© Jörg Möller / pixabay.com / Innsbruck
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EU-Projekt Sinfonia am Start

Innsbruck und Bozen werden im größten Smart City-Projekt Österreichs mit Energieeffizienz-Investitionen in Millionenhöhe zukunftsfit und zu europäischen Vorbildern.

Know-how aus Innsbruck und Bozen für Europa

Weltweiten Schätzungen zufolge stehen zwei Drittel der Endenergienachfrage mit dem Verbrauch in Städten in Verbindung und bis zu 70% der CO2-Emissionen werden in Städten produziert. Wollen Europas Städte attraktiver Lebens- und Wirtschaftsraum bleiben, müssen sie energieeffizienter werden und dabei in eine Vielzahl bestehender Strukturen eingreifen. Tiroler und Südtiroler Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft nehmen sich dieser komplexen Herausforderung mit internationalen Partnern ab sofort im EU-Projekt Sinfonia an: Gemeinsam entwickeln sie technisch anspruchsvolle und auf andere urbane Regionen übertragbare Maßnahmen zur hochwertigen Gebäudesanierung sowie zur Umsetzung intelligent vernetzter Strom-, Kälte- und Wärmenetze mit einem hohen Anteil an Energie aus erneuerbaren Quellen. In ausgewählten Stadtteilen von Innsbruck und Bozen sollen der Energiebedarf um 40-50% gesenkt und der Anteil regenerativer Quellen in der Strom- und Wärmeversorgung um 30% gestärkt werden. Der CO2-Ausstoß soll um 20% gesenkt werden. In Innsbruck ist es der Osten der Stadt, der zum sogenannten "Smart District" wird. Maßnahmen, die dort wirken, werden im Anschluss für fünf weitere europäische Städte -Rosenheim (D), La Rochelle (F), Sevilla (ES), Paphos (CY) und Boras (SE) als sogenannte Early Adopter Cities - adaptiert und zur Umsetzung vorbereitet. Weitere neun europäische Städte (Cluster Cities) zeigen an den Ergebnissen aus Innsbruck und Bozen bereits heute Interesse. Innsbruck und Bozen werten Sinfonia damit als echtes Leuchtturmprojekt, das Innsbruck und Tirol neben Wertschöpfung, Wissen und Lebensqualität viel internationale Sichtbarkeit zur Zukunftsfrage Energie bringen wird.

EU fördert Maßnahmen im Gesamtwert von 43 Millionen Euro

Sinfonia ist ein Projekt, das über 30 Partner aus acht europäischen Ländern in der Förderlinie "Smart Cities & Communities" des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms eingereicht haben. Von diesen Partnern kommen 13 aus Tirol und weitere acht aus Südtirol. Projektkoordinator ist das SP Technical Research Institute of Sweden. Im Vorjahr ist das Konsortium von der Europäischen Kommission zu Vertragsverhandlungen eingeladen worden, jetzt ist der Fördervertrag unterzeichnet, die Arbeiten beginnen. Zur Förderung durch die EU haben die Partner im Rahmen von Sinfonia Arbeiten und Maßnahmen im Wert von insgesamt 43,1 Millionen Euro eingereicht, die EU stellt dafür Fördermittel in Höhe von insgesamt 27,5 Millionen Euro zur Verfügung. Im Innsbrucker Osten werden im Rahmen des Projektes insgesamt 21,4 Millionen Euro investiert, von welchen die EU rund 12,2 Millionen Euro aufwendet. Bezogen auf die Gesamtfördersumme von 27,5 Millionen Euro ist Sinfonia das bisher größte EU-Projekt aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm (FP7) im Bereich Energie, das nach Tirol geholt werden konnte. Zudem ist es das größte FP7-Projekt aus dem Programm Smart Cities, das in Österreich umgesetzt wird. Insgesamt wird Sinfonia bis zu 125 Mio. Euro an Investitionen für ein energieeffizientes Innsbruck auslösen.

Tiroler Partner im Überblick

Welche Ideen zur Nutzung von mehr erneuerbaren Energien oder zur Erhöhung der Energieeffizienz lassen sich technisch umsetzen? Machen sie auch wirtschaftlich Sinn? Welche Rolle spielt das Verhalten der Kunden von Strom, Wärme und Kälte für den Erfolg von neuen Maßnahmen? Und welche in Tirol erprobten Instrumente wirken auch in europäischen Städten anderer Klimazonen? Zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen arbeiten am Standort Tirol die folgenden Partner eng zusammen: Stadt Innsbruck, IKB AG, Neue Heimat Tirol, Innsbrucker Immobilien GmbH & Co KG, Universität Innsbruck, Passivhausinstitut Innsbruck, Liebherr Hausgeräte und TIGAS sowie die angeschlossenen Partner ATB Becker, e3 Consult GmbH, alpS und TIWAG. Die Koordination der Zusammenarbeit der Partner übernimmt die Standortagentur Tirol als sogenannter District Leader. Der Cluster Erneuerbare Energien Tirol hat das Projekt initiiert und begleitet es in enger Zusammenarbeit mit der europäischen Förderberatung in der Standortagentur Tirol.

Gebäude: Richtung Zero Energy mit umfassendem Monitoring

Mehr als tausend Wohnungen werden in Innsbruck und Bozen im Rahmen von Sinfonia saniert. In Innsbruck trimmen die Neue Heimat Tirol und die Innsbrucker Immobilien Gesellschaft IIG insgesamt bis zu 66.000 m2 Wohnfläche auf Energieeffizienz. Der Heizwärmebedarf der Wohnungen soll auf durchschnittlich 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr gesenkt werden. Zum Teil wird er auch Passivhausniveau (< 15 kWh/m2*a) erreichen. Dazu werden unter anderem Fenster getauscht, Wärmeschutz über neuartige, vorgefertigte Dämmfassaden erzielt, Photovoltaik, Solarthermielösungen und Wärmepumpen integriert sowie kontrollierte Wohnraumlüftungen eingebaut. Besondere Herausforderungen liegen für die gemeinnützigen Wohnbauträger unter anderem im Einbau von Komfortlüftungen ohne Eingriff in die bestehenden Wohnungsstrukturen, in der Sanierung von Altbauten mit Passivhauselementen nach dem sogenannten EnerPHit-Standard bzw. in der innovativen Sanierung denkmalgeschützter Objekte nach Kriterien des Bundesdenkmalamts. Ein breites Monitoring der Maßnahmen wird von der Universität Innsbruck vorgenommen. Dazu werden in 500 Wohnungen - 330 davon in Innsbruck - ein Jahr lang Temperatur, Luftfeuchte und CO2-Gehalt gemessen und zusätzlich der Stromverbrauch, getrennt nach Haustechnik und Haushaltsstrom, ausgewertet. So werden der genaue Erfolg verschiedener Maßnahmen vor dem Hintergrund des Verbrauchsverhaltens der BewohnerInnen ermittelt und die Grundlage für deren Übertragbarkeit in andere europäische Städte geschaffen.

Strom, Wärme, Kältenetze: Erneuerbar und intelligent

Mit intelligenten Strom-, Wärme und Kältelösungen tragen die IKB und die TIGAS zur nachhaltigen Entwicklung der Innsbrucker Energieversorgung bei. Zum Aufbau der innovativen Strom- und Wärmeversorgung werden zum Beispiel Photovoltaik mit Batteriespeicher, Kraft-Wärme-Kopplung, Solarthermie, Wärme- Kältespeicher, Wärmepumpen zur Nutzung lokaler Abwärmequellen oder Wärmeversorgung über Fernwärmenetze eingesetzt. Im Osten von Innsbruck wird die IKB ein intelligentes Stromnetz, ein sogenanntes "Smart Grid" aufbauen, um die im Rahmen von Sinfonia zu installierenden dezentralen Stromerzeugungsanlagen und Batterie-Speicher mit den Verbrauchern zu vernetzen. Durch eine intelligente Netzsteuerung lassen sich beispielsweise die schwankende Stromerzeugung von PV-Anlagen, der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, der Betrieb von Wärmepumpen und die Be- bzw. Entladung von Batteriespeichern optimal aufeinander abstimmen. In den Wohnungen sollen sogenannte Smart Meter, softwaregestützte Energiemanagementsysteme und innovative Haushaltsgeräte der Firma Liebherr dabei helfen, Stromproduktion und Verbrauch besser aufeinander abzustimmen.

Auch im Bereich der Wärme- und Kälteerzeugung und -verteilung setzt Sinfonia auf neue smarte Lösungen. Man plant Maßnahmen zur industriellen und gewerblichen Abwärmenutzung, beispielsweise aus den Abwasserkanälen, der Kläranlage oder den Tunnelwässern des Brennerbasistunnels, den Einsatz moderner Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen zur Wärme- und Stromproduktion oder die Vernetzung von dezentralen Wärmepumpen zur Produktion von Wärme- und Kälteenergie. Der Brennerbasistunnel stellt dabei eine ganz besondere Wärme-/Kältequelle dar: Es ist beabsichtigt, das im österreichischen Abschnitt des Brennerbasistunnels anfallende Bergwasser am Ausgang der Sillschlucht aus dem Tunnel auszuleiten und mittels Wärmepumpen für die Beheizung bzw. Kühlung von Wohn- und Geschäftsgebäuden thermisch zu nutzen. Nach heutigem Wissenstand geht man von einer Bergwassermenge von 200-300 l/s mit einer Temperatur von ca. 22GradC aus. Aus diesem Drainagewasser ließe sich theoretisch eine Leistung von ca. 10 Megawatt erzielen. Bei einer tatsächlichen Umsetzung könnten auf diesem Weg bis zu 20.000 Megawattstunden Wärme in die Sinfonia-Gebäude geliefert werden. Zusätzlich soll ein neuer Kataster die weiteren Potenziale zur Nutzung von Abwärme, beispielsweise aus Industriebetrieben oder Abwasser aus Haushalten insgesamt prüfen.

Erfolgsfaktor Beteiligung

Eine qualitativ hochwertige Umsetzung der geplanten Maßnahmen kann nur erzielt werden, wenn alle vom Projekt betroffenen und im Projekt beteiligten Partner bestmöglich zusammenarbeiten. Aus diesem Grund nehmen die Vernetzung und Kommunikation in Form von Öffentlichkeitsarbeit, Information und Bewusstseinsbildung lokaler, politischer und ökonomischer Entscheidungsträger sowie Betroffener und der Bevölkerung im Projekt eine wichtige Rolle ein und werden in einem eigenen Work-Package "WP6: Local Stakeholder Involvement, Evaluation & Follow up in Demo Cities" bearbeitet. Unter Leitung des alpS - Zentrum für Naturgefahren- und Risikomanagement der Universität Innsbruck, soll mit verschiedenen Maßnahmen unter anderem auch die lokale Akzeptanz der in Innsbruck und Bozen umgesetzten Demonstrationsmaßnahmen gesichert werden. Deshalb werden insbesondere auch Mieterinnen und Mieter der zur Sanierung vorgesehenen Gebäude in alle Prozesse miteingebunden. Basierend auf den Erfahrungen werden Vorschläge für einen erfolgreichen Beteiligungsprozess sowie dessen Herausforderungen aufbereitet und gemeinsam mit allen weiteren Ergebnissen an die Early Adopter Cities weitergereicht.


Das Projekt Sinfonia wird im Zuge des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Union für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration gefördert.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /