© Kunstmann Verlag
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Der energethische Imperativ

Eine oekonews- Buchtipp : 100 Prozent jetzt - wie der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien zu realisieren ist- von Hermann Scheer

Hermann Scheer war der erfolgreichste Solarpolitiker den es je gab- er wußte, wovon er sprach. Und er überzeugte die Menschen. Sein Buch ‘Der energethische Imperativ‘ wurde sein Vermächtnis.

Jahrelang wurde von vielen Politikern nicht geglaubt, dass ein vollständiger Wechsel zu erneuerbaren Energien zu 100% möglich ist. Heute ist diese Meinung unbestritten. Die Frage lautet nun nicht mehr ob, sondern wann der Wandel zu realisieren ist.

In Deutschland ist die Frage: Atomkraft – wie lange noch? - Eine Bremse für erneuerbare Energien, soviel ist mittlerweile eindeutig klar. Neue Kohlekraftwerke sind ebenfalls keine Lösung, wie teuer die von manchen gepriesene CO2-Seqestrierung wirklich ist, ist ungewiss. Genauso wie die Lagerung des Atommülls.
Es geht auch anders: Konsequente Energieeffizienz sodass Gebäude keine konventionelle Heizenergie mehr brauchen? Ja, das geht. Der Restenergiebedarf kann rein mit erneuerbaren Energien erzeugt werden.

Hermann Scheer ist in seinem Buch absolut davon überzeugt, dass Europa bis 2030 zu 100 % erneuerbar werden kann. Es ist dazu jedoch notwendig, die politischen Weichen richtig zu stellen. Wer beeinflusst die Politik- ist es die derzeit noch konventionelle, alte Energiewirtschaft? ‘Der Wechsel zu hundert Prozent erneuerbaren Energien bedeutet den umfassendsten wirtschaftlichen Strukturwandel seit Beginn des Industriezeitalters’, meint Hermann Scheer. Ein Strukturwandel ist ntwendig, es wird Gewinner und Verlierer geben. Verlierer sind die Anbieter konventioneller Energie. ‘In welchem Umfang das der Fall ist, hängt von ihrer Einsicht und Bereitschaft ab, sich an Haupt und Gliedern umzustrukturieren, sich mit drastisch sinkenden Marktanteilen abzufinden und neue Tätigkeitsfelder für sich zu finden, die keine energiewirtschaftlichen mehr sein werden.’ so Scheer.

Gewinner und Gewinnerinnen sind die einzelnen Menschen - der Handwerker, der Hausbesitzer, der Bauer als Energiewirt. Scheer meint : ‘Die Gewinner des Wechsels werden die Weltzivilisation insgesamt und ihre Gesellschaften und Volkswirtschaften sein.’

Wir haben das Problem, dass sich viele Menschen derzeit noch nicht bewußt sind, welch ungeheure Chancen sie mit erneuerbaren Energien haben, sonst würde der Wechsel weit schneller stattfinden. Bestehendes hat immer schon neue Strukturen und einen Wandel gebremst. Aber es gibt einen ‘Point of no return’. Dieser könnte bei Solarstrom bereits 2012 oder 2013 erreicht sein, wenn der Strom vom eigenen Dach günstiger wird als der Strom aus der Steckdose vombisherigen Energieversorger.

Hermann Scheer zeigt anhand von Beispielen auf, dass und wie in der Vergangenheit der Strukturwandel rascher passierte n als die Vertreter der alten Strukturen sich das vorstellten: bei der Bahn, bei der Automobilität oder bei der IT-Revolution seit 1985. Warum sollte dies gerade bei der Energiefrage anders laufen? Konventionelle Energieträger – wie Erdöl, Erdgas oder auch Uran– gehen weit schneller zu Ende als viele Experten dies immer wieder darstellen wollen. Energie wird immer teurer -wird sie mit fossilen Energien erzeugt, so sind Umweltschäden eine logische Konsequenz. Auch die Folgekosten werden immer höher. Erneuerbare Energien werden im Gegenzug immer preiswerter, sie verursachen keine oder ganz geringe Umweltschäden und sind außerdem unendlich vorhanden.

Viele Jahre lang wurden die Erneuerbaren unterschätzt und die alten Energieträger überschätzt, nicht nur von den Verfechtern der alten Energiewirtschaft, auch von manchen Vertretern aus der erneuerbaren Energiebranche. Dazu ein paar Beispiele: Der Ausbau des Windstroms ging in Deutschland seit 1990 etwa dreimal so schnell wie es der Bundesverband Erneuerbare Energien prognostizierte. Genauso ist es seit drei Jahren mit dem Sonnenstrom. Die Internationale Energieagentur in Paris hat sich beim prognostizierten Ausbau erneuerbarer Energien gleich um den Faktor zehn geirrt. Der Ausbau ging weit schneller, weil es mittlerweile viele Akteure in Politik, Wirtschaft, aber auch im privaten Bereich gibt, die die Vorteile erneuerbarer Energien verstanden haben und den Wandel forcieren.

Die deutsche Bundesregierung will bis 2020 bei 35 % und die Verbände der erneuerbaren Energien wollen bei 47 % sein- Hermann Scheer meint, dass der Anteil erneuerbaren Stroms in Deutschland von derzeit 19 % bis 2020 auf 60% gesteigert werden kann. Es geht schneller, so seine Botschaft.

Franz Alt schreibt: " Diese Vorhersage machte er schon 1993 in einer meiner damaligen Zeitsprungsendungen in der ARD. Seither sind alle Prognosen Scheers in etwa eingetroffen – warum also nicht auch in der Zukunft? Warum sollten ausgerechnet jetzt die Bedenkenträger recht behalten, die sich in ihren pessimistischen Fehleinschätzungen stets grandios geirrt haben? Die Zeitschrift ‘Scientific America’ gab 2009 Hermann Scheer recht: Der gesamte Weltenergieverbrauch könne bis 2030 erneuerbar produziert werden. Und zwar durch diesen Energiemix: 3.8 Millionen Windräder mit je 5 Megawatt (MW) Leistung, 490.000 Gezeitenkraftwerke zu je 1MW, 5.350 geothermische Kraftwerke zu je 100 MW, 900 große Wasserkraftwerke zu je 1.300 MW (davon existieren bereits 70%), 720.000 Wellenkraftwerke zu je 0,75 MW sowie 1.7 Millionen Photovoltaik-Anlagen zu je 3 KW, 40.000 Photovoltaik-Kraftwerke zu je 300 MW und 49.000 solarthermische Kraftwerke zu je ebenfalls 300 MW.

Dieser ‘Plan for a sustainable Future’ geht davon aus, dass gegenüber heute durch Effizienz und Sparmaßnahmen 2030 etwa ein Drittel der heutigen Energieverbräuche eingespart werden kann. Die Energie werde künftig durch die erneuerbaren Quellen preisgünstiger als heute – so die Verfasser dieser Studie, Mark Jacobsen von der Stanford University und Mark Delucci von der University of California. Dieses Szenario klingt sehr ehrgeizig. Aber vor 100 Jahren hat sich auch kaum jemand vorstellen können, dass 2010 über 800 Millionen PKW auf dieser Erde herumfahren."

Unser österreichischer Umweltminister meint immer wieder: " Ich habe die Vision von einem energieautarken Österreich." Und Hermann Scheer zeigt uns in seinem Buch, dass dies geht.

Die Umsetzung dieser realisierbaren Vision heißt: Die alten Energieversorger verlieren ihr Monopol, ihre Macht und ihre Gewinne, wenn sie sich nicht rasch umstellen. Und der entscheidende Anstoß für die Umsetzung solcher 100 %-Szenarien kommt nicht durch einen ‘Konsens’ aller 200 Regierungen der Welt - das zeigen die Weltklima-Konferenzen seit 20 Jahren – sondern jenes Industrieland, das vorangeht und dabei tausende neue Arbeitsplätze schaffen kann und sich damit auch einen Vorrang beim Export dieser Technlogien erkämpft. Dass dieses Land Deutschland, mit seinem jetzigen Vorsprung bei den erneuerbaren Energietechnologien sein könnte, scheint für Hermann Scheer klar. Er hat nicht zufällig- gemeinsam mit Hans-Josef Fell von den Grünen – das erfolgreiche deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz durchgeboxt und mitverantwortet. Ein Gesetz, dass in Folge von 47 Ländern in ähnlicher Art eingeführt wurde.

Sonne und Wind schicken uns auch in Zukunft keine Rechnung. Die Techniken zu ihrer Nutzung werden immer preiswerter, desto mehr wir sie nutzen. Was wir dazu brauchen ist neues Denken und endlich Handeln. Jeder Strukturwandel stößt auf Widerstand, dies scheint klar. Aber aufhalten werden die Widerstände die erneuerbaren Energien auf Dauer nicht.

Erneuerbare Energien, so zeigt Hermann Scheer auf, brauchen keine Brückentechnologien wie neue Kohlenkraftwerke, bei denen mit der CCS-Technologie C02 in der Erde gespeichert werden soll. Ähnlich wie bei Atommüll wäre dies ein weiteres Entsorgungsproblem für die Zukunft, meint Scheer.

Was wir brauchen sind neue Speicherkapazitäten wie Druckluft- und Pumpspeicher, Wasserstoff, Biogas oder Millionen Elektroautos, die – vor allem in der Nacht, wenn die Sonne nicht scheint – in Zukunft auch große Kraftwerke ersetzen könnten. Er meint, dass 2020 in Deutschland 2 Millionen Elektroautos auf der Strasse sein werden, die deutsche Bundesregierung geht von einer Million aus. Es gibt Lösungen für die künftige dezentrale Energieversorgung.

Auch das DESERTEC-Projekt betrachtet er skeptisch: unzählige große Leitungen (Super-Grids) durch mehrere Länder wären dazu notwendig - etwas das bei zunehmenden Bürgerprotesten gegen Riesenbaustellen unrealistisch zu sein scheint. Großtechnische Lösungen sind auch nicht die Lösung. Dächer statt DESERTEC, so einfach ist es. Eine kleine, dezentrale Struktur ist die Chance- diese ist demokratisch. "DESERTEC wird ein ‘Milliardengrab’ " meint Scheer. ‘Dass sich die erneuerbaren Energien vollständig durchsetzen hat die Natur vorentschieden. Die Primärenergiewirtschaft, die ihre Existenz allein den fossilen Ressourcen und dem Uran verdankt, wird von der Bildfläche verschwinden – entweder früher als von ihr akzeptiert oder zu spät.’ Es ist Schluss mit den Ausreden. Wir haben die Lösungen am Tisch.

Ein Buch, das große Hoffnung gibt und alle, die immer wider zaudern widerlegt. Schluss mit den Ausreden. - "Es geht!"

Wir können das Buch nur jedem empfehlen- es ist das letzte Vermächtnis von Hermann Scheer an uns alle!


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /