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Meinungsumfragen zeigen: Mehrheit der tschechischen Bürger will keinen höheren Atomkraftanteil

Lobbyisten beeinflussen die Meinung von Zeitungsberichten

Die tschechischen Mainstream -Medien sind von Lobbyisten gefangen, die um jeden Preis den Bau von bis zu vier neuen Atomblöcken in Dukovany und Temelin durchsetzen wollen, um für Bau - und Maschinenbaufirmen Aufträge für hunderte Milliarden Kronen zu sichern.

In den meisten Zeitungen ist zu lesen, dass es für die tschechische Energiewirtschaft keinen anderer Weg geben kann, als neue Atomblöcke zu bauen und dass die Meinungsumfragen beweisen, wie fest auch die tschechische Öffentlichkeit davon überzeugt ist.

Wenn man aber die Artikel über die akutelle Meinungsumfrage und ihre Ergebnisse gründlicher liest, ist man überrascht. Die Überschrift korrespondiert meistens nicht mit den Inhalten der Artikel, weil die Überschriften solcher Artikel meistens ähnliches melden wie: ‘Die meisten Tschechen sind für den weiteren Ausbau der Kernkraft’, im Text erfährt jedoch der Leser, dass laut einer seriösen Meinungsumfrage die meisten Leute keine Angst vor der Kernkraftnutzung haben, bzw. dass sie sich nur kleine Sorgen darüber machen...Über die Unterstützung der Kernkraft steht dann in diesen ‘unabhängigen’ Artikeln gar nichts mehr.

Und wann ein aufmerksamer Leser auf die Webseite der Organisation schaut, die die erwähnte Meinungsumfrage durchgeführt hat, um selber zu sehen, wie die Ergebnisse in Wirklichkeit waren, kann er wieder ziemlich überrascht sein. Und zwar dadurch, wie lügenhaft die Überschrift in der Zeitung ist, die den Leser davon überzeugt, dass er der wahrscheinlich Einzige ist, der sich den Bau neuer Atomblöcke im Land nicht wünscht.

Zum Beispiel in der letzten Meinungsumfrage, die zum Thema der Kernkraft de facto durch die Regierungsagentur CVVM durchgeführt wurde (sie ist mit Regierungsgeld bezahlt), antworteten auf die Frage: ‘Soll sich der Anteil der Kernkraft an der Stromproduktion weiter erhöhen?’ nur 22% der gefragten Leute (!!) positiv (mit ja oder eher schon). Die gleiche Zahl der Bürger antwortete negativ - also dass sich der Anteil der Kernkraft an der Stromproduktion eher oder eindeutig reduzieren sollte. Die meisten Leute antworteten sogar, dass der Anteil der Kernkraft auf der heutigen Ebene bleiben soll.

Und dabei sollte man auch darauf aufmerksam machen, dass sich der Anteil der Leute, die sich eine Steigerung des Atomkraftanteils an der Stromproduktion wünschen, seit dem Jahr 2010 um ganze 12% verringert hat.

Es sieht einfach so aus, dass die mediale Message betreffend der Atomkraft doch nicht so wirksam ist, wie sich ihre Autoren und Initiatoren das wohl wünschen würden. Die tschechischen Bürger wollen im Energiebereich nicht in eine Sackgasse gehen, nur aus dem Grund, weil damit ein paar Firmen und Politiker mit dem Ausbau der Atomkraftwerke reicher werden....Und es wäre interessant zu wissen, wie sich die Bürger entscheiden würden, wenn sie volle Informationen dazu zur Verfügung hätten. Und damit meine ich nicht, dass die Atomkraft die Beste von allen ist und dass wir auf den Ausbau der Atomkraftwerke nicht verzichten können und dass wir das Atommüll - Endlager eigentlich gar nicht brauchen.... Es fehlen ganz einfach Informationen davon, wieviel der Bau, einer, zwei, drei oder vier Atomblöcke kosten würde: ob es 300 oder 400 Milliarden Kronen kosten wird oder sogar noch weit mehr. Und auch die Informationen davon, wie sich nach solch einer großen Investition die Strompreise verändern werden, die sich im Falle des Baues neuer Blöcke in Temelin oder Dukovany noch bedeutend erhöhen müssten. Dabei wird es offensichtlich notwendig sein, den Stromexport nach Österreich oder Deutschland zu subventionieren. Oder die Information darüber, ob dieser Anstieg der Strompreise rein zufällig eine Lähmung der Weiterentwicklung der tschechischen Industrie und eine Verschlimmerung der Lebenssituation breiter Schichten der tschechischen Bevölkerung verursachen könnte
Die tschechische Regierung, die jetzt brav die Interessen der Atomlobbyisten verteidigt, sollte auch die Wahrheit darüber sagen, wie weit man mit der Entwicklung der Technologien für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen zum Beispiel in Österreich oder in Deutschland ist. Und das auch aus dem Grund, dass Deutschland einerseits die größte EU - Wirtschaftsraum und gleichzeitig auch der größte Geschäftspartner der Tschechischen Republik ist. Und Tschechien kann sich nur schwer leisten, die Hauptrichtungen der Entwicklung der deutschen Energiewirtschaft zu ignorieren.

Wir sollten dabei auch nicht vergessen, dass nicht nur die Tschechische Republik, sondern auch Deutschland, wohin wir den bei uns erzeugten Strom exportieren, in den nächsten 15 Jahren im Einklang mit den EU - Verpflichtungen massiv Energien sparen müssen wird, deswegen stellt sich die Frage, wohin wir eigentlich den erzeugten Strom exportieren werden...

Ich glaube, wenn die tschechische Regierung und die tschechischen Medien unabhängig über die Energiewirtschaft berichten würden, oder zumindestens ein bisschen unabhängiger als bis jetzt, würde sich die Zahl der Befürworter der Steigerung der Anteile der erneuerbaren Energieträger an der Stromproduktion bedeutend erhöhen, weil das der Weg ist, den die meisten ökonomisch entwickelten Länder der Welt gehen und die Richtung, die sich im Energiebereich momentan am dynamischsten entwickelt.


Autor: Jiri Paroubek - Tschechisches Original in parlamentnilisty.cz erschienen- Übersetzt von Gabi Reitinger- OIZP - Obcanska iniciativa pro ochranu zivotniho prostredi und nachbearbeitet von oekonews


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /