Landwirtschaftliche Fachschule Tulln : Vortragsabend der Sonderklasse

Landwirtschaften mit Augenmaß

Bodenschutz und Humusaufbau hoch im Kurs

Vor zehn Tagen fand in der Aula der Landwirtschaftlichen Fachschule Tulln ein vielbeachteter Vortragsabend statt. Auf Initiative und dank der Organisation von Frau DI Zwatz und Herrn Pflanzenbaulehrer Ing. Bräutigam sprachen drei "Ausnahme-Referenten" über immer drängender werdende Themen im Zusammenhang mit Schutz, Bearbeitung, Erosion und Verdichtung unserer Böden. Der Andrang war so groß, dass es einer Menge zusätzlicher Bestuhlung bedurfte, bevor Ing. Bräutigam mit einer charmanten Begrüßung beginnen konnte, in der er darauf hinwies, dass wir uns viel bewusster sein sollten, was Boden für ein wertvolles Kapital darstellt, das auf Händen getragen und gepflegt werden sollte. Immer noch werden täglich in Österreich rund 20 Hektar zubetoniert, das entspricht etwa 25 großen Fußballplätzen. Weitere Flächen gehen durch unsachgemäße Behandlung und Bearbeitung verloren. Eine Verschwendung, der so rasch als möglich Einhalt geboten werden sollte.

Den Beginn machte Dr. Monika Sobotik vom Pflanzensoziologischem Institut Klagenfurt, die einen vertiefenden Einblick in die Wurzelforschung bot und drastisch an Hand von zahlreichen Aufnahmen vor Augen führte wie negativ sich die immer verbreitetere Bodenverdichtung auf Wachstum und angestammte Bestimmung der Pflanzenwurzeln auswirkt. Immerhin stellen die Wurzeln einen Beitrag von 50% des Dauerhumus. Da die Böden immer weniger Humus tragen,ist es folglich auch kontraproduktiv für die Bodengesundheit, wenn zu wenige Wurzeln für diesen natürlichen Kreislauf zur Verfügung stehen. Ist der Boden durch übermäßige Belastung so verdichtet, dass die Wurzel zu schwach ist, sich ihren Weg (Kanal) zu bahnen, dann wird die Pflanze nur mangelhaft versorgt und im Wachstum behindert.
Weiters stellte Dr. Sobotik einen Vergleich zwischen Bodenbearbeitung mit Pflug und pfluglos vor, wobei eindeutig ersichtlich wurde, dass eine pfluglose Bearbeitung besseren Erfolg erzielt. Trotz der nach wie vor recht überwiegend vorherrschenden Ansicht in Landwirtschaftskreisen, dass die althergebrachte Pflugmethode unverzichtbar wäre, setzt sich allmählich auch der Ansatz die Bearbeitung pfluglos zu gestalten durch und gewinnt an Befürwortern. Das gesunde Bodenleben profitiert jedenfalls von dieser schonenden Behandlung, was wiederum positiven Effekt auf die Erträge hat. Die Vermeidung von übermäßiger Bodenverdichtung und eine womöglich pfluglose Bewirtschaftung führt zu einer gesunden Tiefenausbreitung der Wurzeln und erhöht so auch die Aggregatsstabilität. Einen wichtigen Aspekt für die Bodengesundheit stellt auch die Vielfalt an Haupt- und Zwischenkulturen da.

Anschließend referierte DI Dr. Peter Strauß vom Bundesamt für Wasserwirtschaft in Petzenkirchen über Erosion, Bodenschutz und ebenfalls Bodenverdichtung. Die Bodenerosion ist eine weltweite Problematik, die zunehmend auch in Österreich an Relevanz gewinnt. Neben Bodenversiegelung ist Bodenerosion – vor allem in Ackerbaugebieten – ein wesentlicher negativer Einflussfaktor für unsere Böden. Ungünstige Bewirtschaftung und fehlende erosionsmindernde Maßnahmen führen mancherorts zu nicht akzeptablen Bodenverlusten. Leider liegt Österreich bei der Boden-Erosion im EU-Spitzenfeld. Durchschnittlich gehen in der Alpenrepublik jährlich sieben Tonnen pro Hektar verloren (nach anderen Angaben sind es nur rund die Hälfte). Auch die in Österreich häufigen Löß-Flächen neigen zu verstärktem Abtrag. Zwecks Erosionsschutz hat die ÖPUL Maßnahmen und Förderungen im Programm, die recht gute Erfolge gezeitigt haben und bis zu 75% Reduktion des Abtrages bewirken können (Mulchsaat - Direktsaat). Guter Bodenertrag ist jedenfalls auch von einer möglichst geringen Bodenbearbeitung abhängig, wobei auch beträchtlich Kosten gespart wer-den können. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch Begrünung. Böden stellen ein nützliches Reservoir an genetischem Material dar. Laut Berechnungen leben in einem Hektar einer etwa 30 Zentimeter starken Schicht einer "gutwüchsigen Wiese" mit rund 600 Millimeter Niederschlag pro Jahr zehn Tonnen Bakterien und zehn Tonnen Pilze. Vier Tonnen machen die Regenwürmer aus, eine Tonne der Rest an Organismen. Die so wünschenswerte Aggregatstabilität kann durch umsichtiges Bearbeiten durchaus gehalten und gefördert werden. Im Tullnerfeld wird in diese Richtung angeblich viel selbständig gedacht. Der Höchstertrag gibt durchaus Auskunft über gemachte Fehler.

Als Dritter im Bunde sprach Dr. Wilfried Hartl von der Bioforschung Austria über Bodenbearbeitung und Untergrundlockerung - aber wie ? Aus der Sicht der Pflanze gilt es den Wasservorrat zu schonen und die organische Gesundheit des Bodens zu fördern. Bodenschutz als langfristige Strategie ist sicherlich ein Gebot der Vernunft, das für eine weiterhin fruchtbare Zukunft unerlässlich und von eminenter Bedeutung ist. Mechanik kann auf Dauer nicht Bodenlebewesen ersetzen und den Boden "reparieren". Es gilt regionale Unterschiede der Klima- und Bodenbeschaffenheit zu beachten und vor allem bei Fruchtfolge und standortbezogener passender Begrünung sich die Vorgangsweise ordentlich durch zu überlegen.Dass das Thema Bodenschutz in den vergangenen Jahrzehnten in der Öffentlichkeit weitgehend untergegangen ist, liegt auch daran, dass Erosion in der Landwirtschaft kurz- und mittelfristig relativ einfach kompensiert werden konnte.
Wird ein Boden ärmer, so brauchte der Landwirt nur mehr Kunstdünger zu streuen, und alles ist - vorläufig - in Ordnung. So dachte man und denkt auch heute teilweise noch so.
Erst mit der Erkenntnis, dass dies zu einer ganzen Reihe von dramatischen Folgeschäden geführt hat und aktuell führt, kam die Besinnung auf ein nachhaltiges Wirtschaften mit der Natur und nicht gegen sie. Sogenannter Pflanzenschutz, der den Boden nachhaltig schädigt ist ebenso kontraproduktiv wie der Einsatz von zu schwerem Gerät, das eine Bodenverdichtung verursacht, die auf Dauer den Anbau verunmöglicht. Es ist nicht sinnvoll in unseren Breiten mit Maschinen zu arbeiten, die für us-amerikanische Monokulturen dimensioniert sind. Es gibt einige ambitionierte regionale Experimente mit Selbstbau-Geräten, die auf die lokalen Gegebenheiten hindimensioniert sind und an Effizienz unübertroffen sind. Neue Lösungen braucht die Landwirtschaft und vor allem ein Arbeiten mit der Natur und nicht gegen sie.

Die Publikumsrunde brachte eine bemerkenswerte Äußerung einer kärntner Bio-Bäuerin : "Es ist an der Zeit, dass wir unseren Boden zu lieben beginnen und aufhören nur den Sachwert im Fokus zu haben". Die Aussage passte gut zum Tenor des Abends - von denen es in Niederösterreich durchaus viel mehr geben sollte. Es finden zwar zahlreiche Veranstaltungen für interessierte Landwirte im Winter statt aber nicht überall wird auf so hohem und fortschrittlichem Niveau vorgetragen. Leider stehen konventionelle Inhalte meist im Widerspruch zu brauchbaren Lösungen, die in Zukunft immer wesentlicher über Erfolg und Mißerfolg in der Landwirtschaft entscheiden werden. Schön, dass es solche Vorreiter wie die Landwirtschaftliche Fachschule Tulln gibt, die der interessierten Bauernshaft Richtungsweisendes bietet !

daniel hackenberg für OEKONEWS


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