©  MGBL/APA-Fotoservice/Schedl - PV-Anlage am Dach der FF
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Das Potenzial der Energiewende ist groß- Energieversorger müssen es nutzen

E-Wirtschaft fordert neuen Kurs für Klima- und Energiepolitik- GLOBAL 2000, Greenpeace und WWF fordern Lösungen im Zuge des Branchen-Treffens der österreichischen Elektrizitätswirtschaft

Einen neuen Kurs für Energie- und Klimapolitik, aber auch für die E-Wirtschaft forderte Wolfgang Anzengruber, Präsident von Oesterreichs Energie, zum Auftakt des Branchenkongresses der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft in Graz. Anzengruber: "Es ist Zeit, die politischen Dauerkonflikte zu beenden und Zukunftsfragen aktiv zu lösen, statt Probleme auf die lange Bank zu schieben." Ausgehend vom Ergebnis eines Szenarienprozesses der E-Wirtschaft präsentierte Anzengruber 12 Punkte für die Energiezukunft, die dringend umzusetzen sind und die sich gleichermaßen an Gesellschaft, Politik und Branche richten.

Die aktuelle schwierige Lage der E-Wirtschaft sieht Oesterreichs Energie als Folge von Maßnahmen, die man zwar der Umwelt zuliebe ergriffen habe, die aber jetzt der Umwelt, der E-Wirtschaft und in Summe dem gesamten Wirtschaftsstandort Nachteile bringen. Anzengruber: "Allein der Einbruch der Strompreise an den Großhandelsmärkten und der Anstieg der Stromimporte entzieht der österreichischen E-Wirtschaft Mittel im Ausmaß von rund zwei Milliarden Euro, ohne dass die Stromkunden davon wesentliche Vorteile haben." Diese Mittel fehlen für Investitionen und Zukunftsprojekte. Die Ökostromzuschläge in Österreich sind inzwischen gleich hoch wie das Budget des Umwelt-Ressorts. Zusätzlich werden die Ökostrom-Förderungen nicht optimal eingesetzt.

Unter Mitwirkung von Experten aus den Mitgliedsunternehmen hat Oesterreichs Energie einen umfangreichen Szenarienprozess gestartet. Ziel dieses Prozesses ist es, so Generalsekretärin Barbara Schmidt, Klarheit über mögliche künftige Entwicklungen im Energiesektor zu gewinnen und Erfolgsstrategien für Österreichs E-Wirtschaft zu identifizieren. Schmidt: "Die bereits im Vorjahr vorgestellten vier Szenarien wurden 2014 in Zusammenarbeit mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft und Interessenvertretungen diskutiert und bewertet. Wir haben 190 Chancen und Risiken identifiziert und Strategievorschläge und Handlungsempfehlungen formuliert." Weil sich zeigt, dass es in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Branche kein gemeinsames Bild darüber gibt, wo wir bei der Stromversorgung stehen und wie die Energiewende weitergehen soll, bleibt die Organisation der Energiezukunft auf Dauer im Konfliktfeld zwischen Ökologie, Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsrecht sowie nationalem und Gemeinschaftsrecht der EU gefangen, so Schmidt. Ein Optimum für den europäischen Strombinnenmarkt und die europäische Energieversorgung wird damit nicht erreicht.

Für die E-Wirtschaft blieben aus Sicht Anzengrubers drei grundlegende Strategiethemen: Die eigenen Stärken stärken und mit Innovationen und neuen Angeboten neue Geschäftsfelder aufzubauen. Anzengruber: "Wir dürfen uns nicht scheuen, angestammte Geschäftsfelder und lieb gewonnene Traditionen aufzugeben oder selbst umzubauen, bevor uns andere zuvorkommen. Zudem müssen wir Partner in vielen Bereichen suchen und finden." Gemeinsam müssen wir kämpfen, dass das Europa des Stroms erhalten und gestärkt wird, denn nationale Alleingänge wären das Schlechteste. Oesterreichs Energie sei daher für ambitionierte und zugleich realistische europäische Klima- und Energieziele und eine Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent. Es gebe war einen harten Wettbewerb, auch untereinander, aber auch gemeinsame Interessen, die zwölf Punkte sollen eine Leitlinie für die Zukunft bilden."

Energie Steiermark: Dienstleistungen in den Fokus

"Wir in der Energie Steiermark verabschieden uns von der ausschließlichen Positionierung des Energieversorgers und stellen uns als modernes Dienstleistungsunternehmen auf; eines, das partnerschaftlich handelt und fair agiert", erklärte Christian Purrer, Vorstandssprecher der Energie Steiermark als Repräsentant des Gastlandes des diesjährigen Kongresses. Das derzeitige Standardgeschäft, 600.000 Kunden mit Strom, Erdgas und Fernwärme zu beliefern, werde nicht das Geschäftsmodell der Zukunft sein, welches Wachstum und Werthaltigkeit garantiere. Die Energiewende und ein völlig verändertes Kundenverhalten werden von einer technologischen Neuausrichtung des Strom-, Wärme- und Gasmarktes begleitet, ist sich Purrer sicher: "Nie zuvor war das Thema Energieeffizienz präsenter, der Umgang mit den Ressourcen dieser Erde sensibler und der Wunsch nach Unabhängigkeit größer. An die Stelle früherer "Abnehmer" sind heute stolze Energieproduzenten getreten, die innovativ und individuell handeln."

Der weiß-grüne Landes-Energiekonzern definiert sich nicht allein über die Rolle als wirtschaftliches Leitunternehmen der Steiermark, sondern zunehmend über die Wahrnehmung ökologischer und gesellschaftlicher Verantwortung. Es gilt fair gegenüber Mensch und Umwelt zu handeln. Sowohl das Land Steiermark als auch die EDF International S.A. seien interessiert, dass wir in der Steiermark eine ganz klare Vorreiterrolle einnehmen. Vor allem in Sachen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz liegt ein besonderes Augenmerk selbstverständlich immer auf der Kongruenz mit den Energie- und Klimazielen des Landes Steiermark. Purrer: "Deswegen sehen wir uns auch als offiziellen Partner einer grünen Welt."


12 Punkte für die Energiezukunft

1. Die Struktur der Stromerzeugung wandelt sich von den traditionellen und gut planbaren Technologien hin in Richtung des stark fluktuierenden Einsatzes von Fotovoltaik und Wind. Damit wird die Erzeugung nicht besser, sondern deutlich schlechter prognostizierbar. Die E-Wirtschaft darf sich hier nicht aufs Abstellgleis drängen lassen, sondern muss Vorreiter der Entwicklung flexible Lösungen werden.
2. Das wachsende und schlecht prognostizierbare Angebot an Strom aus Ökoenergie erfordert stärkere Netze und erhöht in einigen Jahren die Chancen der Wasserkraft und der Pumpspeicher. Wir brauchen ein massives Investitionsprogramm in neue Erzeugungskapazitäten, Pumpspeicher- und Netze, sehen aber derzeit keine Marktchancen für die Finanzierung. Hier müssen langfristige Lösungen gefunden werden, die für ganz Österreich Vorteile bringen würden.
3. Umweltziele müssen auch in Zukunft auf einem realistischen Niveau bleiben, das die Energiewirtschaft und der Industriestandort vertragen können. Hier gilt es die Politik zu überzeugen.
4. Wir setzen uns für einen massiven Ausbau der Stromnetze ein, denn er ist die Grundlage für Energieeffizienz, CO2-Reduktion und andere energiepolitische Ziele.
5. Die Regulierung muss wieder auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Wir setzen uns dafür ein, mit neuen Finanzierungsmodellen für den regulierten Bereich kommende Entwicklungen und soziale Schieflagen zu verhindern. Die Netze brauchen zudem wieder "Luft zum Atmen" statt ein immer engeres Korsett von Zwangsmaßnahmen.
6. Produktion und Vertrieb müssen enger gekoppelt werden, Regulierung in diesen Bereichen lehnen wir ab.
7. Die grenzüberschreitenden Übertragungsnetze müssen gestärkt werden. Österreich ist keine autarke Insel und darf auch keine werden.
8. Österreich muss bei der Smart-Meter-Einführung sinnvolle Regelungen finden.
9. Statt ständig Musterschüler spielen zu wollen, muss Österreich stärker als bisher auf seine Wettbewerbsfähigkeit und die Leistungsfähigkeit der Energieversorgung achten. Daher - keine weitere Belastung der E-Wirtschaft bevor der Strombinnenmarkt vollendet ist.
10. Im Zentrum der Überlegungen bei der Gestaltung neuer Geschäftsmodelle der Branche stehen die neuen Kunden. Maßgeschneiderte Produkte, Energiedienstleistungen und Services sind unter Nutzung der Mittel, welche die digitalen Möglichkeiten eröffnen, rasch zu implementieren.
11. Qualität ist Trumpf. Künftig werden jene Energieunternehmen Vorteile haben, welche die Qualität ihrer Dienstleistungen immer weiter verbessern und den Kunden helfen, Energieeffizienz bewusst anzustreben und zu nutzen.
12. Mehr Tempo beim Umbau. Viele Zukunftssysteme sind schon vorhanden. Wir sollten unter den ersten sein, die sie auf den Markt bringen.

Konsequente Energiewende ist ein Muss

Anlässlich des Kongresses fordern die Umweltschutzorganisationen GLOBAL 2000, Greenpeace und WWF Österreich die Energieversorgungsunternehmen (EVU) auf, die wirtschaftlichen und ökologischen Potenziale der Energiewende für sich und ihre Kunden zu nutzen. Immer noch bremsen einige große Energiekonzerne die konsequente Umsetzung der Energiewende in Österreich und Europa.

"Gerade jene Konzerne, die es bislang verabsäumt haben, auf ein Energiesystem umzusteigen das auf erneuerbaren Energiequellen basiert, sind jetzt mit massiven Gewinneinbrüchen konfrontiert. Deshalb versuchen sie an allen Fronten die Energiewende zu torpedieren", kritisieren die Umweltschutzorganisationen. Beispielsweise haben auch österreichische Konzerne wie der Verbund mit seinen Investments in fossile Kraftwerke in Frankreich oder der Türkei oder die EVN mit der Beteiligung an einem Steinkohlekraftwerk in Deutschland übermäßig in fossile Kraftwerke investiert und dabei durch diesen strategischen Fehler finanziellen Schaden genommen. Kritisiert werden jedoch die Förderungen für erneuerbare Energie. "Es braucht beim Branchentreffen der E-Wirtschaft deshalb jetzt ein klares Bekenntnis zur Energiewende und zum Ausstieg aus fossiler Energieerzeugung. Wir können es uns nicht länger leisten den Umstieg auf Erneuerbare auf die lange Bank zu schieben, sondern müssen jetzt die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas durch saubere Energieformen ersetzen", so GLOBAL 2000, Greenpeace und WWF unisono.

Ambitionierte EU-2030-Klima- und Energieziele und Kohleausstieg in Österreich gefordert

"Die aktuelle europäische Debatte um die Klima- und Energieziele bis 2030 ist richtungsentscheidend für die zukünftige Versorgung Europas mit erneuerbarer Energie", so Julia Kerschbaumsteiner, Klima- und Energiesprecherin bei Greenpeace. "Die Bevölkerung will sichere und saubere Energie, und die steigende Zahl österreichischer Unternehmen, die diese anbieten, bestätigen diesen Trend. Wer hierhinterher hinkt, wird klar zum Verlierer der Energiewende", so die Greenpeace-Sprecherin. Laut Kerschbaumsteiner ist die Forderung von Oesterreichs Energie nach einer Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2030 zwar ein notwendiger erster Schritt, allerdings für die Bekämpfung des Klimawandels nicht ausreichend ambitioniert.

Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 verweist darauf, dass laut einer Umfrage von Erneuerbare Energie Österreich 79 Prozent der ÖsterreicherInnen eine rasche Umsetzung der Energiewende wollen. Für GLOBAL 2000 braucht es daher neben Reformen der EU-Klimapolitik auch ein Umdenken in den Zentralen der Energiekonzerne: "Das Branchentreffen sollte genutzt werden um über Abschaltpläne von Kohlekraftwerken in Österreich zu diskutieren. Für Verbund-CEO Wolfgang Anzengruber ist das auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, immerhin wirbt der Konzern mit sauberer Energie", so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000. So läuft etwa das Kohlekraftwerk Mellach in der Steiermark immer noch ohne Abschaltplan. Dort werden durchschnittlich pro Jahr 440.000 Tonnen Kohle verbrannt und 1,1 Mio. Tonnen CO2 emittiert.

Wasserkraft naturverträglich nutzen

Ausreichend Potenzial sieht der WWF auch in der ökologisch verträglichen Nutzung der Wasserkraft. So können nach Studien des WWF noch substanzielle Steigerungen in der Produktion realisiert werden ohne die letzten intakten Flüsse zu beeinträchtigen. Allerdings behindern gerade die Energieversorger selber oftmals die rasche Umsetzung von realistischen Projekten der Energiewende, weil sie sehr oft an alten Prestigeprojekten, die unökologisch und sozial nicht verträglich sind, festhalten. "Unrühmliche Beispiele hierfür sind das TIWAG-Vorhaben Kaunertal sowie die Projekte an der Isel oder an der Ybbs", erklärt Christoph Walder, Wasserkraftsprecher des WWF. Die Elektrizitätswirtschaft sollte die Chance dieses Kongresses nutzen und sich klar zu Nachhaltigkeitskriterien bekennen, die die Verbauung der letzten intakten Flüsse Österreichs verbindlich ausschließt. "Es ist absurd, dass Spitzenvertreter der Elektrizitätswirtschaft die erneuerbaren Energien permanent attackieren statt für höhere CO2-Preise zu kämpfen, Dienstleistungen anzubieten die zum Stromsparen führen und sich für konsequente langfristige Energieziele einzusetzen, die Investitionssicherheit bieten", so Walder.

Gemeinsam fordern die Umweltschutzorganisatione, dass die EVUs das Branchen-Treffen nutzen, um zukunftsfähige Szenarien für den Umstieg auf Erneuerbare zu entwickeln.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /