei Jahren sind nun zwischen Russland und der EU gegenseitige Sanktionen in Kraft. Wenn sich Umfragen aus Amerika bewahrheiten und Donald Trump die Wahl zum US Präsidenten gewinnen sollte, würde sich die Lage für die EU weiter verschlechtern. Trump deutete schon an, dass sich in Lettland oder Estland würde Übles abspielen können, also in EU-Ländern mit einer russischen Minderheit von über einem Viertel ihrer Gesamtbevölkerung. Wie fest würde denn die EU die Hand, die sie mit dem so dringend benötigten Gas und Uran ‘füttert’, beißen können? Die voraussichtliche Antwort von Putin: ‘Der Biss sollte nicht allzu fest sein’.

Ein weiteres Thema ist das Problem der künftigen Versorgung. Jedes heute geplante Kernkraftwerk wird in 40 Jahren noch Uran brauchen. Aber sowohl Russland als auch Kasachstan, die zwei größten Uranlieferanten für die EU, haben eigene Pläne, in ihrem Land Kernkraftwerke zu bauen. Kasachstan ist von null auf hundert Prozent gesprungen: innerhalb von 20 Jahren steigerte es seine Uranproduktion auf bis zu 40% der gesamten weltweiten Uranversorgung. Aber vom eigenen künftigen Bedarf (und dem des befreundeten Russland) einmal abgesehen: Analytiker befürchten, dass Missmanagement sehr wahrscheinlich zu massiven Exporteinbrüchen führen wird.

Die große Auslagerung in ‘weniger verseuchte’ Länder

Aber das wichtigere Thema hier sollte die Tatsache sein, dass der Abbau von Uran ein schmutziges Geschäft ist: wir haben den Dreck nicht beseitigt, sondern ausgelagert. Frankreich hatte einmal über 200 Uranminen. Aber Dank eines besseren Umwelt- und Arbeiterschutzes schloss die letzte von ihnen bereits im Jahr 2001. An ihrer statt wurden aber neue in Niger, Namibien und Malawi eröffnet. Kurzum: an Orten, wo man die realen Kosten des Uranabbaus auf die Umwelt und Menschen abwälzen kann. Und die Geschäftsführer der größeren Unternehmen sprechen auch offen darüber. Der ehemalige Geschäftsführer von Paladin, John Borshoff, ein australischer Uranproduzent, der in Namibien Minen eröffnet hat, ist der Meinung, dass die kanadischen und australischen Umweltnormen ‘zu anspruchsvoll’ seien. Was er damit meint: in den afrikanischen Ländern muss man wenig oder gar nichts für den Schutz von Arbeitern oder Menschen, die in der Umgebung einer Mine wohnen, zahlen, wenn sie an Krebs sterben, weil sie dem Uran ausgesetzt waren.

Eigentlich implementiert er dabei nur das ‘Lawrence Summer Prinzip’. Dieses Prinzip stammt aus einem Text, der 1991 von Summers geschrieben oder diktiert wurde, der damals der Chefökonom der Weltbank war. In jenem Memorandum befürwortet Summers die Entsorgung von giftigem Müll in Dritte-Welt-Länder, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen:

‘Unter uns gesagt, sollte die Weltbank nicht die Auslagerung schmutziger Industrien in die LDC’s (in die am wenigsten entwickelten Länder) unterstützen?… Ein gewisses Maß an Umweltverschmutzung, das die Gesundheit beeinträchtigt, sollte in einem kostenschwachen Land erfolgen, das heißt, in einem Land, in dem die niedrigsten Löhne gezahlt werden. Ich glaube, dass es wirtschaftlich gesehen logisch ist, Giftmüll in einem Land zu entsorgen, das die niedrigsten Löhne zahlt. Diese Logik steht über jedem Zweifel, und wir sollten uns damit abfinden’.

Was den Abbau von Uran anbelangt, so hat man sich bereits darauf eingestellt – aber wie lange noch? Als das letzte Mal die Rebellen in Mali sich den Areva-Minen in Niger weiter näherten, als gemütlich zu sein schien, schickte Frankreich plötzlich seine Armee. Der Vorwand war der, dass das aus humanitären Gründen geschah. Und sollten die Rebellen keinen Erfolg damit haben, diese entlegenen Minen zu besetzen, so wird möglicherweise die globale Umweltschutz- und Fair-Trade-Bewegung Erfolg haben, einige dieser Minen schließen zu lassen.

Das Uran-Erbe

Ich selbst gehöre dieser Umweltbewegung an und hatte das ‘Vergnügen’, eine ‘Giftbesichtigungstour’ in einer bulgarischen Uranmine mitzumachenen, einer Mine, die jetzt geschlossen ist. Unmengen giftigen Schlammes waren hinter einem maroden Damm gelagert. Dieser Damm wies Schadstellen auf, nachdem schwere Regenfälle im Jahr 2009 eine Überflutung verursacht hatten. Gelder aus der EU hielten ihn immer noch intakt, und dennoch: wir reden hier von radioaktivem Müll und es wird für die nächsten Jahrtausende immer wieder neue Gelder brauchen, um die nötigen Reparaturen durchzuführen.

Seit im Jahr 1992 die Minen zumachten, werden diese Gelder bis in eine unabsehbare Zukunft von der öffentlichen Hand berappt werden müssen. Und so geht das eben mit Uranminen, die einer schwachen oder auch keiner Gesetzgebung unterstellt sind: kurzzeitig private Gewinne, denen dann dauerhaft öffentliche Verluste folgen. Die Menschen in Bulgarien können noch von Glück reden, in der EU zu sein, wo es wenigstens einige Bestimmungen und auch Geld gibt, um die Umwelt zu schützen. Das Gleiche gilt für andere EU-Länder wie zum Beispiel Frankreich, das dutzende von Zombie-Minen besitzt: zwar tot, aber immer noch aktiv. Auch die Vereinigten Staaten besitzen noch eine Menge solcher ‘Zombie-Minen’. Auf dem Land der Navajo-Nation befinden sich mehr als 500 stillgelegte Uranminen, sowie Häuser und Trinkwasserstellen, die erhöhte radioaktive Werte aufweisen. Trotz der Tatsache, dass diese Minen seit 1986 nicht mehr in Betrieb sind, gibt es immer wieder neue damit zusammenhängende Fälle von Lungen- und Knochenkrebs. Auch Beeinträchtigungen bei den Nierenfunktionen tauchen auf.

Die EU und die Vereinigten Staaten haben zwar genügend Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um ihr eigenes Uran sicher ‘unter der Erde zu behalten’; dergleichen gibt es aber nicht in Niger oder Namibien. Diese beiden Länder spielen eine immer wichtigere Rolle auf dem Uranmarkt, denn auch sie exportieren ihr Uran in die EU. Niger hat bis dato mehr Uran abgebaut als Frankreich in seiner ganzen Geschichte. Hier wird die schmutzige Arbeit von britisch-australischen und französischen Unternehmen verrichtet, wodurch der Umwelt und der Bevölkerung immenser Schaden zugefügt wird.

Drei Berichte des von der EU geförderten EJOLT-Projektes beschäftigen sich mit Umwelt- und sozialen Themen, die in einem Zusammenhang mit dem Uranabbau stehen. Ein Bericht behandelt dessen Auswirkungen, ein anderer konzentriert sich auf eine Mine in Malawi, und der dritte Bericht zeigt Beispiele eines erfolgreichen Widerstandes auf, der sich allgemein gegen den Uranabbau im großen Stil richtet.

Bruno Chareyron, ein französischer Atomingenieur, der die meisten dieser Berichte verfasste, hat während der letzten 20 Jahre ‘Giftbesichtigungstouren’ in diversen Uranminen geleitet. Das ist nicht immer einfach, wenn zum Beispiel die Polizei bei seiner Ankunft in Niger die meisten Messinstrumente konfisziert. Dennoch war Bruno in der Lage, Reste von radioaktivem Metall, das aus den Uranminen stammte und auf den Markt gekommen war, auf ihren Bestrahlungsgrad hin zu untersuchen. Auch radioaktive Steine, mit denen Straßen gepflastert wurden, Häuser gebaut und sogar ein Krankenhaus, wo die Strahlung 100-mal höher als normal war, konnte er nachweisen. Ganze Berge radioaktiven Mülls lagen in der Nähe von zwei Städten mit einer Gesamtbevölkerung von 120.000 Einwohnern frei und ungeschützt herum.

Der fehlende Teil des Puzzles

Wo wird in der ganzen Diskussion über Atomenergie das Uran erwähnt? Meistens nur dann, wenn die Industrie sagt: ‘Uran ist bloß ein kleiner Teil der Gesamtkosten unseres Energiemodelles, ganz anders als in der Brennstoff- und Ölindustrie.’

Ja, es gibt einen Grund auch dafür: die sogenannte Kostenverschiebung. Ökologisch orientierte Wirtschaftsexperten haben Entwicklungen dokumentiert, die mit dem Uranabbau in einem Zusammenhang stehen: Ansammlung durch Kontamination; ökologisch ungleiche Austausche und ökologische Defizite. Immer mehr Menschen aus der ganzen Welt finden zusammen, um gegen diese ökologischen Ungerechtigkeiten Widerstand zu leisten.

Derzeit profitieren wir in der EU und in den Vereinigten Staaten von der Atomkraft dadurch, dass die Menschen in Afrika vergiftet werden. Bleibt die Frage: wollen wir das wirklich?

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Autor: Nick Meyen
Nick Meyen schreibt Blogs und Bücher zu Themen wie Umweltgerechtigkeit, Globalisierung sowie über die Beziehung Mensch-Natur.

Übersetzt und bearbeitet: Ina Conneally, Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu

www.epo.be/uitgeverij/boekinfo_auteur.php?isbn=9789064455803
www.facebook.com/nick.meynen
www.theecologist.org/News/news_analysis/2987988/uranium_from_russia_with_love.html

GastautorIn: Nick Meynen für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /