© Gernot Neuwirth
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Der Freispruch

Bestraft werden die SteuerzahlerInnen

Eines wird der Richterin niemand vorwerfen können: Dass sie die Angeklagten mit Glacéhandschuhen behandelt hat. Während des einjährigen Gerichtsverfahrens schien es die längste Zeit, als ob kaum ein Unterschied zwischen Staatsanwalt Wolfgang Handler und Richterin Sonja Arleth bestünde und das gemeinsame Ziel beider die Vernichtung der dreizehn angeklagten Tierschützer wäre. Immer wieder fiel Arleth Angeklagten und Verteidigern ins Wort, ließ sie nicht ausreden, lehnte einen großen Teil ihrer Anträge ab, ebenso die von der Verteidigung eingebrachten Gutachten, führte den Prozess so, dass RechtsprofessorInnen extra hinfuhren und dann Zweifel an der Fairness des Verfahrens äußerten.

Manche Beobachter hielten Arleth für eine Interessensvertreterin mächtiger Gruppen, denen die Tierschützer den Spaß und die Profite aus der Tierquälerei zu vermasseln drohten und sahen sie mit zynischem Ingrimm schon als die künftige Justizministerin.

Und jetzt das! Dieses Urteil und die klare, einleuchtende Urteilsbegründung, die in allen, die das Vertrauen in den Rechtsstaat schon verloren hatten, wieder Hoffnung weckt. Jetzt stellt sich die hübsche Juristin als mutige Superfrau heraus, die man durchaus gerne zur Justizministerin machen würde, wenn man könnte. Stattdessen ist leider zu befürchten, dass sie von vielen Seiten angehasst und gemobbt werden wird.

Und der Staatsanwalt? Laut Medienberichten nahm er das Urteil versteinert und starr auf und gab keinen Kommentar ab. Das heißt, dass er sich möglicherweise eine Berufung vorbehält. Mit oder ohne Berufung ergeben sich für manche Beobachter bange Fragen:

"Wie weit ist es legitim für einen ambitionierten Staatsanwalt, mit beiden Händen Millionen aus Steuergeldern für ein Gerichtsverfahren zu verschleudern, bei dem von vorneherein klar ist, dass ein Schuldspruch nur unter Missachtung grundlegender Bürgerrechte möglich sein wird?"

Und – noch beunruhigender, und natürlich ohne dies im vorliegenden Fall unterstellen zu wollen, ein imaginäres Szenario: "Was ist, wenn ein/e Ankläger/in überschnappt und dies aber monatelang geschickt verbergen kann? Soweit außer der eigentlichen Anklageerhebung keine
offensichtlichen Symptome auftreten, gibt es da überhaupt Möglichkeiten, ihn/sie unschädlich zu machen, bevor er/sie krankheitsbedingt Menschen vernichtet oder anderswo sogar auf den elektrischen Stuhl bringt? Anders gesagt: "Gibt es eine Art staatsanwältliche Narrenfreiheit?" Genau diese Fragen hörte ich im Bekanntenkreis, als wir über den Prozess diskutierten.

In Österreich gibt es gottseidank keine Todesstrafe. Bestraft werden die Steuerzahler/innen, die in Zeiten wie diesen und bei einer angeblich katastrophalen Personalknappheit bei der Justiz willkürliche Gerichtsverfahren zu finanzieren haben und dann nochmals zur Kassa
gebeten werden, wenn die Opfer ihre berechtigen Entschädigungsansprüche stellen müssen – und zwar an den Staat und nicht an die, die im Hintergrund die Fäden gezogen oder im
Vordergrund als Erfüllungsgehilfen agiert haben.

GastautorIn: Univ.-Lektor Mag. Dr. Gernot Neuwirth für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /