© Greenpeace/ AKW Paks
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AKW Paks im Visier der EU-Kommission

Verletzt Ungarn das Wettbewerbsrecht?

Wien – Erst vergangene Woche hat die EU gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren wegen fehlender Ausschreibung beim Ausbau des Atomkraftwerks Paks II eingeleitet. Heute kündigt die Europäische Kommission eine weitere Untersuchung an: Der Verdacht liegt nahe, dass Ungarn EU-Wettbewerbsrecht verletzt.

Die Europäische Kommission hat eine eingehende beihilferechtliche Untersuchung der Pläne Ungarns eingeleitet, Finanzmittel für den Bau zweier neuer Kernreaktoren in Paks bereitzustellen.

Die Kommission wird insbesondere prüfen, ob ein privater Investor das Projekt zu vergleichbaren Bedingungen finanziert hätte oder ob Ungarns Investition eine staatliche Beihilfe darstellt. Kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das Projekt eine staatliche Beihilfe beinhaltet, wird sie untersuchen, ob es in seiner geplanten Form zu Wettbewerbsverzerrungen insbesondere auf dem ungarischen Energiemarkt führen würde.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: ‘In Anbetracht des Umfangs und der Bedeutung des Paks-Projekts muss die Kommission sorgfältig prüfen, ob die Investition Ungarns marktwirtschaftlichen Bedingungen entspricht oder staatliche Beihilfen beinhaltet. Dies erfordert eine komplexe Prüfung. Ich halte es für wichtig, dass auch sonstige Betroffene zu Wort kommen.’

Nach dem EU-Vertrag können die Mitgliedstaaten ihren Energiemix frei festlegen. Aufgabe der Kommission ist es, dafür zu sorgen, dass etwaige öffentliche Mittel zur Unterstützung von Unternehmen im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften gewährt werden, die darauf abzielen, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu erhalten.

Im Mai 2015 unterrichteten die ungarischen Behörden die Kommission von ihrer Absicht, in den Bau von zwei Kernreaktoren am Kernkraftwerk Paks zu investieren. Zum jetzigen Zeitpunkt hegt die Kommission Bedenken, dass diese Investition entgegen der Beteuerungen Ungarns nicht zu marktwirtschaftlichen Bedingungen erfolgt. Die Kommission wird deshalb das Geschäftsmodell für den Bau, den Betrieb und die Stilllegung der beiden Reaktoren auf der Grundlage der vereinbarten Geschäftsbedingungen und vor dem Hintergrund der Energiemarktprognosen der EU bewerten.

Käme die Kommission zu dem Schluss, dass es sich um eine staatliche Beihilfe handelt, müsste sie insbesondere sicherstellen, dass das Projekt zu keinen Wettbewerbsverzerrungen auf dem ungarischen Markt oder im Binnenmarkt führen würde. Um mit EU-Vorschriften vereinbar zu sein, muss eine Beihilfe im Hinblick auf die verfolgten Ziele angemessen sein und ein echtes Marktversagen beheben, wenn das Projekt nicht ausschließlich unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ohne staatliche Unterstützung durchgeführt werden könnte. Die von Ungarn getätigte Investition muss zudem eine angemessene Rendite erzielen.

Mit der Einleitung einer eingehenden Untersuchung erhalten Dritte Gelegenheit, zu der Maßnahme Stellung zu nehmen. Die Untersuchung wird ergebnisoffen geführt.

Dazu meint Adam Pawloff, Anti-Atom-Sprecher bei Greenpeace in Österreich: ‘Es ist erfreulich, dass die EU-Kommission vor dem Orban-Putin-Projekt Paks II nicht in die Knie geht. Die EU wird sowohl bezüglich der fehlenden Ausschreibung als auch bei der Verletzung des Wettbewerbsrechts gegen Paks II aktiv. Das zeigt, dass die ungarische Regierung systematisch europäisches Recht missachtet’, so Pawloff. ‘Die Atomindustrie versucht in Europa neue Kraftwerksprojekte durchzusetzen und agiert dabei derart verzweifelt, dass regelmäßig der Bruch von EU -Recht in Kauf genommen wird.’

Atomkraft ist eine veraltete und nicht förderungswürdige Technologie. Wir begrüßen, dass die EU-Kommission nun ein EU-Beihilfeprüfverfahren gegen Ungarn wegen des Ausbaus des Atomkraftwerks PAKS II einleitet.’ kommentiert Dr. Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von GLOBAL 2000 die neue Situation.

‘Hinkley Point war der Kommission hier ganz offensichtlich eine Lehre. Es ist richtig, im Fall Paks eine beihilferechtliche Ermittlung durchzuführen. Konkret sollen im ungarischen Paks zum bestehenden AKW zwei weitere Reaktoren gebaut werden. Finanziert werden soll das Projekt durch Gelder aus Russland und staatliche Mittel aus Ungarn. Der zivilgesellschaftliche und politische Druck der letzten Wochen zeigt aber nun seine Wirkung und die EU-Kommission rückt auf den Plan, um in der Sache zu ermitteln’, sagt Karin Kadenbach, SPÖ-Europaabgeordnete und Mitglied des Umweltausschusses im Europäischen Parlament. * * *

‘Europaweit braucht es wesentlich mehr Anstrengungen für den Atomausstieg. Mit Investitionen sollten die Mitgliedstaaten den Bereich erneuerbarer Energien fördern und nicht Atomenergie. Österreich hat mit seiner Klage gegen die Subventionierung des britischen AKW Hinkley Point einen klaren Standpunkt bezogen, der für ganz Europa Richtwert sein soll’, betont die Abgeordnete.

Auch die oekostrom AG begrüßt den Beschluss der Kommission, ein Beihilfeverfahren einzuleiten. ‘Wir hoffen, dass die Kommission im Rahmen des Verfahrens verdeckte Subventionen für das Projekt aufdecken wird, denn niemand kann heute ein Atomkraftwerk ohne Beihilfen wirtschaftlich betreiben’, sagt Lukas Stühlinger, Vorstand der oekostrom AG.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /