© adigitaldreamer.com
© adigitaldreamer.com

30 Jahre Tschernobyl - was haben wir gelernt?

Umweltverträgliche Energieversorgung ist Gebot der Stunde

26. April 1986, Kernkraftwerk Tschernobyl im Norden der Ukraine: Super-GAU! Der Reaktormantel explodiert, Trümmer und radioaktives Material werden nach draußen geschleudert, eine nukleare Wolke breitet sich über weite Teile Europas aus. Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl wird als erstes Ereignis auf der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse als katastrophaler Unfall eingeordnet. Die in die Luft gelangten radioaktiven Stoffe, zum Teil mit hohen Halbwertszeiten, kontaminierten infolge des radioaktiven Niederschlags die Region nordöstlich von Tschernobyl sowie viele Länder in Europa. 430.000 Hektar in der Region des Kraftwerks sind bis heute Sperrgebiet.

Die Katastrophe in Tschernobyl hat uns deutlich das hohe Risiko dieser gefährlichen Energieform vor Augen geführt. Über die weltweiten gesundheitlichen Langzeitfolgen gibt es seit Jahren Kontroversen, insbesondere über jene, die auf eine erhöhte Strahlenbelastung zurückzuführen sind. Die Weltgesundheitsorganisation hält insgesamt weltweit rund 8.000 Todesopfer für gesichert, andere Studien sehen die Opferzahlen um ein Vielfaches höher.

Neben dem unglaublichen menschlichen Leid, dass durch diese Katastrophe ausgelöst wurde, ist vor allem auch die Land- und Forstwirtschaft betroffen. Diese Flächen können nicht mehr genutzt werden, da der Boden radioaktiv verseucht ist. Den Eigentümern und Bewirtschaftern wurden die Produktions- und Existenzgrundlagen genommen und die Gewinnung von Rohstoffen verhindert. Zusätzlich hat man damit eine massive Gefährdung auf die Ernährungssicherheit herbeigeführt.

Ohne biogene Rohstoffe, also Material pflanzlicher oder tierischer Herkunft, können jedoch auch die weltweiten Klimaziele nicht erreicht werden. Biogene Rohstoffe, wie zum Beispiel Holz, sind als CO2-neutrale Energieträger das richtige Lösungskonzept für erneuerbare Energieformen. Dies ist etwa für die Stromerzeugung oder Wärmebereitstellung entscheidend. Sie binden beim Wachstum CO2 und speichern die Energie bis zur Verwendung.

Die Landbewirtschafter waren von der Katastrophe in Tschernobyl nachhaltig betroffen, da die Fläche nun seit 30 Jahre nicht mehr bewirtschaftet werden kann. 430.000 Hektar wurden zum verseuchten Sperrgebiet und sind dauerhaft unbrauchbar. Hätte man auf dieser Fläche in dieser Zeit nachhaltige Forstwirtschaft betrieben und das produzierte Holz für die Stromgewinnung eingesetzt, könnte man damit über 7 Millionen Haushalte ein Jahr lang vollständig mit Strom versorgen. Die Frage nach dem Potenzial dieser Fläche hat daher eine viel größere Bedeutung als jene nach einer kurzfristigen und billigen Energieversorgung.

"Land- und Forstwirte sind durch das hohe Risiko der Atomenergie in ihrer Existenz bedroht. Als Konsequenz muss auch 30 Jahre später einmal mehr das klare Bekenntnis zu einem nachhaltigen Energiemix und zu erneuerbaren Energieträgern postuliert werden. Dazu braucht es einen eindeutigen politischen Willen, um Forschungsanstrengungen und Investitionen in erneuerbare Energien entsprechend ausbauen zu können. Die Lösung kann nur in der Nutzung von erneuerbaren Energien liegen, die umweltschonend und nachhaltig sind. Atomenergie ist strikt und vollständig abzulehnen und bei den bestehenden Systemen sind die Zügel massiv anzuziehen. Es muss regelmäßige Risikobewertungen für alle Atomkraftwerke in der EU und eine rasche Verbesserungen alter Anlagen auf den neuesten Stand der Technik geben. Dafür fordern wir auch die Einbindung der Stakeholder, besonders der Land- und Forstwirtschaft. Zudem müssen verbindliche Haftungsfonds geschaffen werden, an denen sich die Atomkraftwerksbetreiber zur Herstellung der Kostenwahrheit beteiligen müssen", fordert DI Felix Montecuccoli, Präsident der Land&Forst Betriebe Österreich.

Auch Univ.-Prof. Martin Gerzabek, Rektor der Universität für Bodenkultur Wien, hält Atomenergie mit einer nachhaltigen und generationenübergreifenden Land- und Forstwirtschaft für unvereinbar ist und stellt fest: "Die österreichische Landwirtschaft war 1986 mehrfach betroffen. Das Verkaufsverbot für Salat und Spinat, das Weidefütterungsverbot für Milchkühe, aber auch das Verkaufsverbot für Wildpret wirkten sich ökonomisch aus. Dazu kam die umfangreiche Logistik, die etwa in der Milchwirtschaft zur kurzfristigen Messung der Radionuklidgehalte in der Milch und der nachfolgenden Steuerung der Produktionslinien (wie Käse) oder zur Versorgung besonders betroffener Regionen mit nicht-kontaminierten Futter zur Mast notwendig war. Wie weit die Auswirkungen gehen könnten, wenn ein ähnlicher Unfall in der Nähe Österreichs passieren würde, ist am Beispiel der betroffenen Gebiete der Ukraine und Weißrusslands leicht erkennbar." Die BOKU war und ist in die Überwachung der Strahlenbelastung maßgeblich involviert.

Nur nachhaltige Lösungen sind Schlüssel für die Zukunft

Die heimischen Familienbetriebe in der Land- und Forstwirtschaft erbringen unverzichtbare Leistungen für die Gesellschaft und gewährleisten Ernährungs-sicherheit, Wertschöpfung, Wohlfahrt oder die nachhaltige Verbesserung der Lebensgrundlage im ländlichen Raum. Sie stehen für generationsübergreifende Lösungen und für eine Multifunktionalität dieser Leistungen. Sie haben aber auch mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. So ist das Thema Bodenverbrauch heute in der österreichischen Landwirtschaft in zentraler Diskussion. Die heimischen Böden sind in mühsamster Arbeit durch Jahrtausende lange Bewirtschaftung entstanden. Sie sind Teil der Kulturlandschaft und als unsere Lebensgrundlage Kulturgüter ersten Ranges, die man nicht zerstören und schon gar nicht durch den Ausbau von Atomenergie gefährden darf.

"Täglich werden in Österreich wertvolle Felder und Wiesen im Ausmaß von rund 30 Fußballfeldern für Straßen, Shopping-Center etc. verbaut. So haben wir beispielsweise die höchste Supermarktfläche Europas. Damit hält Österreich bei der Verbauung unserer Böden einen Negativrekord in ganz Europa", fasst Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, die dramatische Entwicklung zusammen und fordert eine Trendumkehr im Interesse der nachfolgenden Generationen: "Die Atomenergienutzung, insbesondere mit alten Anlagen, gefährdet unsere Böden zusätzlich und erhöht das Ertragsrisiko für die heimische Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung unermesslich."

"Die Auswirkungen der Atomkatastrophen in Tschernobyl haben verdeutlicht, dass die energie- und klimapolitischen Hausaufgaben gemacht werden müssen. Mit nachwachsenden Rohstoffen wie Holz haben wir den Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende und können den klimapolitischen Herausforderungen begegnen. Aktive und nachhaltige Waldbewirtschaftung bedeutet Klimaschutz. Wir können unsere Flächen aber nicht wie in der Finanzwelt oder der Industrie auf andere Standorte transferieren, wir sind durch Boden und Wald an bestimmte Orte gebunden. Durch Land- und Forstwirtschaft gewährleisten wir eine nachhaltige Lebensgrundlage für die Gesellschaft und tragen positiv zu einer Energiewende bei. Um das zu tun, brauchen wir politische Unterstützung", hält Montecuccoli abschließend fest.

Quelle: Land&Forst Betriebe Österreich


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /