© Peter Korrak
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Parlament: EU-Unterausschuss bezieht für regionalen Bio-Landbau Stellung

Weiteres Thema: Mehr nationale Selbstbestimmungsrechte bei Gen-Saatgut in der Zielgeraden

Wien - Der italienische EU-Ratsvorsitz hat auf die ablehnende Haltung vieler EU-Mitgliedsländer zur geplanten Bio-Verordnung reagiert. In einem Kompromisstext des Rats wurden nun einige Änderungen am Entwurf der Europäischen Kommission vorgeschlagen. Demnach sei beispielsweise nicht mehr geplant, verpackte Bio-Lebensmittel im Einzelhandel mit zusätzlichen Kontrollen zu belegen, erläuterte heute im EU-Unterausschuss des Nationalrats Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser. Sie repräsentiert in ihrer Zuständigkeit für Lebensmittelsicherheit gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter Österreich bei den Ratsverhandlungen über die Vorlage der Kommission. Trotz der Adaptierungen im Verordnungstext sei der Kompromissvorschlag aber nicht gänzlich überzeugend, so Oberhauser. Durch die vielen Änderungen, die in eigenen Durchführungsrechtsakten noch näher definiert werden sollen, gestalte sich der Verordnungstext für die Betroffenen recht unbestimmt, so Rupprechter. Die Bio-Landwirtschaft erfordere auch im unionsrechtlichen Rahmen ein gewisses Maß an nationalen Vorgaben, um zu funktionieren.

Die Ausschussmitglieder sprachen sich genauso dafür aus, den Verordnungsvorschlag für einheitliche Bio-Vorgaben in der EU mit Vorbehalt zu betrachten. In einer Mitteilung an die EU-Kommission hielten SPÖ, ÖVP, Grüne, Team Stronach und NEOS fest, dass neue rechtliche Rahmenbedingungen die Weiterentwicklung der Bio-Landwirtschaft fördern und nicht behindern dürfen. Besonders die Bedeutung regionaler Ausnahmeregelungen wird in dem Schreiben hervorgestrichen, um die biologische Produktion auch im Fall von Versorgungsengpässen etwa bei Saatgut nicht zu gefährden. In eine ähnliche Richtung ging ein Antrag auf Stellungnahme der Grünen, der jedoch keine Mehrheit im Ausschuss fand.

Weit positiver nahm der Ausschuss den Kommissionsplan auf, den EU-Mitgliedsländern mehr rechtliche Absicherung für ein Verbot von gentechnisch verändertem Saatgut in der Landwirtschaft zu geben. Letzte Nacht haben Vertreter von Rat und EU-Parlament im Trilog mit der Kommission schon vorab eine Einigung darüber erzielt. Geplant ist, die Richtlinie zum Anbau genetisch veränderter Organismen (GVO) dahingehend zu novellieren, dass die Mitgliedsstaaten rechtlich abgesichert selbst bestimmen können, ob GVO auf ihrem Staatsgebiet angebaut werden dürfen oder nicht. Auf deutliches Missfallen stieß bei den Grünen allerdings eine Regelung im Entwurf, wonach Gentechnik-Konzernen ein Zustimmungsrecht zu einer nationalen Entscheidung für gentechnikfreien Anbau eingeräumt wird. Die übrigen Fraktionen sehen darin zwar ebenfalls einen Schönheitsfehler, letztlich plädierten jedoch alle dafür, die Richtlinienänderung als Chance für eine gentechnikfreie Zukunft der Landwirtschaft zu nutzen und den entsprechenden Kommissionsplan auf parlamentarischer Ebene mitzutragen. Die Debatte über die geplante Richtlinienänderung wird kommendes Frühjahr im Plenum des Nationalrats fortgesetzt.

Skepsis über geplante Verordnung zu Produktion und Kennzeichnung von Bio-Lebensmitteln

Kern der EU-Verordnung zu Produktion und Kennzeichnung in der Bio-Landwirtschaft sind stringentere Vorgaben, wobei verschiedene Sonderregelungen und Ausnahmen wegfallen. Erreicht werden soll damit ein fairerer Wettbewerb zwischen den Erzeugern, außerdem will die Kommission das Vertrauen der KonsumentInnen in ökologisch produzierte Lebensmittel stärken. Um die Verhandlungen über den Kommissionsvorschlag voranzutreiben, schlug die italienische Ratspräsidentschaft Ende Oktober eine neue Struktur der Verordnung vor, in der einige der delegierten Rechtsakte in Durchführungsrechtsakte umgewandelt oder gestrichen wurden, informierte Gesundheitsministerin Oberhauser. Außerdem seien für verpackte Bio-Waren keine zusätzlichen Kontrollen mehr vorgesehen. Weiters findet sich im Kompromisstext nicht mehr das Verbot von Betrieben mit einer Mischung von biologischer und konventioneller Produktion und die rückwirkende Anerkennung der Umstellungszeit von Landwirtschaftsbetrieben auf Bio ist wieder möglich. Zum maximal zulässigen Rückstandswert für unerlaubte Substanzen in Nahrungsmitteln hat die Ratspräsidentschaft klargestellt, der Höchstwert beziehe sich nur auf Pestizide.

Die neue Bio-Verordnung müsse so praxistauglich wie die bisherige sein und dürfe die nationalen Selbstbestimmungsrechte nicht außer Acht lassen, begründeten die Abgeordneten Franz Eßl (V) und Erwin Preiner (S) das heutige Protestschreiben des Ausschuss, das bereits bei der letzten Ausschusssitzung angekündigt wurde (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1052). Für die kleinstrukturierte österreichische Landwirtschaft würde mit den neuen Vorgaben der Weiterbetrieb biologischer Produktion unverhältnismäßig erschwert, da die einheitlichen Bestimmungen nicht auf die unterschiedlichen geographischen und wirtschaftlichen Bedingungen im EU-Raum eingingen, so die Kritik. Eßls Hinweis, die Verordnung solle praktikabel für die Bäuerinnen und Bauern sein und den KonsumentInnen Sicherheit beim Einkaufen bieten, wurde von Preiner weitergesponnen:
Qualitätsstandards bei Bio-Lebensmittelns seien zwar nötig, doch dürften sie nicht mit überbordender Bürokratie einhergehen. Die beiden bezogen sich dabei unter anderem auf das Kontrollverfahren für ökologisch produzierte Nahrungsmittel, das - so die Forderung in der Ausschussmitteilung - in der jetzigen zweistufigen Form beibehalten werden sollte, wobei Risikobereiche stärker in den Fokus zu rücken seien. Generell wären Produktions- wie Kontrollvorgaben in die Verordnung selbst eizufügen und dürften nicht erst in späteren Rechtsakten der Kommission aufscheinen. Die Mitteilung hält außerdem noch fest, nationale Spielräume bei den Produktionsvorschriften seien nötig, um Zwischenfällen wie Versorgungsengpässen oder Katastrophen angemessen zu begegnen und die Kennzeichnung müsse zu erkennen geben, ob eine Ware aus der EU stammt oder nicht. Da gewisse Rückstände unzulässiger Stoffe in ökologischen Produkten bei den eng aneinandergrenzenden Agrarflächen Österreich kaum vermeidbar seien, dürfe es hier kein gänzliches Verbot geben.

Die Grünen zeigten sich einverstanden mit diesen Forderungen, gingen mit einem eigenen Antrag auf Stellungnahme aber noch einen Schritt weiter. So lehnen Wolfgang Pirklhuber und Christiane Brunner zwar spezielle Grenzwerte von Rückständen nicht biologischer Stoffe in Bio-Lebensmitteln ebenfalls ab, sie sehen jedoch EU-weit harmonisierte Sanktionen bei kontaminierten Bio-Produkten angebracht. Überdies plädieren sie, dass beim Wegfall von Ausnahme- und Sonderregelungen dieser schrittweise, realistisch und differenziert zu erfolgen hat.

Außerordentlich begrüßten die MinisterInnen Sabine Oberhauser und Andrä Rupprechter die Haltung des Ausschusses. Rupprechter wertete konkret die Ausschussmitteilung als weiteres wichtiges Element im gemeinsamen Vorgehen Österreichs gegen überschießende Bio-Regelungen. Immerhin würden auch die Ressorts für Gesundheit und für Landwirtschaft gemeinsam mit heimischen Interessensvertretungen auf einer Linie dagegen mobil machen. 20 Prozent der österreichischen Agrarfläche würden biologisch bewirtschaftet, das große Entwicklungspotential dieses Bereichs solle nicht eingeschränkt werden, hielt er fest. Oberhauser erwartet, dass die erste Lesung des Entwurfs im Europaparlament, angesetzt für April 2015, die Ausrichtung der Verordnung maßgeblich beeinflussen wird. Dem Antrag auf Mitteilung stimmten im Ausschuss alle Fraktionen bis auf die FPÖ zu.

"Nein" zu genetisch verändertem Saatgut wird rechtlich legitimiert

Österreichs Auftreten gegen gentechnisch verändertes Saatgut habe in der EU-Wirkung gezeigt, verkündete Gesundheitsministerin Oberhauser dem Ausschuss zufrieden und verdeutlichte: Hierzulande werde es auch in Zukunft keinen Gen-Mais geben. Diese Schlussfolgerung zog die Ministerin aus dem gestrigen Trilog über die Änderung der Richtlinie zum Anbau genetisch veränderter Organismen (GVO). Dort seien VertreterInnen von Rat und Parlament übereins gekommen, den Mitgliedsländern mehr Rechtssicherheit bei einem nationalen Verbot von GVO in der Landwirtschaft zu geben. Wenn auch Elisabeth Grossmann (S) darauf hinwies, dass der eigentliche Ratsbeschluss darüber noch nicht gefallen ist, zeigte sie sich wie die anderen Ausschussmitglieder zuversichtlich über den EU-weiten Erfolg für ein Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedsländer bei der Entscheidung für oder gegen Gentechnik.

Ihren Ursprung nahm die EU-Initiative zur Stärkung der nationalen Entscheidungskompetenz bei der Nutzung genetisch veränderter Organismen in Forderungen einiger Mitgliedsländer, gemäß Subsidiaritätsprinzip der lokalen Landwirtschaft mehr Flexibilität in der Bodenbewirtschaftung zuzugestehen. Derzeit müssen EU-Mitgliedsländer für ein Verbot von GVO auf ihrem Gebiet aufzeigen, dass das Saatgut Schäden für Mensch und Umwelt verursacht. Durch die neue Richtlinie können auch andere Gründe wie nationale Besonderheiten angeführt werden. Das gemeinsame Zulassungsverfahren mit Risikoprüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) beeinträchtige die neue Herangehensweise aber nicht, versichert die Kommission. Zukünftig sollen Genehmigungen in einem zweistufigen Modell ablaufen. Demnach können Firmen einen Antrag auf Zulassung von Saatgut für ganz Europa stellen und die EU-Kommission verhandelt mit dem Konzern über Ausnahmen für einzelne Länder. Stimmt das Unternehmen nicht zu, kann in einem zweiten Verfahren erneut von einem Mitgliedstaat eine Ausnahme beantragt werden.

Die Einbindung von Konzernen in den Entscheidungsprozess kritisierte aber Wolfgang Pirklhuber (G) vehement. Risikoforschung und die Meinung der Bevölkerung sollten für ein Verbot ausreichen, auf dass ein AMA-Gütesiegel eine Ware jedenfalls als GVO-frei ausweise. Wie Michael Ehmann (S), der sich eine gentechikfreie Landwirtschaft in der ganzen EU wünschte, sagte Pirklhuber, es seien nach dem sich abzeichnenden Teilerfolg noch weitere Maßnahmen nötig. Konkret forderte er vom Minister mehr Unterstützung für die Risikoforschung auf diesem Gebiet ein, denn immer noch könne man die erste Stufe der Zulassung nur mit Umweltargumenten blockieren. Zustimmend äußerten sich dazu Rouven Ertlschweiger (T), Erwin Preiner (S) und Michael Pock (N), wobei der NEOS-Mandatar eine klarere Kennzeichnung von Futtermitteln einmahnte, damit nicht über den Weltmarkt genetisch veränderte Bestandteile im heimischen Tierfutter auftauchen. Immerhin gebe es Initiativen wie das Donausoja-Projekt, in dem länderübergreifend gentechnikfreies Futtersoja produziert wird, replizierte Bundesminister Rupprechter zur Frage der Futtermittel. Hinsichtlich der Zulassungsvorschriften für Saatgut räumte er allerdings ein, hier bedürfe der aktuelle Entwurf noch einer Überarbeitung durch die neue EU-Kommission. ÖVP-Mandatar Georg Strasser brach schließlich eine Lanze für die hohe Qualität heimischer Produkte, sowohl aus ökologischer als auch aus konventioneller Landwirtschaft.

Quelle: Parlamentskorrespondenz


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /