© Wiener Linien
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U2 Eröffnung mit dem Geschmack von Asphalt auf der Zunge

Die Bürgerinitiative Rettet die Lobau – Natur statt Beton begrüßt anlässlich der Eröffnung am 5.Okt. die U2 Verlängerung und kritisiert die auf bestehenden Linien damit einhergehenden Verschlechterungen.

Mit über 18 500 UnterstützerInnen wird gefordert die geplanten Autobahnprojekte fallen zu lassen damit die Investitionen in den ÖV ihre gewünschte Wirkung entfalten können und notwendige weitere finanziert werden können.

Die Verlängerung der U2 und des 26ers bringt all jenen BewohnerInnen Vorteile, welche im direkten Einzugsgebiet an diesen beiden Linien wohnen. Die dazugehörigen Planungen hinterlassen allerdings einen Geschmack von Asphalt auf der Zunge: Wie sieht es mit jenen BürgerInnen aus, welche nicht direkt davon profitieren? Wer vermutet, dass dort alles beim Alten bleibt irrt. Vielfach ergeben sich an anderen Stellen deutliche Verschlechterungen. Dies liegt einerseits darin begründet, dass viele Bestandslinien zu einfachen U-Bahnzubringern "degradiert" werden, wodurch sich häufig der Zwang eines oder mehrerer zusätzlicher Umsteigevorgänge ergibt. Andererseits liegt es daran, dass von den Wiener Linien scheinbar für die neuen Busstrecken kein zusätzliches Fahrpersonal aufgenommen wird. Wenn also auf einer Linie mehr Fahrten stattfinden, so muss zwangsweise auf anderen Linien eingeschränkt werden. Somit handelt es sich dem Wesen nach um keine Erweiterung, sondern um eine Umschichtung.
Hinlänglich bekannt dürfte die Tatsache sein, dass die Attraktivität der Öffentlichen Verkehrsmittel durch Intervallverlängerungen und zusätzliche Umsteigevorgänge deutlich fällt. Umso erstaunlicher ist der Umstand, dass begleitend zur Verlängerung der U2 und des 26er die Intervalle wichtiger bestehender U-Bahnzubringer teils drastisch verlängert werden. Ein Beispiel ist der 23A (ab 5.10.2013 auf fast identischer Strecke 22A), dessen Intervalle über den gesamten Tag annähernd verdoppelt werden. Konnten sich "Nachtschwärmer" bisher bis 00:30 vom Kagraner Platz Richtung Hirschstetten bis 00:30 auf ein 15 Minutenintervall verlassen, so müssen sie jetzt bereits ab 22:30 mit einem 30 Minutenintervall vorlieb nehmen. Und Wochenend- und Feiertags konnte die U1 im 10 Minutentakt erreicht werden, ab 5.10.2013 gibt es hier nur mehr ein 20-30 Minutenintervall, und das ganztägig. Falls die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs wirklich vorrangiges politisches Ziel ist, so scheint hier eine semantische Verwirrung mit dem Begriff "Attraktivierung" vorzuliegen. Vielmehr scheint diese Maßnahme angetan zu sein, Leute vom Bus ins Auto zu treiben, denn wer würde sich die Strapaze antun und 20 oder gar 30 Minuten auf den Folgebus zu warten, falls er/sie geringfügig zu spät ist und vom vorherigen Bus nur mehr die Rücklichter sieht?

Werner Schandl von der BI Hirstetten-retten: ‘Es sieht wirklich so aus, als würde die Attraktivität der Öffis kurz gehalten um der Betoniererfraktion (den Autofahrerparteien) nicht das Wasser für ihre Transitschneisen abzugraben.’

Immer noch sind zwei Autobahntransitachsen geplant:

Ost-West: Von der bestehenden A23 auf eine - in Autobahndimensionen ausgebaute - ‘Stadtstrasse’, weiter auf einer Spange Flugfeld Aspern, bis auf eine Marchfeldschnellstrasse Richtung Ukraine.

Und Nord – Süd: Lobau-Autobahn und A5 als Teil der TEN Nr. 25 (Trans European Networks) nach Danzig and der Ostsee.

Wie man damit die bestehende Verkehrssituation entlasten will erscheint mehr als zweifelhaft.

Wenn die Straßen zu voll sind, so liegt das in den allermeisten Fällen nicht daran, dass sich zu viele Personen auf zu engem Raum befinden, sondern daran, dass viele einzelne Personen jede/r für sich zu viel Platz beanspruchen. Ein typisches Beispiel für diesen überhöhten Platzverbrauch ist die massenhafte Benutzung von Automobilen. Ein kleines Rechenbeispiel soll dies verdeutlichen. Nehmen wir einen U-Bahnzug (klassischer Silberpfeil, 6 Wagons, je 150 Personen) in der Stoßzeit besetzt mit 900 Personen. Nehmen wir nun an, diese 900 Personen würden sich in Automobilen (Besetzungsgrad 1,2 Personen/Automobil; Länge der Automobile 5m) auf einer Stadtautobahn mit 80km/h und einem Sicherheitsabstand von 1sec fortbewegen. Dies ergäbe eine Kolonne von 20,4 km. Die Länge der gesamten Südosttangente beträgt 18km.
Mit diesem kleinen und anschaulichen Beispiel vor Augen, und vor dem Hintergrund, dass von politisch verantwortlicher Seite allerorten bekräftigt wird, dass die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs vorrangiges politisches Ziel ist, drängt sich die Frage auf, warum seit Jahren in der Donaustadt das Schnellbahnangebot bis zur Unbenutzbarkeit reduziert wird. Statt sich an Städten wir Berlin mit seiner grandios erfolgreichen "Berliner Ringbahn" ein Beispiel zu nehmen und die Schnellbahnintervalle an jene der -bahn anzugleichen, wurde beispielsweise die vor der Türe liegende Schnellbahnanbindung (Stationen Erzherzog-Karl-Strasse bzw. Hirschstetten) des Stadtentwicklungsgebietes STAR-22 und OASE-22 (Stationen Erzherzog-Karl-Strasse bzw. Hirschstetten) mit tausenden m2 Bürofläche, Geschäften und ca. 300 neuen Wohnungen von 6 Zügen/h und Richtung auf nur mehr 2 Züge/h und Richtung reduziert. Die S80 Stationen Lobau, Hirstetten und Hausfeldstrasse will die ÖBB langfristig überhaupt schließen.

Doch damit nicht genug, wird mit 05.10.2013 auch noch das Stoßzeitintervall des wichtigen U-Bahnzubringers zur U2 (ehemals 95B, neu 95A) von 10 min auf 15 min verlängert. Hier besteht offenbar eine Bedeutungsverwirrung, was das Wort "Attraktivierung" betrifft.

Jutta Matysek Sprecherin der BI Rettet die Lobau: ‘360 Mio. Euro hat die U2 Verlängerung zur Seestadt gekostet und 68 Mio. der Ausbau des 26ers. Diese gute Investition für die Zukunft droht unrentabler zu werden: Wenn in das Gebiet zusätzlich Autobahnen gebaut werden, würden die Menschen sonst erst wieder auf den motorisierten Individual Verkehr (MIV) umsteigen und die Öffis wären schlecht ausgelastet. Besser das für die Autobahnneubauten verplante Geld in die Öffis und Radinfrastruktur investieren. Wir rechnen mit 3 Mrd. für eine Lobau-Autobahn und 1,2 Mrd. für Stadtstraße plus S1 Spange Flugfeld Aspern. Um dieses viele Geld ließe sich soviel sinnvolleres machen: Dringenden Handlungsbedarf sehen wir bei Buslinien und Schnellbahnen (auch über die Stadtgrenze hinaus). Wir fordern darüber hinaus den Planungsgrundsatz der ‘Stadt der kurzen Wege’ umzusetzen, vor allem bei der Seestadt als Neuentwicklungsgebiet, damit Nahversorgung, Wohnen, Arbeiten, Ausbildung und Freizeit in Fußdistanz beieinander liegen und der Zwang ein Auto zu benutzen durch intelligente Raumplanung auf ein Minimum reduziert wird.

GastautorIn: Jutta Matysek für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /