© ecovent / Kleinwindrad
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Das Gebäude als Kraftwerk

FH Technikum Wien forscht an urbanen Kleinwindenergieanlagen zur innovativen Stromerzeugung in Großstädten

Ab Herbst 2014 angewandte Forschung an Windrädern über den Dächern Wiens - Energieforschungspark für Kleinwindenergieanlagen (KWEA) in Lichtenegg (NÖ) eingerichtet - Neu: Im "Hybrid Energy Labor" unterzieht die FH Smart Grids dem Realitätscheck - Studienschwerpunkt "Building Energy Design": EU-Richtlinie für energieneutrale Gebäude fordert neue Berufsbilder

Die Stromversorgung von Großstädten braucht neue, nachhaltige Lösungen: Die FH Technikum Wien, Österreichs größte rein technische Fachhochschule, ist seit mehreren Jahren federführend in der Forschung an Kleinwindenergieanlagen im urbanen Raum. "Die globale Energieversorgung wird in Zukunft zu einem großen Teil von Windkraft und Solarenergie getragen. Gleichzeitig schreitet der Megatrend Urbanisierung immer schneller voran. Die FH Technikum Wien legt daher einen Ausbildungs- und Forschungsschwerpunkt auf die Zukunft von nachhaltiger Energieversorgung im urbanen Raum", so FH-Prof. Hubert Fechner, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie.

Die Forschung der FH zu diesen Themen findet anwendungsorientiert am freien Feld statt. Zum einen wurde ein Testpark für Klein-Windkraftanlagen in Lichtenegg-Pesendorf (NÖ) eingerichtet, in dem derzeit zehn verschiedene Bautypen von Windrädern auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft werden. Zum anderen startete im September 2014 ein gemeinsames Forschungsprojekt der FH Technikum Wien, der Universität für Bodenkultur Wien und des Austrian Institute of Technology (AIT) mit dem Ziel, den Einsatz von Kleinwindenergieanlagen (KWEA in der Stadt zu evaluieren und auf dieser Basis ein Standort-Bewertungsschema für die Errichtung von KWEA im urbanen Raum zu entwickeln.

Weitere Herausforderungen für die Energieversorgung im urbanen Raum werden die Integration von Photovoltaik in Gebäuden, die Speicherung von erneuerbaren Energien und nicht zuletzt die sinnvolle Einspeisung von Energie in intelligente Stromnetze sein, meint Fechner.

Hart am Wind: Kleinwindräder im Praxistest

Im Energieforschungspark Lichtenegg-Pesendorf in Niederösterreich testet die FH Kleinwindenergieanlagen in der Praxis. "Das Ziel ist, Qualität, Leistung und Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen zu prüfen und markttaugliche Produkte zu entwickeln", so Fechner. "Neben dem Jahresertrag werden auch Schall und Windgeschwindigkeit gemessen. Mitte Juni 2014 gründeten die FH Technikum Wien, die EVN, die Energiewerkstatt OÖ und Solvento energy consulting gmbh zu diesem Zweck eine Arbeitsgemeinschaft, die unabhängige Prüfverfahren anbietet.

Die kleinsten, leistungsfähigsten Windräder erzeugen bei guten Windverhältnissen bereits 300 Watt Strom. Der Rotordurchmesser beträgt nur knapp über einen Meter, die Höhe des Windrads 10 bis 25 Meter. "Die Forschung an Kleinwindrädern steckt noch in den Kinderschuhen. Kleinwindenergieanlagen werden aber für Haushalte und landwirtschaftliche Betriebe von steigendem Interesse sein", prognostiziert Fechner.

Frischer Wind für die urbane Energieversorgung

Auch für die nachhaltige Energieversorgung in Städten wird an Kleinwindrädern geforscht. "Die FH hat hier bereits mehrere Jahre Erfahrung mit urbanen Kleinwindenergieanlagen. Vor kurzem haben wir eine Forschungskooperation zu diesem Thema gestartet. Geplant sind zwei Kleinwindräder auf Wiener Gebäuden", so Fechner. "Die Herausforderung für den Betrieb von Kleinwindenergieanlagen mitten in der Stadt wird nicht nur die Sicherheit, sondern auch Vibration, Schattenwurf und Eisabwurf im Winter sein." Gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien und dem AIT werden unter anderem planungs- und sicherheitstechnische Aspekte für die Anwendung von KWEA im urbanen Raum untersucht sowie die Auswirkungen von turbulenten Strömungsbedingungen ermittelt.

Kleinwindenergieanlagen, die sich für den Einsatz auf Gebäuden in urbanen Gebieten eignen, sind etwa fünf bis sechs Meter hoch und haben eine Rotorspannweite von bis zu fünf Metern. "In dieser Größe können bei guten Windverhältnissen etwa 5.500 Watt Strom erzeugt werden", ist Fechner zuversichtlich.

Hybrid Energy Labor: Simulation von intelligenten Stromnetzen

Die große Herausforderung von erneuerbaren Energien ist die Schwankung in der Verfügbarkeit: Scheint die Sonne oder weht kräftig Wind, ist ausreichend Strom vorhanden? Was tun, wenn zu viel Strom vorhanden ist bzw. wie lässt sich Strom speichern? Die FH Technikum Wien baut derzeit ein über 150 Quadratmeter großes "Hybrid Energy Labor" im Energy Base Vienna auf, um Smart Grids einem Realitätstest zu unterziehen. "Wir prüfen, wie ein Stromnetz der Zukunft funktionieren kann. Wie arbeiten Server, Datenmanagement, Stromeinspeisung, Verbrauch und Batterien zusammen?", erläutert Fechner. "Solange die längerfristige Speicherung von Strom wirtschaftlich nicht zu bewältigen ist, müssen intelligente Stromnetze die Verteilung verwalten können." Das Labor soll vor allem als Übungsprojekt in der Aus- und Weiterbildung dienen, aber auch Stromnetzbetreibern als Testplattform zur Verfügung stehen.

Photovoltaik: weltweite Forschungsarbeiten

Der Energiesektor, an dem derzeit weltweit am intensivsten geforscht wird, ist die Photovoltaik (PV). Fechner ist als stellvertretender Leiter der Internationalen Energieagentur in die weltweiten Forschungsaktivitäten rund um Sonnenenergie eingebunden: "Die Prognosen werden laufend angepasst: Zurzeit geht man davon aus, dass bereits 2050 rund 16 Prozent des weltweiten Strombedarfs durch Photovoltaik gedeckt werden kann. Momentan entwickelt sich die Technologie zwar nur langsam weiter, aber es wird weltweit an unzähligen neuen Materialien geforscht, die die Leistung und Wirtschaftlichkeit von Photovoltaikanlagen weiter steigern sollen. An der FH Technikum Wien forschen wir derzeit an Technologien zum Solaren Kühlen mittels PV und der Integration von PV in Gebäude."

Studienschwerpunkt "Building Energy Design"

Gebäude als Kraftwerke werden spätestens ab 2020 - also bereits in sechs Jahren - mehr als ein leeres Schlagwort sein: Eine EU-weite Richtlinie sieht vor, dass jedes neue oder neu renovierte Gebäude im Jahresschnitt nicht mehr Energie verbrauchen darf, als es selbst erzeugt. Bauunternehmen und Architekten müssen sich also verstärkt mit Energietechnologien auseinandersetzen. "Aus diesem Grund haben wir bereits im Vorjahr einen neuen Ausbildungsschwerpunkt im Bachelor-Studiengang Urbane Erneuerbare Energien gesetzt. Mit 'Building Energy Design' bilden wir pro Jahr rund 30 Studierende im Bereich energietechnische Gebäudeausrüstung aus. Dieser Ausbildungsschwerpunkt schließt die Lücke zwischen Bauingenieur und Energietechniker. Die Beschäftigungsmöglichkeiten sind enorm."

Hubert Fechner ist Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie und des Master-Studiengangs Erneuerbare Urbane Energiesysteme an der FH Technikum Wien. Er berät das BMVIT seit über zehn Jahren im Bereich dezentrale Energieversorgung, Smart Grids und erneuerbare Energien. Fechner ist zudem stellvertretender Leiter des Photovoltaik Programmes IEA-PVPS der Internationalen Energieagentur mit Mitgliedern aus 25 Ländern der Welt. Unter anderem hat er auch die Technologieplattform Photovoltaik Österreich ins Leben gerufen.

Forschung an der FH Technikum Wien

Die Fachhochschule Technikum Wien betreibt derzeit Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 3,3 Millionen Euro. Fördermittel machen derzeit über 65 % vom Gesamtvolumen aus. Das Forschungsvolumen hat sich in den vergangenen fünf Jahren zwischen 2008/09 und 2011/12 von 1,7 auf 3,3 Millionen Euro fast verdoppelt. Gemessen an der jährlichen Umsatzentwicklung gehört die FH Technikum Wien im Bereich F&E zu den Top 5 der österreichischen Fachhochschulen. Die geförderten Forschungsaktivitäten der FH Technikum Wien konzentrieren sich verstärkt auf die vier Schwerpunkte eHealth, Embedded Systems, Erneuerbare Energie und Tissue Engineering. Am Institut für Institut für Erneuerbare Energie laufen derzeit 15 Forschungsprojekte.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /