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Bürgerprojekt Energiewende: Energiegenossenschaften auf dem Vormarsch

Energiegenossenschaften haben sich in zehn Jahren verzehnfacht

Berlin- Die deutschen Bundesbürger nehmen die Energiewende zusehends selbst in die Hand und investieren in Energiegenossenschaften. Deren Anzahl hat sich nach Angaben des Bundesumweltministeriums (BMU) im vergangenen Jahr verdoppelt und innerhalb der vergangenen zehn Jahre sogar verzehnfacht – auf deutschlandweit derzeit fast 600. Die Marktdominanz der großen Energieversorger gerät dadurch ins Wanken. Mehr als die Hälfte der installierten Energieleistung aus Wind, Sonne und Co. liegt bereits in Händen von Privatpersonen und Landwirten.

Diese Zahlen wurden Anfang Mai im Zuge eines Workshops des BMU vorgestellt. Sie basieren auf Ergebnissen des vom Ministerium finanzierten Forschungsprojekts ‘Genossenschaftliche Unterstützungsstrukturen für eine sozialräumlich orientierte Energiewirtschaft’, das das Kölner Klaus Novy Institut durchgeführt hat. Eine von dem Institut dazu erstellte Machbarkeitsstudie soll in den nächsten Tagen veröffentlicht werden.

Über Energiegenossenschaften können Bürgerinnen und Bürger zum Strom- und Wärmeproduzenten werden – und den Kurs ihres ‘Unternehmens’ direkt mitbestimmen: In Genossenschaften hat jedes Mitglied eine Stimme. Einsteigen in eine Beteiligung kann man laut BMU in einigen Genossenschaften schon ab 50 Euro. Im Regelfall lägen die Mindestbeiträge bei 100 bis 500 Euro, der Durchschnitt bei etwa 5.000 Euro. Damit, so das Ministerium, böten Energiegenossenschaften auch Geringverdienern die Möglichkeit, sich finanziell an der Energiewende zu beteiligen.

Dass sich in Deutschland die Energiewende seit Jahren nicht zuletzt ‘von unten’ vollzieht, zeigt sich bundesweit an vielen Orten: Ein Beispiel ist die brandenburgische Gemeinde Schlalach im Fläming, wo die Bürgerinnen und Bürger den Bau eines Windparks in die Hand genommen haben. Nach Angaben der Agentur für Erneuerbare Energien sorgen 16 Windräder dafür, dass der Ort zum Stromexporteur geworden ist. Die Gemeinde produziert 60-Mal mehr als sie verbraucht. Die rheinland-pfälzische Verbandsgemeinde Arzfeld sichert sich ebenfalls schon die eigene Vollversorgung mit regenerativem Strom.

Städte und Gemeinden können vom Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort profitieren, und zwar desto stärker, je mehr Wertschöpfungsschritte sie vom Bau bis Betrieb der Anlagen selbst übernehmen. Sie schaffen damit nicht nur neue Arbeitsplätze vor Ort, sondern können auch erhebliche zusätzliche Steuereinnahmen generieren. Das Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) hat diese Effekte erst im Frühjahr für Baden-Württemberg durchgerechnet. Selbst 1.000-Seelen-Dörfer können ihre Kassen demnach mit mehreren Tausend Euro im Jahr füllen.

Eine Investition in erneuerbare Energien über Genossenschaften kann sich auch für die Bürgerinnen und Bürger rentieren. Ein Kursrisiko wie bei Aktien gibt es nicht. Jedes Mitglied hat Anspruch auf Auszahlung seiner Einlage, muss also keinen Käufer für seine Geschäftsanteile suchen. In einer vergangenen Herbst von der Agentur für Erneuerbare Energien veröffentlichten Broschüre, in der mehrere deutsche Energiegenossenschaften vorgestellt werden, lag die Rendite für die Anteilseigner zwischen vier und fünf Prozent.

Der Rat für Nachhaltige Entwicklung begrüßt diese vielfältigen gesellschaftlichen Aktivitäten zur Energiewende. ‘Immer mehr Menschen entwickeln ‚ihre‘ Energiewende in Städten und Gemeinden, durch ihre Nachfrage als Konsumenten, in Unternehmen, im bürgerschaftlichen Engagement, in der Landwirtschaft, an Schulen und in der Bildung’, so Marlehn Thieme, Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrates. ‘Die Menschen sind bereit mitzumachen und haben den Startimpuls der Ethik-Kommission von 2011 kreativ und vielfältig aufgenommen.’ Um die Energiewende erfolgreich umzusetzen, bestehe allerdings noch erheblicher Koordinierungsbedarf seitens der Politik.

Quelle: RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /