© bmvit- Vorstellung des Gesamtverkehrsplans
© bmvit- Vorstellung des Gesamtverkehrsplans

Gesamtverkehrsplan für Österreich vorgestellt

Verkehrsministerin Bures präsentierte gestern den österreichischen Gesamtverkehrsplan- Ziel: umweltfreundlicher, sozialer, sicherer und effizienter

Wien- Am Freitag legte Verkehrsministerin Doris Bures ihren Gesamtverkehrsplan für Österreich vor, der die verkehrspolitischen Leitlinien, Ziele und Maßnahmen festlegt, wie sich Österreichs Verkehrssystem bis 2025 entwickeln soll. Die Verkehrsministerin will das heimische Verkehrssystem umweltfreundlicher, sozialer, sicherer und effizienter machen. Der Schlüssel dafür liegt im Ausbau des öffentlichen Verkehrs und in der optimalen Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsmittel. Die Ministerin kündigte die Einführung eines Taktfahrplans und eine österreichweite, verkehrsmittelübergreifende Verkehrsauskunft an. Gemeinsam mit den Ländern wird derzeit eine Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr für ganz Österreich entwickelt. Dafür wird das Konzept schon im kommenden Jahr vorliegen. Ehrgeizig sind auch die Umweltziele: Bis 2025 soll der Kohlendioxyd- (CO2) Ausstoß im Verkehr auf 13 Millionen Tonnen gesenkt werden, der Ausstoß von Stickoxiden (NOx) um 70 Prozent und der Feinstaub um 50 Prozent reduziert werden.

"Wie wir den Verkehr und die Mobilität in unserem Land gestalten, ist entscheidend für wirtschaftlichen Fortschritt und gesellschaftlichen Wohlstand - und entscheidend für die Lebensqualität künftiger Generationen", betonte die Verkehrsministerin. Gemeinsam mit BMVIT-Generalsekretär Herbert Kasser präsentierte sie am Freitag den 80-seitigen Generalverkehrsplan. Mit dabei waren auch die Verkehrsexperten Max Herry (Geschäftsführer von Herry Consult), Sebastian Kummer (Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien), Werner Rosinak (Geschäftsführer von Rosinak und Partner) und Gerd Sammer (Professor am Institut für Verkehrswesen, Universität für Bodenkultur Wien). Sie werden die Umsetzung zentraler Vorhaben in eigenen Arbeitsgruppen zu den Bereichen Mobilitätsverhalten, Transport und Logistik, Öffentlicher Verkehr sowie Flächenwidmung und Raumordnung mit ihrer Expertise begleiten.

Ausgangslage gut- Vorreiter bei ÖV-Nutzung

Die Ausgangslage zur Weiterentwicklung des Verkehrssystem sei gut, meinte die Ministerin. Wenige andere Staaten verfügen über eine so gut ausgebaute Infrastruktur im hochrangigen Straßen- und Schienennetz. Österreich hat mit der Donau auch eine leistungsfähige Wasserstraße und mit dem Flughafen Wien ein internationales Drehkreuz im Luftverkehr.

Im europäischen Vergleich sticht Österreich bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs (ÖV) hervor. In keinem anderen Staat der Europäischen Union (EU) hat die Bahn einen so starken Anteil am Modal-Split, das gilt sowohl für den Personenverkehr (in Österreich werden 11 Prozent aller Personenkilometer per Bahn zurückgelegt) als auch für den Güterverkehr (32 Prozent der Gütertransportleistung läuft in Österreich über die Bahn). Wenn man den ÖV insgesamt betrachtet, legen die Österreicherinnen und Österreicher 25 Prozent aller ihrer Wege mit Bahn, Bus, Straßenbahn oder U-Bahn zurück. Nur Tschechien und Ungarn haben noch höhere ÖV-Anteile.

die Verkehrsprognosen zeigen, dass die Mobilität weiter zunehmen wird. Der Güterverkehr wird bis 2025 um ein Drittel zulegen, der Personenverkehr um 25 Prozent.

Der neue Gesamtverkehrsplan setzt auf Vernetzung und Kooperation: "Wir werden die verkehrspolitischen Herausforderungen nur bewältigen, wenn wir auf die Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure des Verkehrssystems setzen. Das sind Bund, Länder, Gemeinden, Verkehrsbetriebe und Verbünde. Eine Hand muss wissen, was die andere tut", erklärt Bures. Die Ministerin versteht den Gesamtverkehrsplan daher auch als "Einladung, bisherige Aktionsgrenzen zu überwinden".

Eine Schlüsselrolle in den Plänen der Ministerin kommt dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu. Hier kündigt Bures für die kommenden Jahre konkrete Umsetzungsschritte auf allen Ebenen an, bei der Infrastruktur, beim Angebot und bei der Vernetzung.

Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr, Taktfahrplan und mehr

Auf Initiative des BMVIT klären Bund, Länder und Gemeinden nun in einer länderübergreifenden Reformpartnerschaft die Frage, wie Regionen am besten durch öffentliche Verkehrsmittel erschlossen werden können, damit ein optimal abgestimmtes ÖV-Angebot entsteht. Gemeinsam will man die Grundlage und die Standards für eine Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr erarbeiten. Das entsprechende Konzept soll 2013 fertig sein.

Taktfahrplan für Österreich

In den nächsten Jahren wird sukzessive ein Taktfahrplan für Österreich eingeführt. ÖV-Kundinnen und -Kunden wissen dann, dass an "ihrer" Haltestelle der Bus oder der Zug immer zu den gleichen Minuten abfährt und es an allen großen Umsteigestellen unmittelbar passende Anschlüsse in alle Richtungen gibt.
Verkehrsauskunft für Österreich

Auch in Zukunft wird in vielen Regionen das Auto für tägliche Fahrten notwendig sein, aber eine intelligente Verkehrsinformation wird dabei helfen, die Wege optimal zu planen und den Individualverkehr besser mit dem ÖV zu verknüpfen. Die Verkehrsauskunft Österreich (VAÖ) wird die Entscheidung erleichtern, mit welchen Verkehrsmitteln beziehungsweise welchen intermodalen Kombinationen von Verkehrsmitteln man am schnellsten und bequemsten von A nach B kommt. Das System basiert auf Echtzeit-Daten und wird das gesamte Verkehrsgeschehen abdecken (Rad, zu Fuß gehen, Öffis, Auto, Park & Ride et cetera). Bereits im Jahr 2013 geht die vom BMVIT initiierte "Verkehrsauskunft Österreich" in Testbetrieb.

Raumordnung und Flächenwidmung

Der Gesamtverkehrsplan spricht auch kontroversielle Fragen an, die für den Verkehr der Zukunft zentral sind, aber nicht allein in der Zuständigkeit des Verkehrsministeriums liegen - etwa Fragen der Raumordnung und Flächenwidmung. Derzeit nimmt die Raumordnung nur wenig Rücksicht darauf, ob Gebiete auch verkehrstechnisch erschlossen werden. Dann entstehen beispielsweise Siedlungen oder Shoppingcenter, die nur schwer und unter enormen Kosten durch öffentlichen Verkehr erreichbar sind. Künftig soll bei der Flächenwidmung Rücksicht auf die ÖV-Anbindung genommen werden. Geht es nach den Vorschlägen der Verkehrsexperten aus dem BMVIT, sollte der überwiegende Teil der Neubauten in Zukunft dort errichtet werden, wo es innerhalb eines halben Kilometers entweder eine Haltestelle gibt oder eine Haltestelle geplant ist.

Die Ziele des Gesamtverkehrsplans

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems soll wesentlich dazu beitragen, übergeordnete Zielsetzungen zu erreichen. Der Verkehr soll umweltfreundlicher, sozialer, sicherer und effizienter werden
Verkehr wird umweltfreundlicher

Umweltschutz und Ressourceneffizienz sind zentrale Anliegen der österreichischen Verkehrspolitik. Einen Schlüssel dafür sieht Bures in der Verlagerung von Verkehr auf die umweltfreundliche Schiene und in der intelligenten Verknüpfung von Verkehrsträgern.

Bis 2025 werden die Kapazitäten auf den Bahn-Hauptachsen ausgebaut, Ziel: 40 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene.
Der Ausstoß an Treibhausgasen im Verkehr soll bis 2025 von 16 auf 13 Millionen Tonnen CO2 gesenkt werden, NOx-Emissionen um 70 und der Feinstaub um 50 Prozent reduziert werden.

Leistbare und barrierefreie Mobilität für alle

Mobilität ist ein Grundelement für die gesellschaftliche Teilhabe und für die wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb ist es für die Verkehrsministerin wichtig, auch für die Zukunft sicherzustellen, dass Mobilität leistbar bleibt und ihre sozialen Auswirkungen berücksichtigt werden.
Preise für den öffentlichen Verkehr sollen nicht stärker steigen als die allgemeine Inflationsrate.
100 Bahnhöfe werden modernisiert und 100 Nahverkehrszüge in den nächsten Jahren auf Schiene gehen.
140 Bahnhöfe und Haltestellen werden in Summe barrierefrei gemacht.

Sicherheit hat oberste Priorität

Verkehrssicherheit ist eine Kernaufgabe der Verkehrspolitik. In den vergangenen zehn Jahren wurden Österreichs Straßen deutlich sicherer, die Zahl der Verkehrstoten hat sich von 956 im Jahr 2002 auf 523 im Jahr 2011 beinahe halbiert.
Die Zahl der Verkehrstoten soll von 523 im Jahr 2011 bis 2020 auf unter 300 reduziert werden.
Das hochrangige Straßennetz wird sukzessive sicherer gemacht. Der Straßenausbau beziehungsweise die Modernisierung stehen vorrangig im Zeichen der Verkehrssicherheit.

Mehr Effizienz im Verkehrssystem

Mit weniger Energieverbrauch mehr bewegen, das will die Verkehrsministerin erreichen, indem Ressourcen besser genutzt werden und das System durch intelligente Technologien und Prozesse optimiert wird.
Der Ausbau der Schiene lässt Österreichs Städte enger zusammenrücken. Die Fahrtzeiten zwischen den Zentren verkürzen sich deutlich.
Statt bisher 7.000 werden künftig täglich 9.000 Züge auf dem österreichischen Schienennetz unterwegs sein.
Der Single European Sky wird Flugrouten und das Netzwerkmanagement in Europa effizienter machen. Das spart EU-weit 16 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
Derzeit verbraucht der gesamte Verkehrssektor in Österreich 240 Petajoule Energie pro Jahr (entspricht dem Energieverbrauch von über 21 Millionen Zweipersonenhaushalten pro Jahr). Dieser Energieverbrauch soll bis 2025 auf unter 210 Petajoule sinken.
Durch den Einsatz intelligenter Verkehrssysteme sollen die Staustunden im hochrangigen Straßennetz bis 2025 um 15 Prozent verringert werden.

Umfrage: Bevölkerung wünscht sich Öffi-Ausbau, Taktfahrplan und bessere Kooperation

Die Ziele des Gesamtverkehrsplans für Österreich stehen mit den Wünschen der Bevölkerung in Einklang. Das unterstreicht eine aktuelle repräsentative SORA-Umfrage zum Thema "Mobilitätsverhalten und Verkehrsentwicklung" (November 2012, im Auftrag des BMVIT, 1.000 Befragte).

Die zentralen Ergebnisse:

* Knapp 90 Prozent der Befragten sagen, ein Taktfahrplan für Österreich sei wünschenswert. Selbst 87 Prozent jener, die täglich das Auto benützen, sind dieser Ansicht.
* 90 Prozent erachten Bahnprojekte, die die Umsetzung eines Taktfahrplans unterstützen, für wünschenswert. 88 Prozent der täglichen AutonutzerInnen sind ebenfalls dieser Meinung.
* Bemerkenswert ist, dass sich 53 Prozent bei der Frage: "Wem gehört die Verkehrs-Zukunft?" für die Öffentlichen aussprechen, nur 22 Prozent sind der Meinung, dem Auto gehöre die Zukunft. Selbst bei jenen, die täglich das Auto benutzen, haben die Öffis mit 43 zu 36 Prozent die Nase deutlich vorn.
* Die ÖsterreicherInnen plädieren auch klar für mehr Zusammenarbeit bei der Planung des öffentlichen Verkehrs (95 Prozent, auch bei den täglichen AutofahrerInnen).Für die Kombination von Öffis und Individualverkehr sind 90 Prozent, auch hier stimmen die täglichen AutofahrerInnen mit 89 Prozent zu.
* 82 Prozent der ÖsterreicherInnen stimmen der Aussage zu: "Der Benzinpreis wird steigen, daher Öffis ausbauen" - diese Aussage wird von den AutofahrerInnen zu 81 Prozent unterstützt.

Gesamtverkehrsplan ist Voraussetzung für Energiewende im Verkehr

Der VCÖ sieht den von Verkehrsministerin Doris Bures präsentierten Gesamtverkehrsplan als Chance für eine Energiewende im Verkehr. Österreichs Verkehr ist derzeit zu stark vom Erdöl abhängig - zum Schaden von Umwelt, Wirtschaft und der privaten Haushalte.

"Die Ziele des Plans sind richtig und gut. Nun braucht es rasche Maßnahmen und die richtige Prioritätensetzung, um diese Ziele auch erreichen zu können", betont VCÖ-Experte Markus Gansterer. Um die Erdölabhängigkeit des Verkehrs zu verringern, ist der Öffentliche Verkehr in den Ballungsräumen stärker und rascher auszubauen sowie die Bedingungen zum Radfahren und Gehen zu verbessern. Ein Anteil von 40 Prozent beim Schienengüterverkehr ist nur erreichbar, wenn es Anreize für Unternehmen gibt, den Gütertransport auf die Schiene zu verlagern und der Bahngüterverkehr in der Fläche erhalten bleibt.

Asfinag-Bauprogramm bleibt leider unangetastet

Vorsichtig optimistisch bewertet die Plattform Zukunft statt Autobahn den Gesamtverkehrsplan: Taktfahrplan oder öffentliche Grundversorgung werden das Leben der Menschen vor allem abseits der Städte verbessern. Allerdings: "Die Asfinag wird auch in Zukunft nach Lust und Laune weiterbauen dürfen", kritisiert Axel Grunt, Sprecher der Plattform Zukunft statt Autobahn. Lobau-Autobahn, Nordautobahn und Fürstenfeld Schnellstraße bleiben als prioritäre Projekte auf dem Plan der Verkehrsministerin.

"Wir vermissen ein klares, messbares Bekenntnis den PKW-Verkehr einzuschränken", fasst Axel Grunt zusammen. §Alleine laut den offiziellen Zahlen wird die Asfinag knapp 7 Milliarden Euro bis 2018 verbauen. Als hätte nicht gerade vor 3 Wochen die öffentliche UVP-Verhandlung zur Lobau-Autobahn stattgefunden, wird die S1 via Generalverkehrsplan auch ohne den entsprechenden Bescheid politisch betoniert", so Zukunft statt Autobahn.

Positiv bewertet Zukunft statt Autobahn die präsentierten Vorsätze im öffentlichen Verkehr: In Zukunft soll die Verkehrsplanung nicht mehr an den Bundesländergrenzen enden, sondern über Ländergrenzen hinweg gedacht werden. 2013 will Ministerin Bures ein Konzept für eine echte regionale Grundversorgung vorlegen. Auch die angekündigte Einführung eines Taktfahrplans, die Erhöhung der Schienenkapazität oder die Anschaffung neuer Nahverkehrszüge sind erfreuliche Ankündigungen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /