© Hans-Josef Fell
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Brexit gilt auch für Euratom-Vertrag

Euratom aus den 50er Jahren ist neben dem längst ausgelaufenen Kohle- und Stahlvertrag der eigentliche Gründungsvertrag der EU.

Das Ausstiegsreferendum von Großbritannien wird verheerende Folgen für die EU, ihre Nationalstaaten und insbesondere für Großbritannien selbst haben. Die Berichterstattung ist voll von den ersten Kursstürzen an den Börsen und von Forderungen rechter und populistischer Antieuropäer nach einem weiteren Zerfall der EU, dem größten Friedensprojekt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. In Nordirland wird nun die Wiedervereinigung mit Irland gefordert, auch um in der EU bleiben zu können. Schottland fordert die Abspaltung von England. Ein Grund unter vielen ist die Behinderung der schottischen Bemühungen auf dem Weg zu einer 100%igen Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien, die immer wieder von Londons Atom- und Kohlepolitik gebremst wurden.

Der Austritt ist ein Austritt aus allen Verträgen. Das wird spannend. So gibt es ja zwei unabhängige europäische Verträge, den Vertrag von Lissabon und den Euratom-Vertrag. Euratom aus den 50er Jahren ist neben dem längst ausgelaufenen Kohle- und Stahlvertrag der eigentliche Gründungsvertrag der EU. Euratom ist unbefristet und sieht kein Kündigungsrecht vor. Deshalb hat sich ja bisher unter anderem die deutsche Bundesregierung geweigert, trotz des beschlossenen Atomausstiegs aus Euratom auszusteigen, und fördert somit weiterhin mit erheblichen Beiträgen die Atomkraft. Euratom ist das Fundament der Atomwirtschaft. Wegen vieler Assoziierungsverträge wirken diese Fördermechanismen zur Stützung der Atomkraft sogar weit über die EU hinaus.

Nun aber der Brexit, der heißt, Großbritannien muss auch aus Euratom aussteigen. Ein Nebenaspekt, der bisher kaum in der Diskussion um den Brexit auftauchte. Dies bedeutet aber im Klartext, Großbritannien kann auch für das geplante neue Atomkraftwerk Hinkley Point C nicht mehr auf die Förderung von
Euratom zurückgreifen. Damit dürfte das neue AKW-Projekt in England endgültig gestorben sein und auch die bestehenden britischen AKW werden ökonomisch erheblich unter Druck kommen.

Mehr noch: Der einseitige Ausstieg von Großbritannien widerlegt die vielfach auch von der Bundesregierung vorgetragene Argumentation, Deutschland habe keine Möglichkeit, einseitig aus Euratom auszusteigen. (ANMERKUNG der oekonews Redaktion: Ähnlich argumentiert auch Österreich!!) In der grünen Bundestagsfraktion wurde das mit einem von mir Rechtsgutachten längst widerlegt:


Nun gibt es keinen Grund mehr für Deutschland und andere Euratom-Staaten, die einseitige Kündigung zu verweigern. Zwingend erforderlich ist jetzt eine Euratom-Vertragsstaatenkonferenz, die seit Jahrzehnten nicht mehr stattgefunden hat. Nun ist sie sowieso notwendig, weil ja Großbritannien dem Brexit entsprechend auch Euratom wird kündigen müssen. Die Konsequenzen daraus müssten die verbliebenen Vertragsstaaten ja mindestens diskutieren.

Hierbei muss nun die Bundesregierung gedrängt werden, ebenfalls die Fördertatbestände von Euratom zu kündigen und die anderen notwendigen Aufgaben von Euratom, wie Safeguard, Sicherheitsauflagen, Atommüllentsorgung und Schutz der Bevölkerung vor Radioaktivität, in eine verbesserte EU-Richtlinie zu überführen.

Der Brexit gibt somit die einmalige Chance, die Förderung der Atomenergie durch Euratom in ganz Europa zu beenden. Ein beachtlicher wichtiger Nebenaspekt, der aber den übrigen riesigen Schaden durch den Brexit nicht heilen kann. Dennoch sollte diese den Atomausstieg Europas befördernde Beendigung von Euratom jetzt auf die Agenda. Die EU braucht für den Zusammenhalt nicht den längst nicht mehr zeitgemäßen Euratom-Vertrag. Der Vertrag von Lissabon ist dafür völlig ausreichend.



Autor: Hans-Josef Fell


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /