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Besser ist: "Teuer und überflüssig"

Zbyněk Fiala über das geplante neue tschechischen Energiekonzept

Die Aktualisierung des staatlichen tschechischen Energiekonzeptes bietet sechs Varianten an, die alle so formuliert sind, als ob es ohne Atom einfach nicht ginge. Das könnte uns egal sein. Auch die Tatsache, dass das wahnsinnig teuer werden könnte. Hohe Preise für Strom aus Atomkraftwerken werden das beste Argument dafür sein, dass sich möglichst viele Menschen Solar- und Photovoltaikanlagen auf ihre Dächer montieren und Gemeinden auch das eine oder andere Windrad auf einem nahen Hügel aufstellen werden.

Es gibt da allerdings einen Haken: die Regierung könnte dazu neigen, anfallende Kosten in Form von Steuern auf die Bürger abzuwälzen. Dadurch würde sie ihnen aber auch die Freiheit nehmen, welche diese neuen Technologien der Bevölkerung in benachbarten Staaten bieten.

Es nennt sich Aktualisierung des staatlichen Energiekonzeptes der Tschechischen Republik, es handelt sich aber eher um eine PR-Übung, wie man den Menschen am besten einreden, dass die einzige Lösung für uns eine leuchtende atomare Zukunft darstellen kann. Das ist jedoch durch keine breitere Strategie unterlegt. Man lehnt sich an alte Daten und Vorstellungen an, mit welchen sich die sogenannte Pačes-Komission noch vor dem Preisrückgang bei erneuerbaren Energienutzungstechnologien und vor dem Beschluss neuer Energiepolitikstrategien in Deutschland, Dänemark und anderen Ländern beschäftigt hat. Es geht um Strategien, die nicht respektieren, dass die Kurve der Kosten dessen, was man selbst oder eine lokale Energiegenossenschaft erzeugen kann (und daraus auch ein Einkommen erwirtschaftet), sich nicht nur im Süden Europas bereits mit der Kurve der Aufwände für Energie aus fossilen Quellen kreuzt (die noch dazu Geld aus der lokalen Ökonomie abschöpfen) und einem Preis, der weiter eine sinkende Tendenz aufweist.
Den Bürgerinnen und Bürgern verschafft das eine spezifische Freiheit, große Energiekonzerne haben diese Dynamik aber zu fürchten. Davor kann auch die tschechische Regierung nicht davonlaufen. Daher bereitete sie einen rechtlichen Rahmen vor, der Solar- bzw. Photovoltaikanlagen auf Dächern ermöglichen soll. Andererseits ist dieselbe Regierung aber auch eine "ČEZ-Regierung" und kann sich nicht aus ihrer Position verabschieden, aus welcher sie ihrem traditionellen "Schützling" gegenüber gezwungen ist, diesem seine bequeme dominante Rolle als Zentrallieferant am Markt zu bewahren. Das lässt sich einfach dadurch erreichen, dass die Regierung einen Teil der Kosten der Atomenergie stützt und unter Einsatz von Steuergeldern übernimmt. Bisher ist eine derartige Entscheidung zwar noch nicht getroffen worden, aber falls die Atomkraft in den staatlichen tschechischen Energiekonzepten eine Rolle spielen soll, muss geklärt werden, wie das bezahlt wird.

ČEZ hat schon deutlich gemacht, dass es nicht möglich sei, Temelin ohne irgendeine Form von staatlicher Garantie für höhere Strompreise (contract for difference) auszubauen. Falls aber so eine Garantie ähnlich aussehen würde wie die subventionierten Einspeisetarife für Strom aus erneuerbaren Energiequellen, welche wir heute bezahlen (feed-in), würde das dem Lieferanten nicht viel helfen. Ein hoher Preis würde die galoppierende Flucht der Kunden aus dem Stromnetz nur beschleunigen. Das tschechische Staatsenergiekonzept rechnet ja mit dem exaten Gegenteil: mit einem Verbrauchsanstieg bei Strom um 3 - 10 Prozent pro Jahr bis 2040 (obwohl es in den letzten Jahren zu einer Stagnation oder sogar zu einem Rückgang diesbezüglich kam). Wenn das bedeuten soll, dass auch die Markterlöse der zentralen Lieferanten steigen sollen, muss einer derartigen Flucht aus dem Stromnetz vorgebeugt werden. Das ließe sich dadurch bewerkstelligen, dass der Preis des Atomstroms nicht durch den Verbraucher bezahlt werden muss (hohe vom Verbrauch abhängige Stromrechnungen), sondern vom Staat (die eigentlichen Stromrechnungen würden niedrig bleiben).
Der Staat hat aber kein eigenes Geld. Daher würden wir das sowieso selbst zahlen müssen. Es wäre bloß weniger sichtbar. Wir würden das über die Steuern tun und mit größter Wahrscheinlichkeit mit der Einkommenssteuer, sodass mit niedrigen Strompreisrechnungen als strategischer Vorteil argumentiert werden könnte. Ein niedriger Preis würde den Verbrauch von Elektrizität ankurbeln, allgemein den Umsatz fördern und somit auch eine Begünstigung für Unternehmen darstellen. Ebenfalls mit dem Geld der Steuerzahler. Und weil der Arbeitnehmeranteil an den Steuern seit dem Jahre 2007 zunimmt, während der Anteil der Steuern, welche die Firmen abzuführen haben, sinkt, würde das eine weitere finanzielle Umverteilung von der Seite der Arbeit in Richtung der Seite des Kapitals bedeuten.

Das müsste wiederum unseren Konkurrenten in der Europäischen Union ("böses Brüssel") nicht unbedingt gefallen. Nichtsdestotrotz schaffte es die britische Regierung in Brüssel noch gerade, von der abtretenden EU-Komission genehmigt zu bekommen, dass für den Bau des AKWs Hinkley Point staatliche Beihilfen eingesetzt werden dürfen, und zwar sowohl als garantierter Einspeisetarif (contract for difference), als auch als Staatsgarantie für Investitionskredite. Was aber dem Jupiter erlaubt ist, der ehemaligen imperialen Kolonialmacht, welche die EU über das Business zu erpressen versucht, muss dem Ochsen noch lange nicht erlaubt sein, von dem nur wenige wissen, wo er sich überhaupt genau gefindet ("Quod licet Iovi, non licet bovi").

Vielleicht wird es gerade deshalb nötig sein, anders vorzugehen. In Europa ist das Interesse an der Privatisierung der übrig gebliebenen nationalen Energiekonzerne schon schwächer geworden und es hat eine Debatte darüber begonnen, ob es nicht besser sei, grundlegende strategische Ressourcen, insbesondere auch das Wasser, schlicht in Staatshänden zu belassen. Möglicherweise wird auch daran gedacht, Temelín in Form eines Staatsbetriebes auszubauen. Rein aus ökonomischer Sicht wird für vernünftig gehalten, dass der Staat in seinem Eigentum Bereiche behält, die sich für privates Kapital nicht rentieren. Wenn der Staat Temelín (oder ein Stück von Temelín und ein Stück von Dukovany) ausbaut und besitzt, kann er das alles so finanzieren, wie er will. Sofern ihm der Bürger dafür Geld gibt. Aus diesem Grund müssen den erneuerbaren Energiequellen Prügel vor die Beine geworfen werden.

Falls es gelingt, den Menschen noch 10-15 Jahre weis zumachen, dass Windkraftwerke in unserem Land unmöglich seien und Photovoltaikanlagen ein Verbrechen, das uns schon jetzt teuer zu stehen kommt, so bleibt der Markt mit Elektrizität mehr oder weniger eine kompakte Angelegenheit wie bisher und wird dann über einen subventionierten Preis geschützt. Und weil niemand so viel Strom braucht, bleiben wir ein Inselchen von Verschwendung und Ineffizienz, damit es in den Umsätzen zu keinen Einbrüchen kommt.

Nur bei einem Ausflug nach Deutschland werden wir sehen, dass es auch anders geht. Während bei uns die deutsche Energiewende niemanden interessiert, beginnen die Amerikaner diese bereits zu bewundern, und in der New York Times machte man darüber eine eigene Serie. Am interessantesten ist die Nachricht über das Computermodell "Renewable Energy Model-Deutschland", oder "REMod-D", anhand dessen zwei Physiker überprüft haben, ob das wirklich funktionieren kann. Dieses Modell haben Hans-Martin Hennig und Andreas Palzer vom Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme in Freiburg im Breisgau ausgearbeitet.

http://www.nytimes.com/2014/12/01/business/energy-environment/plan-outlines-low-carbon-future-for-germany-energy.html?ref=energy-environment&_r=0
Sie verwendeten reale Daten aus den Jahren 2011 und 2012 und ließen diese durch Millionen von Simulationen laufen, wobei sie das Modell schrittweise optimalisierten. Sie suchten eine Antwort auf die Frage, ob Deutschland sein Energiesystem wirklich so umbauen könne, sodass die erneuerbaren Energiequellen deutlich dominieren (80 % im Jahre 2050), und auch, wie das System zusammengesetzt sein müsse und was es kosten würde.

Sie kamen zum Schluss, dass die Investitionsaufwände sich von den derzeitigen nicht unterscheiden würden, dass aber bei den Energiequellen (Sonne und Wind sind gratis) enorme Einsparpotentiale möglich seien. Laut der erwähnten Modellrechnungen würde die Energiewende Deutschland etwa 500 Milliarden € kosten, die erzielten Einsparungen bis zum Jahre 2050 aber im Gesamtsystem 600 bis 1000 Milliarden € erreichen. Darin enthalten wären auch Einsparungen aufgrund eines niedrigeren Energieverbrauchs und eine effizientere Energienutzung. Zum Beispiel käme es zu einer Reduktion des Heizwärmebedarfes in Gebäuden um 40 %. Bei den Berechnungen wird dabei von der bestehenden Verpflichtung ausgegangen, dass Deutschland bis zum Jahre 2050 den Ausstoß an Treibhausgasen im Vergleich zum Jahre 1990 um 80 % zurückfahren würde.

Der Bericht aus den NYT enthält auch einen Kommentar des stellvertretenden Vorsitzenden des konkurrierenden Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Prof. Manfred Fischedick, dass es um ein außerordentliches Beispiel dessen gehe, wie erneuerbare Energiesysteme in Zukunft aussehen würden. Er betonte, dass das angeführte Modell viel komplexer und detailierter sei, als andere. Fügen wir hinzu, dass das Wuppertaler Institut auch tschechische Umweltinitiativen bei der Erstellung ihres alternativen Energiekonzeptes "Chytrá energie" ("Kluge Energie") unterstützt hat.

Der Schluss, zu dem die deutschen Professoren kamen, lautet also, dass es gehe und dass es billiger sein würde. Unsere staatliche Energiekonzeption allerdings geht davon aus, dass es nicht gehe und teurer wäre.

Sie haben ein Modell, wir haben alte Schätzungen und unrealistische Ziele. Das ist wirklich ein interessantes Duell.

siehe auch: http://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen-pdf-dateien/studien-und-konzeptpapiere/studie-100-erneuerbare-energien-in-deutschland.pdf
und http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1364032113006710


Original Tschechisch erschienen unter "Lepší je draho a zbytečně" am 27.12.2014 im Internetmedium

http://vasevec.parlamentnilisty.cz (http://vasevec.parlamentnilisty.cz/ekonomika/zbynek-fiala-lepsi-je-draho-zbytecne)
Übersetzung ins Deutsche: Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /