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Gene editing diskriminiert

Gegen eine Reduktion auf technische Aspekte von CRISPR-Cas9 und anderen Gentechniken

Berlin - Aus aktuellem Anlass erneuert das GeN-ethische Netzwerk (GeN) seine grundsätzliche Kritik an der Anwendung gentechnischer Verfahren beim Menschen. Insbesondere die Veränderung des menschlichen Erbguts, das sich in der Keimbahn findet und an folgende Generationen weitergegeben wird, muss weiter verboten sein.(FN1)

In dieser Woche treffen sich in Washington D.C. (USA) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vielen Teilen der Welt, um über den zukünftigen Einsatz des sogenannten gene editing beim Menschen zu sprechen.(FN2)

Neuere Entwicklungen in der Molekularbiologie wie auch der Genomforschung haben insbesondere in der jüngeren Vergangenheit seit etwa 2013 - mit der detaillierteren Beschreibung der sogenannten CRISPR-Cas9-Technik (FN3) - die Phantasien über die mögliche Eliminierung genetisch bedingter Krankheiten und zur Schaffung ‘perfekter Menschen’ neu befeuert.

‘Mit idealisierten Darstellungen des technischen Fortschritts erwecken einige Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft den Eindruck, dass die Manipulation des menschlichen Erbguts gefahrlos machbar ist’, so Christof Potthof, Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerks. ‘Aber: Weitaus entscheidender ist die damit einhergehende Unterstellung, dass solche Eingriffe erstrebenswert seien. Unserer Meinung nach ist die Anwendung der gene editing-Techniken weder gefahrlos noch wünschenswert’, so Potthof weiter.(FN4) ‘Das Gen-ethische Netzwerk unterstützt eine aktuell diskutierte Forderung nach einem Moratorium, hält diese aber gleichzeitig für nicht ausreichend.’

‘Wir befürchten, dass eine bloße Diskussion um das Moratorium für ein gene editing an Genen in der menschlichen Keimbahn dazu beiträgt, andere Forschungs- und Anwendungsbereiche dieser Techniken an lebenden Organismen, seien es Menschen, Tiere oder Pflanzen von Kritik und Regulierung abzuschirmen’ ergänzt Kirsten Achtelik vom GeN.

Achtelik weiter: ‘Dass vorrangig die medizinische Gefährlichkeit kritisiert wird, lenkt davon ab, das Ziel des gene editing infrage zu stellen. Der permanente Ruf nach und der Glauben an Fehlerfreiheit diskriminiert Behinderte.’

Beeinträchtigungen und Normabweichungen erscheinen durch die (vermeintlichen) Möglichkeiten dieser Techniken zunehmend als zu vermeidendes Unglück, statt als Normalität, mit der eine Gesellschaft anders als wissenschaftlich-medizinisch umgehen sollte. Das GeN wendet sich daher gegen alle pränatalen selektiven Maßnahmen.

Fußnoten:

(FN1) Siehe zum Beispiel im Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, im Netz unter
www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/090000168007d002.

(FN2) Der ‘International Summit on Human Gene Editing’ findet vom 1. bis zum 3. Dezember 2015 in Washington D.C. statt. Er wird veranstaltet von der Chinese Academy of Sciences, der Royal Society (GB), der National Academy of Sciences und der National Academy of Medicine's (beide USA). Weitere Informationen im Netz unter
www.nationalacademies.org/gene-editing/Gene-Edit-Summit/index.htm

(FN3) Siehe dazu zum Beispiel ‘The new frontier of genome engineering with CRISPR-Cas9’ von Jennifer A. Doudna und Emmanuelle Charpentier in Science 346/6213 vom 28. November 2014.

(FN4) Chinesische Forscher zum Beispiel haben CRISPR-Cas9 an nicht entwicklungsfähigen menschlichen Embryonen ausprobiert. Laut ihrem Bericht vom April 2015 hat die als zielgenau geltende Technik allerdings keineswegs so exakt funktioniert, wie ansonsten allerorten behauptet wird. Die Methode scheint also mehrere Probleme zu haben, die ansonsten eher unter den Teppich gekehrt werden. Siehe dazu P. Liang et al. (2015): ‘CRISPR/Cas9-mediated gene editing in human tripronuclear zygotes’. Protein & Cell 6/5, Mai 2015.

Quelle: Gen-ethisches Netzwerk e.V.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /