© Peter Korrak
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Oppositon äußert große Kritik an UVP-Novelle im Nationalrat

Gesetzentwurf wurde mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen

Wien – In Zukunft haben Beschwerden beim neuen Bundesverwaltungsgericht gegen die Genehmigung von Hochleistungsstrecken der Bahn keine aufschiebende Wirkung mehr, wenn das Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung bereits vor dem Jahr 2013 eingeleitet wurde. Das sieht eine von den Koalitionsparteien initiierte Gesetzesnovelle vor, die der Nationalrat gestern beschlossen hat. Damit wird eine bislang nur für Bundesstraßen geltende Übergangsregelung auf wichtige Bahnprojekte ausgeweitet. Die Opposition zeigte dafür kein Verständnis, nach ihrer Meinung werden mit den neuen Bestimmungen zuletzt erzielte Verbesserungen im Rechtsschutz wieder ausgehebelt.

Begründet wurde die Initiative von den Abgeordneten Andreas Ottenschläger (V) und Klaus Uwe Feichtinger (S) damit, dass man eine Gleichbehandlung von Straßenbau- und Schienenprojekten gewährleisten wolle. Schließlich sei eine Attraktivierung der Bahn letztendlich gut für die Umwelt, wie Ottenschläger meinte. Gleichzeitig wurde auf hohe Kosten durch Bauverzögerungen verwiesen. Etwaige Beanstandungen sind danach in jedem Fall in laufenden Projekten zu berücksichtigen.

Auch die Abgeordneten Hannes Weninger (S), Johann Rädler (V), Ruth Becher (S), Johannes Rauch (V), Harry Buchmayr (S), Friedrich Ofenauer (V), Karin Greiner (S), Rudolf Plessl (S), Erwin Preiner (S) und Walter Bacher (S) machten sich für den Bahnausbau stark und verteidigten die Gesetzesnovelle. Jede Beschleunigung von Verfahren könne nur begrüßt werden, meinte Rädler. Ofenauer und Greiner hoben zudem die Notwendigkeit hervor, Planungs- und Rechtssicherheit für laufende Infrastrukturprojekte im Schienenbereich wie den Semmering-Basistunnel herzustellen.

Abgeordneter Preiner demonstrierte die Notwendigkeit der vorliegenden Novelle anhand eines Straßenbauprojekts im Burgenland. 90 % der lokalen Bevölkerung hätten sich seinerzeit für eine kleinräumige Umfahrung von Schützen am Gebirge ausgesprochen, skizzierte er, es gehe nicht an, wichtige Projekte endlos zu verzögern.

Abgeordnete Becher gab zu bedenken, dass aufgrund der Aufhebung einer Bestimmung im Eisenbahngesetz auch der bereits in Betrieb befindliche Lainzer Tunnel nachträglich in Frage gestellt werden könnte. Ausdrücklich betonten die Koalitionsabgeordneten, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nur für seit längerem laufende Projekt gelte, die nach alter Rechtslage gestartet wurden.

Oppositionsparteien: Neuerliche Beratungen im Umweltausschuss notwendig

Seitens der Opposition äußerte Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) die Vermutung, dass die Gesetzesinitiative anlassbezogen eingebracht wurde, um auf Druck der Bauindustrie einem Baustopp beim Semmering-Basistunnel entgegenzuwirken. Ihrer Meinung nach ist der Weg, der eingeschlagen wird, allerdings ein völlig falscher, sie kann sich nicht vorstellen, dass im Falle von Beanstandungen Projekte wieder rückgebaut werden. Ihrer Ansicht nach wird mit der Gesetzesnovelle das gesamte UVP-Verfahren ad absurdum geführt.

Auch die Umweltsprecherin der Grünen Christiane Brunner ist überzeugt, dass die Koalition in die verkehrte Richtung geht. Anstatt die Bestimmungen für Bundesstraßen an jene für Bahn-Hochleistungsstrecken anzupassen, würde der umgekehrte Weg gewählt, kritisierte sie. Brunner bedauerte zudem, dass die UVP-Novelle nicht zum Anlass genommen wird, andere Defizite bei der Umweltverträglichkeitsprüfung zu beseitigen.

Kritisch äußerten sich auch die Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer (T) und Michael Pock (N). Es gehe nicht nur um den Semmering-Basistunnel, sondern etwa auch um andere umstrittene Projekte wie den Brenner-Basistunnel und die Tauernbahn im Gasteinertal, erklärte Weigerstorfer. Pock sprach sich dafür aus, die Gesetzesnovelle zu weiteren Beratung neuerlich in den Umweltausschuss zu schicken und dort ein Hearing unter Einbeziehung der Umweltanwaltschaft und von betroffenen Bürgerinitiativen abzuhalten. Ein gemeinsamer Rückverweisungsantrag von NEOS, Grünen und Team Stronach fand bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit.

Umweltminister Rupprechter für mutige europäische Klimaschutz- und Energiepolitik

Umweltminister Andrä Rupprechter nahm Uu Umweltthemen Stellung. Er sieht einen breiten Konsens in Österreich in vielen Umweltfragen, etwa in den Bereichen Atomenergie, Gentechnik sowie Klimaschutz, und kündigte an, auf EU-Ebene für eine mutige europäische Klimaschutz- und Energiepolitik kämpfen zu wollen. Als wesentliches Anliegen nannte er auch die Erhaltung der Biodiversität. Vor großen Herausforderungen steht Österreich im Bereich Luftreinhaltung.

Rupprechters Statement wurde von Abgeordneter Susanne Winter (F) grundsätzlich positiv bewertet, sie vermisste aber eine Stellungnahme des Ministers zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Zudem bedauerte sie, dass Umweltanliegen der Opposition nicht auf die Tagesordnung der Nationalratssitzung gesetzt wurden. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) appellierte an den Minister, ein starkes Bündnis AKW-freier EU-Länder zu schmieden und die Initiative für eine gentechnikfreie Landwirtschaft voranzutreiben.

Scharfe Kritik auch von NGO: Nationalrat dreht das Rad der Zeit zurück

Der Sprecher der Umweltorganisation VIRUS, Wolfgang Rehm, meint: "Es gibt keinen
sachlichen Grund, Infrastrukturprojekte vor anderen Vorhaben im öffentlichen Interesse zu bevorzugen und dafür den aufschiebenden Rechtsschutz auszuhebeln, hier wird einfach versucht, das Rad der Zeit zurückzudrehen und durch die Hintertür das alte System wieder einzuführen!"

"Im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde im Vorjahr ein Rückpass aus Oberösterreich in letzter Minute in die Regierungsvorlage übernommen und eine Ausnahmebestimmung verabschiedet, die Autobahnbauvorhaben vor der automatischen
Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bei Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht schützt", erläutert Rehm. Dies gelte zwar nur für bereits eingereichte Projekte, betreffe aber einen Großteil des Bauprogramms. "Nachdem diese ohne jede zeitliche Befristung geöffnete Hintertür nur Autobahnen betrifft, hat der Gesetzgeber damit wissentlich eine klar verfassungswidrige Situation geschaffen,
die den eigentlichen Hintergrund darstellt warum nun ein Reparaturversuch gestartet wurde," so Rehm. Damit werde eine erst 2013 verabschiedete Ausnahmeregelung in der Übergangsbestimmung nochmals erweitert, anstatt diesen - "Schandfleck", wie Rehm meint - ersatzlos zu streichen. Der gesamte Vorgang werfe ein äußerst schlechtes Licht auf Geschick und Fähigkeiten der Volksvertreter betreffend Umweltgesetzgebung. "So verkommt das permanent novellierte UVP-Gesetz zum Stückwerk mit unüberlegten Hau-Ruck Manövern."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /