© HOLLER
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Ein Sonnenplatz am Ende der Welt

Die Österreichische Gemeinde Großschönau ist ein Pionier im Bereich der effizienten Energienutzung und des ökologischen Heizens

© Sonnenwelt Großschönau
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Das Waldviertel ist in Österreich so etwas wie das Ende der Welt. Die Landschaft hier ist zwar malerisch, aber in touristischer Hinsicht kann sie sich in Bezug auf deren Attraktivität mit den Alpen nicht messen. Die ursprünglichen Bauernhöfe sind in einem vorbildlichen Zustand, das Wirtschaften in diesen kleinen Dimensionen rentiert sich hier aber nicht mehr wirklich. So sinkt auch Jahr für die Zahl der aktiven Landwirte. Industrie gibt es fast keine. Zur Arbeit fahren die Menschen sogar bis ins 100 km entfernte Linz. Die ländliche Gegend hier, direkt an Südböhmen angrenzend, entvölkert sich langsam, aber sicher. Laut eine Studie der niederösterreichischen Wirtschaftskammer wird in dieser Region die Zahl der Kinder und Jugendlichen bis zum Jahr 2050 um beinahe 23 Prozent sinken.

In Großschönau, einem Dorf mit 1235 Einwohnern, das etwa 20 km von Gmünds Nachbarstadt Ceske Velenice entfernt liegt, ist das jedoch anders. Innerhalb der letzten 15 Jahre ist die Zahl der örtlichen Bewohner sogar um fünf Prozent gestiegen. 58 % der ökonomisch aktiven Bevölkerung arbeiten direkt in der Gemeinde. Der lokale Kindergarten, die Schule und die Jugendmusikkapelle müssen sich um ihren Nachwuchs keine Sorgen machen. Der Name der Gemeinde wurde zu einem Symbol dafür, wie es möglich ist, ein ruhiges Leben am Lande mit neuesten Trends zu verknüpfen, welche die Gesellschaft bewegen.

Alljährliche Bau- und Energiemesse

Am letzten Samstag im Mai betrete ich vom Ortsplatz unter der Kirche herkommend, nachdem ich am Gemeindeamt, an einem Restaurant und an einigen Einfamilienhäusern vorbeigegangen bin, den sogenannten ‘Sonnenplatz’. Der Menschenstrom und die Autos in beide Richtungen geben mir die Sicherheit, dass ich richtig gehe. Schon zum einundreißigsten Mal findet die sogenannte BIOEM statt, also die ‘Bioenergiemesse’, welche alljährlich um die 20.000 Besucherinnen und Besucher aus ganz Österreich anlockt. Rund 250 Austellerinnen und Aussteller präsentieren ihre Produkte und Dienstleistungen aus dem Gebiet des energiesparenden Bauens, des Energiesparens, der Elektromobilität, der intelligenten Stromnetze, aber Akupunktur und gesunder Lebensstil sind z.B: auch ein Thema. ‘Mit der effizienten Energienutzung beschäftigen wir uns schon seit den 70er Jahren, als wir nach einem Impuls suchten, in welche Richtung sich unsere Gemeinde weiterentwickeln sollte. Der erste Schritt war damals, dass wir uns einen vollautomatischen Heizkessel angeschafft haben, der mit Sägespänen und Hackschnitzeln aus Holz die örtlichen Schulen beheizte, was damals noch überhaupt nicht üblich war. Dann kamen verschiedene Neugierige und fragten, wie das denn funktioniere’, verrät der Bürgermeister von Großschönau, Martin Bruckner. Die Gemeinde sparte bei den Brennstoffen und das örtliche Sägewerk hatte genug Arbeit. Das Interesse der örtlichen Bevölkerung ließ mit der Zeit eine gemeindeeigene Biomasseheizanlage entstehen, an welche mittlerweile zwei Drittel der Haushalte der Gemeinde angeschlossen sind.

Und es ist gerade Martin Bruckner, der nun schon seit Jahrzehnten seine Gemeinde antreibt und zu einer Pioniergemeinde gemacht hat. Um die Erfahrungen der verschiedenen ökologischen Heizsysteme zu vergleichen und zu bewerten,hatte er zusammen mit seinem Bruder eine Idee: Und zwar in der eigenen Gemeinde eine Ausstellung mit energieeffizienten und sparsamen Heizsystemen zu organisieren. So erblickte im Jahre 1985 erstmals die Bioenergiemesse, genannt BIOEM, das Licht der Welt. ‘Es gelang uns, wirklich viele Menschen dafür zu begeistern, ohne deren ehrenamtliche Arbeit wir so eine Veranstaltung nicht hätten realisieren können. Ihr Erfolg wiederum stärkte das Selbstbewusstsein unserer Gemeindebevölkerung und verbesserte das Zusammengehörigkeitsgefühl im Dorf’, sagt der Bürgermeister.

Passivhäuser

Der ‘Sonnenplatz’, das ist nicht nur ein Veranstaltungsplatz für eine Messe, welche zwar jährlich stattfindet, aber nur vier Tage dauert. Ein paar Schritte vom Ausstellungsgelände entfernt sehe ich das erste ‘Passivhausdorf Europas’, das zum Probewohnen geplant wurde. Ursache für dessen Gründung war die Zeit rund um die Jahrtausendwende, als die BIOM mit sinkenden Besucherzahlen und einer zunehmenden Konkurrenz konfrontiert war. Es war nötig, der Gemeinde einen neuen Impuls zu geben, der aus den Erfahrungen und Kontakten, welche im Rahmen der bisherigen Messen gewonnen werden konnten, für die Gemeinde einen Nutzen bringen sollte. Damals begann man, darüber zu reden, dass es in Zukunft möglich sein würde, Häuser zu bauen, die keine Heizenergie mehr benötigen. In Großschönau sagten sich die Leute, dass sie diese Zukunft gleich haben wollen und setzten sich sogar mit Architekten aus Paris in Verbindung, welche sich mit diesem Thema bereits beschäftigt hatten.

Das Ergebnis waren fünf Einfamilienhäuser mit Passivhausstandard, jedes in einer anderen Größe und mit anderen Grundrissen, die im Jahre 2007 fertiggestellt wurden. Selbstverständlich sind sie mit Solartechnik ausgestattet und mit einer Anlage zur Nutzung von Regenwasser. Das Projekt erweckte schon vor seiner Fertigstellung großes Interesse und als die Gemeinde die Häuser Interessenten zum Testwohnen anbot, waren die Vormerklisten teilweise für Monate im voraus mit Buchungen gefüllt. Es kamen Einzelpersonen, Vertreterinnen und Vertreter von Gemeinden, Regionen und Firmen, um auszuprobieren, wie man in so einem Passivhaus wohnt. Die gewonnenen Erkenntnisse dienten der Gemeinde dann dazu, um in unmittelbarer Nachbarschaft zu diesen Einfamilienhäusern das sogenannte ‘Forschungs- und Kompetenzzentrum für Bauen und Energie am Sonnenplatz’ zu errichten. Das Gebäude dieses Zentrums verfügt über die Eigenschaften eines sogenannten Plusenergiehauses, was bedeutet, dass eine Photovoltaikanlage zusammen mit einer mit ihr gekoppelten Wärmepumpe mehr Energie erzeugt, als im Objekt verbraucht wird. Das Kompetenzzentrum organisiert Veranstaltungen für Experten und eine allgemein interessierte Öffentlichkeit und bietet auch Beratungen für individuelle Interessenten an. Die Gemeinde hat in der Zwischenzeit vier der fünf ursprünglichen Passivhäuser an private Interessenten verkauft, das fünfte Gebäude steht weiterhin zum Probewohnen zur Verfügung.

Deutsch, Englisch, aber auch Tschechisch

Wenn ich nun schon einmal in Großschönau bin, kann ich den neuesten Zuwachs und gleichzeitig die Attraktion des Sonnenplatzes, die weltweit einzigartige interaktive Ausstellung ‘Sonnenwelt’, nicht auslassen. Untergebracht ist sie in einem Plusenergiehaus voll modernster Technik. Der Name der Ausstellung weist auf die grundlegende Energiequelle hin, ohne die ein Leben auf der Erde nicht möglich wäre. Dem entspricht auch ihr thematisches Spektrum. Die Ausstellung ist auf einer Gesamtfläche von 2000 m² in zwölf historische Etappen vom Nomadentum bis hin zur Gegenwart gegliedert und zeigt, wie die Menschen sogar unter den schwierigsten Bedingungen geschafft haben, die Strahlen der Sonne zu nutzen. Mithilfe einer Computersimulation kann ich zum Beispiel eine ägyptische Pyramide betreten, an einem hölzernen Rad drehen, mittels dessen die alten Römer Baumaterial anhoben und es an die entsprechenden Stellen ihrer Bauten transportierten; oder ausprobieren, wieviel körperliche Kraft nötig ist, um mittels eines Dynamos zum Beispiel eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen.

Am Ende der Ausstellung wartet dann noch der Höhepunkt des Programms: die Möglichkeit, sich interaktiv sein eigenes Passivhaus zu bauen. Der ideale Ort zum Geschichte-, Geographie- und Biologieunterricht, bzw. für andere Schulfächer, sage ich mir im Geiste. Und Maria Grübl von der Marketingabteilung der Ausstellung versichert mir, dass Schulgruppen tatsächlich einen großen Teil des Besucherpublikums ausmachen, das nicht nur aus Österreich kommt, sondern auch aus der Tschechischen Republik anreist. Alle Beschriftungen und akustischen Instruktionen gibt es übrigens neben deutsch und englisch auch in einwandfreiem Tschechisch. An der Realisierung des gesamten Projektes beteiligte sich nämlich auch die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Budweis (Vysoká škola technická a ekonomická).

Am wesentlichsten jedoch ist, dass die Gemeinde dank ihres bahnbrechenden Vorgehens zu einem Zugpferd in der ganzen Region geworden ist. ‘Wir wollen nicht konkurrieren, wir möchten zusammenarbeiten. Daher haben wir bereits im Jahre 2010 das Konzept einer energieautarken Region initiiert, welche das lokale Potential der erneuerbaren Energiequellen optimal nutzen soll. Unser Ziel ist der Übergang zu einer Wirtschaft ohne Kohlenstoffemissionen, die keine fossilen Energiequellen mehr verbrauchen und den Planeten nicht mehr vernichten wird. Wir wissen mit Sicherheit, dass das nicht nur eine realistische Vision ist, sondern auch wirtschaftlich von Vorteil’, sagt der Bürgermeister von Großschönau, Martin Bruckner. Wenn ich ihm so von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehe, fällt es schwer, dagegen Argumente zu finden….

Im Tschechischen Original als ‘Sluneční náměstí na konci světa’ am 22.7.2016 in der Zeitung LIDOVÉ NOVINY erschienen.

Übersetzung ins Deutsche: Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu

GastautorIn: Jakub Siska für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /