© Parlamentsdirektion-Christian Hikade
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Enquete im Parlament: Was kommt nach Paris?

Breite Diskussion zur Umsetzung des Weltklimavertrags von Paris im Hohen Haus

Bei der UN-Klimakonferenz in Paris im vergangenen Dezember haben sich erstmals alle beteiligten Industrie- und Schwellenländer vertraglich zum globalen Kampf gegen Klimawandel bekannt. Das weltweite Klimaschutzabkommen birgt die ambitionierten Ziele in sich, die Treibhausgase bis 2050 netto auf null zu senken und die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu bringen. Alle Staaten sind nun zur Steigerung ihrer Klimaschutzanstrengungen und zu regelmäßigen Berichten verpflichtet. Darüber hinaus stehen durch den Vertrag in jedem Land Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sowie grüne Investitionsentscheidungen an. Was aber bedeutet Paris für Österreich? Was kommt nach dem Beschluss des Weltklimavertrags? Und wie soll er hierzulande umgesetzt werden? In einer parlamentarischen Enquete haben sich diesen Fragen neben Umweltminister Andrä Rupprechter und Verkehrsminister Jörg Leichtfried u.a. VertreterInnen von der Europäischen Union, der Industrie, der Energiewirtschaft und Umwelttechnologie, aus den Bundesländer sowie von Umweltorganisationen gestellt.

Energiewende: Rupprechter will vollständigen Ausstieg aus Öl in der Raumwärme

"Der Klimawandel ist die globale Herausforderung unseres Jahrhunderts", so die Eingangsworte von Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter, der gleich zu Beginn der Enquete die Klimaveränderungen in den letzten Jahren thematisierte. 2015 habe dabei alle Rekorde gebrochen, auch in Österreich. Betroffen sei vom Klimawandel besonders der Alpenraum, die Extremereignisse würden aber auch der Landwirtschaft zusetzen und die Hitzewellen ernste Gesundheitsgefahr darstellen. "Nichtstun ist keine Option", sagte Rupprechter, das Problem könne aber nur gemeinsam und auf globaler Ebene gelöst werden.

Das Pariser Abkommen ist für ihn ein historischer Durchbruch in der internationalen Klimapolitik. Dass sich der Umweltausschuss des Parlaments gestern mit breiter Mehrheit für die Ratifizierung des Weltklimavertrags ausgesprochen hat, wertete Rupprechter als starkes Signal für Österreichs "commitment" zum globalen Prozess. Die Energiewende in Österreich bedeutet für den Umweltminister eine klare Absage gegenüber der Atomkraft, er will auf erneuerbare Energie setzen. Rupprechter forderte in diesem Zusammenhang einen vollständigen Ausstieg aus Öl in der Raumwärme nach dem Beispiel Dänemarks. In der Hand hätten eine solche Regelung aber die Bundesländer. Starke Partner in der Energiewende seien die Wirtschaft, aber auch die BürgerInnen und Bürger.

Leichtfried: Güterverkehr muss auf die Schiene, individueller Verkehr braucht öffentliche Lösungen

Auch Verkehrsminister Jörg Leichtfried machte klar, dass Klimaschutz eine internationale Aufgabe darstellt. "Ohne weltweite Lösungen wird das nicht machbar sein", sagte er. Dieser Zugang dürfe aber auch nicht als Ausrede verwendet werden, im eigenen Land keine Maßnahmen zu treffen. Beim Klimaschutz verfolgt Leichtfried einen integrativen Ansatz, er sieht darin eine Kombination aus Energie-, Raumordnungs-, Umweltschutz und Verkehrspolitik. "Mir fehlt in Österreich die Ganzheitlichkeit", sagte er. Passivhäuser würden beispielsweise nicht zielführend sein, wenn für Familien gleichzeitig zwei Autos notwendig seien, um das Berufs- und Alltagsleben zu bestreiten.

In der Verkehrspolitik hatte Leichtfried zwei Antworten für den Klimaschutz in Österreich parat. Zum einen muss aus seiner Sicht der individuelle Verkehr vermehrt auf den öffentlichen Verkehr verlegt werden, zum anderen sieht er auch beim Güterverkehr weiteren Handlungsbedarf. Auch wenn Österreich Opfer seiner geografischen Lage sei, sollte der Güterverkehr stärker auf die Schiene gebracht werden. Ein nächster Ansatzpunkt ist für Leichtfried die Elektromobilität. Nachdem es topografisch nicht möglich ist, Österreich vollständig öffentlich zu erschließen, müssten die Entwicklungen in Zukunft verstärkt in diese Richtung gehen. Zudem sei es wichtig, in den Bereichen Technik, Innovation und Forschung mit erneuerbaren Energien zu agieren.

ExpertInnen: Fossile durch erneuerbare Energieträger ersetzen, klimaverträglichen Lebensstil einschlagen

In drei Impulsreferaten informierten Nebojsa Nakicenovic vom International Institute for Applied Systems Analysis, Georg Rebernig vom Umweltbundesamt sowie Karl Steininger von der Universität Graz über Veränderungen im Klima, globale Perspektiven des Pariser Abkommens und seine Bedeutung für Österreich. "Die Natur braucht den Menschen nicht. Der Mensch braucht die Natur", war dabei die Botschaft, die Nakicenovic zu Beginn vorausschickte. In den letzten hundert Jahren, seit dem Anfang der Industrialisierung, ist die CO2-Konzentration senkrecht nach oben geschossen. "Ein trauriger Rekord", sagte Nakicenovic, um die Pariser Ziele zu erreichen, dürfe es zu keiner höheren Konzentration als aktuell kommen. Global gesehen hat der Anstieg eine Erwärmung von 1 Grad verursacht. Gerade in Österreich war der Temperaturanstieg sehr hoch, im globalen Vergleich etwa doppelt so viel. Laut Nakicenovic sind radikale Veränderungen - etwa ein Stopp von Verbrennungsmotoren und die Förderung von Elektromobilität - notwendig und möglich. Eine klare Absage erhielt von ihm die Kernenergie, neben den 17 von den Vereinten Nationen formulierten Zielen für eine nachhaltige Entwicklung rät er wie Rebernig und Steininger zur erneuerbaren Energie.

Durch erneuerbaren Energieformen mit technologischen, ökonomischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Verhaltensveränderungen würde Österreich Rebernig zufolge die ambitionierte Pariser Zielsetzung für 2050 erreichen. "Wenn es um eine Dekarbonisierung geht, wird man um den energetischen Bereich ganz sicher nicht herumkommen", sagte er. Der größte Anteil an Treibhausgasemissionen macht hierzulande das CO2 aus der energetischen Nutzung fossiler Brennstoffe aus, gefolgt von Emissionen aus der Eisen- und Stahlindustrie. Aus seiner Sicht müssen auf politischer Ebene umweltschädliche Subventionen geprüft und neu bewertet werden. Zudem brauche es eine ökologische Steuerreform, fossile Lock-in-Effekte müssten bei gegenwärtigen Infrastrukturinvestitionen vermieden sowie der Produktionsstandort erhalten werden, um die vorgenommene Dekarbonisierung bis 2050 zu erreichen. "Es ist wichtig, ab sofort die Zeit zu nutzen", appellierte Rebernig.

Ähnlich zuversichtlich war auch Steininiger. Es gebe eine Fülle von Lösungen, die Chancen müssten nur genutzt werden. Er spricht sich für einen sozial verträglichen, wirtschaftlich tragfähigen und ökologisch angepassten Lebensstil aus. Um das zu erreichen, brauche es "Inversion, Innovation und Integration", etwa durch Sharing statt Besitz, neue Technologien oder Siedlungsstrukturen mit geringem Transportbedarf. "Es wird ungemütlicher, wenn wir nichts tun", so Steininger.

Das Programm der Enquete

Bei der parlamentarischen Enquete gab es insgesamt vier Panels mit anschließender Diskussion. Panel 1 zum Thema "Umsetzung des Klimaabkommens innerhalb und durch die Europäische Union" bestreiten Anne Bergenfelt als Vertreterin der EU-Ratspräsidentschaft sowie der EU-Kommission und der Europaabgeordnete Paul Rübig als Vertreter des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

In Panel 2 "Rahmenbedingungen für industrielle Produktion und Energieaufbringung" diskutieren vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Michael Losch, von der VOESTALPINE AG Wolfgang Eder, vom Austrian Institute of Technology Brigitte Bach, von GLOBAL 2000 als Vertreter der Bürgerinitiative "Energiewende für Österreich" Johannes Wahlmüller sowie der Vorstandsvorsitzende der Verbund AG Wolfgang Anzengruber als Vertreter der Energiewirtschaft.

In Panel 3 mit dem Titel "Weichenstellungen für den Sektor Verkehr" beteiligen sich vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Herbert Kasser, als Vertreter der Landesverkehrsreferentenkonferenz Landesrat Hans Mayr, Ulla Rasmussen vom VCÖ sowie ÖAMTC-Verbandsdirektor Oliver Schmerold.

Das vierte Panel beschäftigt sich mit dem Thema "Schlüsselmaßnahmen im Sektor Gebäudemaßnahmen und Kleinverbrauch". Zu den Diskutanten zählen hier als Vertreter der Landeswohnbaureferentenkonferenz der Salzburger Landesrat Hans Mayr, als Vertreter des Gemeindebundes Walter Leiss, Werner Prutsch vom Städtebund sowie Karl Schellmann vom Ökobüro als weitere Vertreter der Bürgerinitiative.

Darauf aufbauend werden die UmweltsprecherInnen der Parlamentsfraktionen ein Resümee abgeben. Die Abhaltung der Klimavertrags-Enquete geht auf einen Antrag im Hauptausschuss des Nationalrats zurück, der von allen Parlamentsfraktionen vor rund zwei Wochen eingebracht und unterstützt wurde. Das Ende der Enquete ist für 16.00 Uhr geplant. Das Vertragswerk des Pariser Klimaschutzabkommens wurde dem Nationalrat im Rahmen des Ratifizierungsverfahrens vor kurzem vorgelegt und ist auf der Website des Parlaments abrufbar.

www.parlament.gv.at

Quelle: Pressedienst des Parlaments



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /