© Aktionsbündnis TTIP
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CETA, TTIP & Co: Wer profitiert?

Öffentliche Debatte mit Cecilia Malmström mit Renate Anderl (ÖGB), Leonore Gewessler (GLOBAL 2000), Alexandra Strickner (Attac) und Valentin Wedl (AK Wien) - Geheime Verhandlungen sind nicht zeitgemäß- Klare Ablehnung gegen Investorenschutz

Wien- Noch heuer soll das Handels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) beschlossen und jenes mit den USA (TTIP) fertig verhandelt werden. BefürworterInnen dieser Abkommen meinen, dass durch die Liberalisierung der Märkte das Wirtschaftswachstum angekurbelt, Investitionen gefördert und Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Europäische Kommission argumentiert, dass im Zuge der Vereinfachung der Regulierungen und des Abbaus von Bürokratie Kostensenkungen für Unternehmen und niedrigere Preise für KonsumentInnen in Europa möglich sein soll. Die GegnerInnen bezweifeln diese positiven wirtschaftlichen Prognosen und können ihre Kritik nicht nur auf bekannt gewordene Teile der Verträge, die bisher unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurden, sondern auch auf eine Reihe von Studien stützen. So sind Maßnahmen wie der besondere Schutz ausländischer Investoren oder der geplanten Regulierungszusammenarbeit, eine ernste Bedrohung der Demokratie und wichtiger wohlfahrtsstaatlicher Errungenschaften Europas. Der Widerstand gegen TTIP wächst: Nach aktuellen Eurobarometer-Umfragen sprechen sich in Österreich mehr als 70 % der Befragten gegen ein solches Abkommen aus.

EU-Handelskommissarin Malmström ist heute in Wien und stellt sich der Kritik. Eine in der Arbeiterkammer stattfindende Diskussionsveranstaltung brachte vieles auf den Punkt.

Regulierungszusammenarbeit in TTIP- Eine Gefährdung für Umwelt- und KonsumentInnenschutz-Standards

Leonore Gewessler, Geschäftsführerin der Umweltorganisation GLOBAL 2000 kritisiert erneut die in TTIP geplante Regulierungszusammenarbeit: ‘Allein der Vorschlag der EU-Kommission zu diesem Kapitel in TTIP beinhaltet zahlreiche Mechanismen, die zu einem Herabsenken von Umwelt- und KonsumentInnenschutzstandards führen können. Was die USA in diesem Punkt verlangen, wird diese Woche wieder einmal hinter verschlossenen Türen auf den Tisch gelegt.’

Die Regulierungszusammenarbeit ist in der ab heute in Brüssel stattfindenden 12. TTIP-Verhandlungsrunde zentrales Thema. Mit der Regulierungszusammenarbeit sollen so genannte ‘nicht tarifäre Handelsbarrieren’ abgebaut werden. Das sind unter anderem Zulassungsverfahren, Risikobewertungen von z.B. Chemikalien oder gentechnisch veränderten Organismen oder das in der EU geltende Vorsorgeprinzip.

Zum einen hat die EU-Kommission hierfür einen ‘Regulatory Cooperation Body’ vorgeschlagen, ein Gremium aus HandelsexpertInnen der EU und der USA, das bestehende und zukünftige Regulierungen bis auf nationaler Ebene dahingehend prüfen soll, ob sie sich ‘handelshemmend’ auswirken. In den USA hat ein ähnliches Gremium, das Office of Information and Regulatory Affairs (OIRA) in der Vergangenheit immer wieder zu Verzögerungen oder Abschwächungen von ökologischen Gesetzesvorhaben der Bundesstaaten geführt.

Zum anderen wurde diskutiert, ob und in welchen Bereichen es eine gegenseitige Anerkennung von Standards geben soll und kann. Durch den Preisdruck billiger, weil unter geringeren Umwelt- und Sicherheitsauflagen hergestellter, Produkte werden negative Auswirkungen auch auf die Produktionsweisen in der EU erwartet.

Aufweichung von Umwelt- und Konsumentenschutzstandards?

Leonore Gewessler: ‘Die EU-Kommission beteuert immer wieder, dass Standards mit TTIP und CETA nicht gesenkt werden. Doch eine Erklärung, wie dies trotz all dieser geplanten Mechanismen möglich sein soll, ist bis dato ausständig.’

Weitere Kritikpunkte: Transparenz ist zwar wichtig, aber wir sind weit entfernt von einem demokratischen Prozess. EU-Abgeordnete dürfen die Details des Textes, die ihnen auf den Tisch liegen, nicht weitergeben. Es fehlen beispielsweise Berufungsinstanzen oder die Unabhängigkeit der Richter bei CETA.

Alexandra Strickner von Attac meinte: "Eine Auswirkung wäre, dass ausländische Konzerne Staaten klagen könnten. Sie haben damit defakto ein Recht auf stabile Rahmenbedingungen und könnten damit Gesetzesregulierungen erreichen. Auch Richter und Richterinnen sprechen sich deswegen gegen die geplanten Verträge aus. TTIP und CETA sind so eine Einbahnstraße." Stricker weiter: "Wir haben der Öffentlichkeit ein Statement gegen den neuen Investitionsschutz, der vorgelegt wurde, vorgelegt, 280 Organisationen haben dieses unterschrieben."

Ein erklärtes Ziel von TTIP ist, ‘das höchste Liberalisierungs- und Investitionsschutzniveau’ innerhalb der beteiligten Staaten zu erreichen. Gerade Investitionsschutz wirkt auf den ersten Blick positiv, es wird jedoch Konzernen die Möglichkeit eingeräumt, in geheimen Schiedsverfahren gegen jede Politik im Gaststaat zu klagen. Der Schiedsspruch steht über dem nationalen (und demokratisch kontrollierten) Gesetz und kann nicht angefochten werden.

Bereits während der Verhandlungen zu dem Handelsabkommen mit Kanada (CETA), das bereits Elemente der in TTIP geplanten Regulierungszusammenarbeit enthält, wurden Regulierungen aufgeweicht oder aufgehoben. So ist die Einstufung der für Kanadas Energieexporteure wichtigen Teersande als klimaschädigend weniger streng ausgefallen. Mit Milchsäure behandeltes Rindfleisch wurde auf Druck der Rindfleischindustrie Kanadas 2013 in der EU wieder zugelassen.

Seit den TTIP-Verhandlungen steht die Regulierung von hormonell wirksamen Chemikalien in der EU still. Neue Gentechnik-Zulassungen werden vom EU Verhandlungsführer als Beleg für den guten Willen der EU in diesem Bereich der TTIP Verhandlungen genutzt.

Leonore Gewessler von Global 2000: ‘Durch all diese Bespiele sehen wir unsere Analysen bestätigt, dass es zu einer Absenkung der Umweltstandards kommen wird. Es ist wesentlich, dass nicht nur der Status quo erhalten bleibt, sondern dass wir auch in Zukunft Maßnahmen durchsetzen können, die zu einer weiteren Verbesserung im Umweltschutz, in der Landwirtschaft und auch im Lebensmittelbereich führen. Mit TTIP und CETA sehen wir das aktuell fundamental gefährdet.’

Journalisten fordern volle Transparenz - Offenlegung der Verträge dazu ein Muss

Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) fordert eine Veröffentlichung des gesamten TTIP-Verhandlungsergebnisses. ‘Geheime Leseräume im europäischen und österreichischen Parlament sind keine Transparenz. Noch dazu, wenn die Parlamentarier über das dort Gelesene nicht sprechen dürfen’, argumentiert ÖJC-Präsident Fred Turnheim seine Forderung nach einer uneingeschränkten Transparenz der bisher verhandelten Teile des TTIP-Vertrages.

‘Wie sollen Journalisten objektiv über Verhandlungsergebnisse berichten, wenn man diese nicht kennt’, fragt sich Turnheim. Der ÖJC fordert außerdem die Herausnahme der Urheberrechte für Journalisten und Autoren aus dem Verhandlungspaket. Eine der zentralen Forderungen von seiten der Journalisten: Das europäische Urheberrecht kann und darf nicht mit dem amerikanischen Copyright ‘verheiratet’ werden.

Derzeit werben Vertreter der US-Administration intensiv für einen raschen Abschluss der geheimen TTIP-Verhandlungen und reden den Europäern ein, dass diese besondere Vorteile aus dem Abkommen hätten. Doch gerade die Amerikaner bestehen auf die Vertraulichkeit der Gespräche. Welche Gründe dahinter stehen, darüber sollten die europäischen Verhandler nachdenken. Es kann und darf nur unser Ziel sein, die Interessen Europas zu vertreten und nicht jene der USA. "Speziell die Form der Geheimnistuerei macht das ganze Abkommen unglaubwürdig. "


Ein Teilnehmer der Veranstaltung in der AK nannte einen wesentlichen Punkt, warum es in Österreich eine starke Bewegung gegen TTIP gibt: "Wenn TTIP wie geplant in Kraft tritt, hat es den fundamentalen Nachteil, dass es für alle Unterzeichner bindend und damit defakto nicht veränderbar ist. Jeder einzelne Bereich könnte nur mit der Zustimmung alle Unterzeichnerstaaten wieder geändert werden. Dies ist mit demokratischen Prinzipien eigentlich unvereinbar. Alle Teilnehmerstaaten unterwerfen sich dem Vertrag und damit auch den Konzerninteressen."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /