© Gemeinwohl-Ökonomie-PionierInnen in der Steiermark
© Gemeinwohl-Ökonomie-PionierInnen in der Steiermark

Eine neue Wirtschaftsbewegung entsteht in Europa

Ein Jahr Gemeinwohl-Ökonomie - eine positive Bewegung

Bozen/München/Graz/Klagenfurt/Linz/Salzburg/ Wien/. In sieben Städten Italiens, Deutschlands und Österreichs haben am Mittwoch rund 100 Unternehmen ein neues Wirtschaftsmodell vorgestellt: Die Gemeinwohl-Ökonomie. Diese Reformbewegung wurde von einem Kreis österreichischer UnternehmerInnen entwickelt und beruht auf neuen Grundwerten, die von vielen Menschen herbeigesehnt werden: ‘Die Systemspielregeln der Wirtschaft werden von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation umgestellt’, sagt Wirtschaftspublizist Christian Felber, der das neue Konzept ins Leben gerufen und auch das gleichnamige Buch verfasst hat.

‘Unser Modell hat zum Ziel, dass jene Unternehmen, die sich sozial verantwortlich, solidarisch, ökologisch und demokratisch verhalten, über niedrigere Steuern, Zölle und Kredite sowie durch Vorrang im öffentlichen Einkauf belohnt werden,. Diese neuen Werte sind in der Gesellschaft konsensfähig, weil sie zu einem guten Zusammenleben beitragen.’


Im Modell Gemeinwohl-Ökonomie erstellen die Unternehmen eine jährliche Bilanz, in der die Firmenleistungen für das Gemeinwohl sichtbar gemacht, in Punkten gemessen und später auch steuerlich belohnt werden (ökologische Produkte und Produktion, hohe Arbeitsplatzqualität, innerbetriebliche Mitbestimmung, Kooperationskompetenz, ...).

Boomende junge Bewegung

Die von zahlreichen Organisationen, PolitikerInnen und Privatpersonen mitgetragene Initiative startete vor einem Jahr, im Oktober 2010. Seither ist die Bewegung auf 400 unterstützende Unternehmen aus acht Staaten angewachsen. Ein Viertel davon erstellt 2011 erstmals freiwillig die Gemeinwohl-Bilanz. Im ersten Jahr steht die Beteiligung an einem partizipativen Prozess im Vordergrund. Die Bilanz soll in den nächsten Jahren von einer wachsenden Zahl an AkteurInnen weiterentwickelt werden, bevor sie rechtsverbindlich wird. Zu diesem Zweck wird ein ‘Wirtschaftskonvent’gewählt, er arbeitet die entsprechenden Gesetze aus und legt sie dem Souverän zur Abstimmung vor. Weitere angestrebte Reformierungen des wirtschaftlichen Ordnungsrahmens drehen sich um Gewinnverwendung, Einkommens- und Eigentumsbegrenzungen sowie um eine Reduktion der Regelarbeitszeit und ein solidarisch finanziertes Freijahr pro zehn Jahren Berufstätigkeit.

Regionale ‘Energiefelder’

In Österreich, Italien, der Schweiz und Deutschland haben sich rund 20 ‘Energiefelder’ aus gemischten AkteurInnen gebildet, welche die Idee bekannt machen und tausende Unternehmen einladen, sich der Initiative anzuschließen.

Derzeit sind BeraterInnen, AuditorInnen, Bilanz-RedakteurInnen, ReferentInnen, BotschafterInnen und ein ‘Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie’ aktiv. Letzterer koordiniert sämtliche AkteurInnen-Kreise und Aktivitäten. Alle Unternehmen und Privatpersonen sind herzlich eingeladen, sich der Initiative anzuschließen und das Modell partizipativ weiterzuentwickeln.

Das Buch zum Thema

Die Gemeinwohl-Ökonomie, das Wirtschaftsmodell der Zukunft
Deuticke, August 2010, 144 Seiten, € 15,90 [D] / € 16,40 [A]
ISBN 978-3-552-06137-8

Statements - Warum wir die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützen:

‘Trigon Entwicklungsberatung ist seit vielen Jahren mit dem Thema Corporate Social Responsibility beschäftigt. Durch die Umsetzung der Gemeinwohl Ökonomie mit dem Gemeinwohlbericht und der Gemeinwohlbilanz haben wir die Möglichkeit, aktiv gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Als Pionierunternehmen können wir mithelfen, neue Wege zu beschreiten und andere Unternehmen zum Mitmachen zu ermutigen.’ (Mag. Trude Kalcher, Geschäftsführerin Trigon Entwicklungsberatung)


‘Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt müssen wieder eins werden und Unternehmen müssen dabei lernen, wieder Gesamtverantwortung für ihr Tun zu übernehmen. Die Gemeinwohl-Bilanz hilft, dass unsere Anliegen ernst genommen werden, weil die Ergebnisse messbar und vergleichbar sind. (Erwin Stubenschrott, Geschäftsführer KWB Die Biomasseheizung)


‘Ich bin überzeugt, dass man achtsam, kooperativ und nachhaltig wirtschaften kann, ohne sein Unternehmen und sich selbst dabei zu vergessen. Das schafft Mehrwert für die Gesellschaft. Das ist auch der Grund, warum ich vor einigen Jahren aus der Finanzbranche ausgestiegen bin und mit meinem Mann Geldcoaching entwickelt habe: Hier unterstützen wir Menschen, den Umgang mit Geld zu entspannen. (Mag. Verena Florian, Florians Geldcoaching)


‘Gemeinwohl ist kein neues Prinzip. Als eines der Prinzipien der christlichen Soziallehre – mit Solidaritätsprinzip, Personenprinzip, Subsidiaritätsprinzip und seit dem 20. Jahrhundert kann Nachhaltigkeit dazugezählt werden – soll es Grundbedingung für die Gestaltung einer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung sein. Der Mensch ist nicht allein auf der Welt. Die Wertschätzung seiner Würde – auch als Arbeitnehmer (bzw. besser Arbeit’geber’) ist immer zu akzeptieren. Er ist sozial eingebunden in Familie, Gruppen, Arbeitsplatz – ja Welt. Gesellschaft, Politik, Wirtschaft – und hier auch als einzelnes Unternehmen – haben Verantwortung, aufmerksam zu sein und einen Beitrag zum Chancenausgleich und zu einem guten oder zumindest besseren Leben miteinander zu leisten. Denn: wenn’s allen gut geht, geht es auch uns als Unternehmen gut. (Dr. Friedrich Santner, Anton Paar GmbH)

"SEKEM unterstützt die Gemeinwohlökonomie, weil die nachhaltige Entwicklung starke Visionen einer besseren Zukunft braucht – auch wenn sie im Hier und Jetzt unmöglich scheinen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man selbst das Unmögliche erreichen kann, wenn man sich aus solcher geistiger Inspiration, mit Enthusiasmus und im lebendigen Austausch mit vielen Gleichgesinnten auf den Weg macht. Die SEKEM Unternehmensgruppe erstellt bereits 2011 die Gemeinwohl-Bilanz, weil es für uns selbstverständlich ist, unternehmerischen Erfolg im Hinblick auf nicht-finanzielle Kriterien der nachhaltigen Entwicklung zu definieren und zu messen. (Geschäftsführer Helmy Abouleish, SEKEM Gruppe)


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /