© Kappler
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Waldschutz ist auch Verbraucherschutz

Auf der Sitzung des Waldforums der Vereinten Nationen wurde vor kurzem in New York das "Internationale Jahr der Wälder" eröffnet

Berlin - In Deutschland erfolgt der Auftakt am 21. März, dem Internationalen Tag des Waldes. Beim Waldschutz geht es ums Ganze. Denn die Waldrodung verursacht mehr
Treibhausgase als alle Autos, Schiffe und Flugzeuge zusammen. Waldgebiete beherbergen 80% der weltweiten Artenvielfalt auf dem Land. Die durch
Waldrodung verursachten Schäden müssen von allen Menschen getragen werden.
Interview mit Astrid Schneider, Sprecherin für Verbraucherschutz der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.


oekonews: Frau Schneider, alle 2 Sekunden wird ein Waldgebiet von der Größe
eines Fußballfeldes zerstört. Menschen haben bereits jetzt die Hälfte der
weltweiten Wälder gerodet. Ist der Zug nicht schon längst abgefahren? Ist
die Macht der Verbraucher eine grüne Illusion?

Schneider: Rund die Hälfte der jährlich zerstörten Waldflächen
verschwinden in Südamerika. Besonders in Brasilien sehen wir mit Sorge,
wie erst Raubbau am Tropenholz stattfindet, um dann Weideland für Rinder
und Futtermittelanbau zu schaffen. Hier ist der Bezug unmittelbar: wenn
die Verbraucher weniger Fleisch nachfragen, sinkt der Druck auf die
Wälder. Gegenwärtig haben wir aber mit zunehmendem Wohlstand und mehr
Fleischhunger weltweit einen umgedrehten Trend. Biologisch zertifiziertes
Fleisch schliesst die Zufügung von isolierten Fetten zum Futter aus. Zudem
muss ein großer Anteil des Futters auf dem eigenen Hof angebaut werden, um
das Bio-Siegel zu bekommen. So wird der Druck zum globalen
Futtermittelimport gemindert.

oekonews: Wie stünde es um die Lebensmittelsicherheit, wenn wir weiter abholzen?

Schneider: Zunächst einmal entzieht die Urwaldrodung den Ureinwohnern vor
Ort die Lebensgrundlage. Im zweiten Schritt trägt die Waldrodung zum
Klimawandel bei, der wiederum weltweit Ernten zerstört. Gerade jetzt
steigen die Preise für Weizen und andere Agrarerzeugnisse wieder stark an,
weil in Russland durch die Sommerbrände in weiten Landstrichen die Ernten
verbrannt sind. In Australien sind sie vom Hochwasser weggespült worden.
Wir sehen langsam, wie der Klimawandel auch auf die Lebensmittelmärkte
durchschlägt.

oekonews: Nennen Sie doch mal klipp und klar einen konkreten Vorteil der
Ökolandwirtschaft.

Schneider: Zuerst müssen wir uns von einigen industriellen
Machbarbeitsphantasien verabschieden. Viele dachten bislang, dass nur
industrielle Großlandwirtschaft in der Lage sei, die steigende Zahl
Erdbewohner zu ernähren. Es gibt einen Trend rückwärts zur stärker
bäuerlich orientierten Landwirtschaft. Die FAO, die UN-Organisation für
Lebensmittel und Landwirtschaft, hat kürzlich eine Studie veröffentlicht,
die nachweist, dass die Ökolandwirtschaft mit ihren Fruchtfolgen und dem
natürlicheren Düngen die Böden langfristig produktiver hält. Sie binden
mehr CO2 und Wasser und werden nicht ausgezehrt. Das Schliessen lokaler
Nährstoffkreisläufe hilft also mehr Stabilität zu schaffen und ernährt so
mehr Menschen. Zudem vernichtet die industrielle Massentierhaltung mit
subventionierten Billigexporten die Existenzgrundlage von Kleinbauern.

oekonews: Müssen wir deswegen nun alle Vegetarier werden?

Schneider: Der neue Trend zum 'Veggi Day', also einem vegetarischen Tag in
der Woche, den schon Städte wie Los Angeles, Kapstadt oder San Franzisko
umgesetzt haben, macht vegetarisches Essen 'trendy' und schafft eine neue
Bewegung, die die Folgen des Fleischkonsums ins Bewusstsein bringt und
politisiert. Charmant ist am vegetarischen Wochentag, dass er nicht
dogmatisch sagt entweder oder, sondern das Auge einfach auf das rechte Maß
lenkt.

oekonews: Ist es bei der mangelnden Regulierung der weltweiten Waldwirtschaft
und angesichts kurzfristiger Profitinteressen nicht illusorisch, jetzt die
nachhaltige Waldnutzung und regionale Lebensmittelsouveränität zu fordern?

Schneider: Es besteht die realistische Hoffnung, dass die
Weltklimaverhandlungen eine neue Energie in den Waldschutz bringen. In
Cancun einigte man sich ja bereits auf einen verstärkten Waldschutz. Vor
Ort fehlt es den zuständigen Behörden und der betroffenen Bevölkerung aber
oft an essentiellen Mitteln, den Wald zu schützen. Es fehlen Hubschrauber,
Personal, Geld für die Alternativen zur Waldrodung. Es macht daher Sinn,
Gelder aus den Klimaverhandlungen für den Waldschutz auszugeben.

oekonews: Auch in Berlin protestierten kürzlich über 22.000 aufgebrachte Bürger
und Bauern vor dem Brandenburger Tor für die Agrarwende. Die Grünen hoffen
auf eine agile Verbraucherbewegung mit bundesweiter und internationaler
Strahlkraft. Ist diese Bewegung ein verzweifeltes Aufbäumen gegen eine
längst übermächtige Agrarlobby und die fest im Sattel sitzende
Industrielandwirtschaft?

Schneider: Der WWF hat zum Auftakt des internationalen Jahres des
Waldes im Berliner Hauptbahnhof eine Uhr aufgestellt, die zeigt, dass die
Welt alle 60 Stunden Wald in der Größe Berlins verliert. Das ist
erschreckend. Aber die Menschen 'haben es eben satt' – und werden
umsteuern. Jeder weitere Futtermittelskandal trägt zum Umdenken bei. Zudem
schmeckt Bio halt einfach besser.


Das Gespräch führte Ralph Kappler, Brüssel




http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1105588

http://www.fao.org/

http://www.fao.org/news/story/en/item/37840/icode/

http://www.wwf.de/presse/details/news/in_den_naechsten_60_stunden_verlieren_wir_wald_von_der_groesse_berlins

GastautorIn: Ralph Kappler für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /