© Martin Lusser
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Forschungsprojekt: Vernetztes Angebot für E-Mobilität

Forscher der Universität Kassel nehmen aktiv teil an der Entwicklung Nordhessens zu einer Modellregion für die E-Mobilität. Ziel ist die Schaffung eines deutschlandweit einmaligen Angebots für Besucher von Ausflugszielen und Veranstaltungen.

Kassel- Mit dem Projekt FREE (FReizeit- und Eventverkehre mit intermodal buchbaren Elektrofahrzeugen) wird erstmals in Deutschland ein integriertes, auf Elektrofahrzeugen basiertes Mobilitätsangebot für Besucher von Freizeitzielen und Veranstaltungen entwickelt, eingeführt und evaluiert. "Bei der Ausrichtung von Großveranstaltungen stehen vor allem kleine und mittelgroße Städte regelmäßig vor enormen Herausforderungen", erklärte Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer, Leiter des Fachgebiets Verkehrsplanung und Verkehrssysteme: "Die vorhandenen Verkehrssysteme sind in aller Regel nicht auf hohe, temporäre Besucherströme ausgerichtet und die Erstellung eines Verkehrskonzeptes für solche Veranstaltungen unterbleibt oft, da der Aufwand für die Kommunen zu hoch ist."

Zugleich seien viele Kommunen heute gewillt, derartige Eventverkehrsströme, aber auch den regelmäßig auftretenden Verkehr in der Umgebung von Touristenattraktionen klima- und umweltfreundlich zu gestalten. "Die Emissionswerte vor allem im Innenstadtbereich sollen stark reduziert werden, um die Lebens- und Aufenthaltsqualität für Besucher und Anwohner zu bewahren", sagte Sommer. Hier setzt das Projekt FREE an. So sollen Verkehrsmittel wie Elektro-Pkw, E-Bus, Pedelec, Tram und Bus sowie teilautonome Shuttlesysteme miteinander verknüpft und eine Ladeinfrastruktur für Elektromobile aufgebaut werden.

"Wir wollen neue Formen der Elektromobilität wie das E-Carsharing oder den Einsatz von Pedelecs voranbringen und mit vorhandenen nachhaltigen Verkehrsmitteln - insbesondere dem ÖPNV - verknüpfen", sagte Sommer. Das Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrssysteme ist maßgeblich für die Konzeption der integrierten Elektromobilität verantwortlich. Das Fachgebiet entwickelt zudem Konzepte für intermodale, multifunktionale Tarife sowie ein Standortkonzept für die Ladeinfrastruktur der unterschiedlichen Elektromobile. Nutzerinnen und Nutzer werden sowohl vor Einführung der neuen Angebote als auch in der Betriebsphase befragt, um so Veränderungen im Mobilitätsverhalten und bei der Einstellung zur Elektromobilität zu ermitteln.

Für den Erfolg des Projekts sei es wichtig, die individuellen Stärken der unterschiedlichen Verkehrsmittel effizient zu nutzen sowie das Umsteigen zwischen ihnen zu verbessern, sagte Sommer: "Ein neues Carsharing-Konzept auf der Basis von Elektroautos etwa kann dafür sorgen, dass Verkehrsteilnehmer auch in den Tagesrandzeiten noch Anschluss finden." Hier werde beispielsweise über die Schaffung von "Mobilitätspunkten" an zentralen Orten sowie über ein Angebot von Carsharing-Fahrzeugen durch Hotels nachgedacht, erklärte der Verkehrsforscher: "Die neuen Möglichkeiten der Elektromobilität werden so erfahrbar und Vorurteile und Berührungsängste können abgebaut werden."

Zentraler Baustein wird auch ein Informations- und Buchungssystem für die neuen Mobilitätsangebote sein. Das Fachgebiet Mensch-Maschine-Systemtechnik der Universität Kassel unterstützt wissenschaftlich-methodisch die benutzer- und aufgabengerechte Entwicklung dieses Systems, u. a. mit Hilfe des Usability-Labors, das am Fachgebiet zur Verfügung steht. Dieses Labor bietet hierzu z. B. die Möglichkeit einer berührungslosen Blickbewegungsmessung, einer videobasierten Mimikanalyse zur Emotionserkennung, verschiedene Beanspruchungsmessverfahren und Instrumente zur Verhaltensanalyse.

"Technische Neuerungen scheitern immer wieder daran, dass die potenziellen Nutzer mit ihnen nicht zurechtkommen", sagte der Leiter des Fachgebiets, Prof. Dr.-Ing. Ludger Schmidt: "Die Aufgabe des Systems ist es, den gesamten E-Mobilitätsprozess der Zielgruppe von der Information und Buchung der Mobilitätsbausteine bis zur tatsächlichen Fahrt zu ermöglichen - und das möglichst einfach." Dazu werden eine Webportal-Version und eine Version für Mobilgeräte entwickelt, um den verschiedenen Bedürfnissen der Zielgruppe in unterschiedlichen Situationen gerecht zu werden. Die Gebrauchstauglichkeit des Informations- und Buchungssystems wird durch den systematischen Einbezug realer Nutzer in den Entwicklungsprozess erprobt. Die prototypische Umsetzung der Benutzeranforderungen und die Evaluation in Labor- und Felduntersuchungen liefern dabei Erkenntnisse, die in die iterative Entwicklung zurückfließen. Der Fokus des Fachgebiets liegt auf der mobilen Version, die situationsunterstützende Informationen, wie zum Beispiel Abfahrtzeiten von Verkehrsmitteln in Echtzeit sowie Fahrzeugstandorte anbietet.

Das Projekt wird vom Regionalmanagement Nordhessen GmbH koordiniert. An der Universität Kassel sind die Fachgebiete Mensch-Maschine-Systemtechnik sowie Verkehrsplanung und Verkehrssysteme beteiligt. Weitere Projektpartner sind die E.ON Mitte AG, die Firma Heinrich Müller - ebikes Vermietung+ mehr, die Kasseler Verkehrs-Gesellschaft AG, die Städtischen Werke AG Kassel. FREE wird im Rahmen des Förderschwerpunktes Elektromobilität vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) gefördert. Die Förderung für die Uni Kassel beläuft sich auf 612.000 Euro. Insgesamt stehen für das Projekt 4,36 Millionen Euro zu Verfügung. Das Projekt läuft noch bis September 2015.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /