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Widerstand in der Demokratie

Ein oekonews-Buchtipp

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Nach seiner über 100-tägigen auf sehr zweifelhaften Rechtsgrundlagen beruhenden Untersuchungshaft hat der engagierte Tierschützer seine Gedanken zur Legitimität zivilen Ungehorsams und konfrontativer Kampagnen niedergeschrieben.

Die ersten zwei Drittel des Büchleins befassen sich mit ethischen und demokratiepolitischen Überlegungen: Politische Aktivität ist in einer Demokratie auch außerhalb des Parlaments wünschenswert und es muss dafür einen Spielraum geben. Unter dem Druck einflussreicher, wirtschaftlich und politisch potenter Minderheiten wird dieses Grundrecht allerdings immer mehr beschnitten: Unter dem Eindruck der Terroranschläge vom 11. September 2001 wurde seinerzeit der § 278a (‘kriminelle Organisation’) trotz schwerwiegender rechtlicher Bedenken im Parlament durchgepeitscht. Er bietet seither den österreichischen Behörden eine bequeme Möglichkeit, missliebige Aktivisten ohne Beweise in endloser Untersuchungshaft festzuhalten und die Büros engagierter NGOs zu verwüsten, auch wenn z.B. vorangegangene sündteure Abhör- und Bespitzelungsaktionen nur sehr magere Resultate ergeben haben. So geschehen bekanntlich im Frühjahr 2008, als Balluch und neun andere Tierschützer – die einander z.T. nicht einmal kannten – in einer österreichweiten hollywoodreifen Rambo-Aktion von maskierten Wega-Polizisten im Schlaf überfallen, in Anwesenheit ihrer sprachlosen Kinder mit der Pistole im Anschlag an die Wand gestellt und dann abgeführt wurden. Sie kamen wegen ‘Verdachts der Mitgliedschaft bei einer kriminellen Organisation’ in Untersuchungshaft. Erst nach fast vier Monaten gingen sie dank des Drucks engagierter Menschen wieder frei – bis auf weiteres, denn Anklage wird demnächst erhoben. Namhafte Juristen und sogar der Justizsprecher der SPÖ, der das Gesetz seinerzeit mitbeschlossen hat, haben seither massive Besorgnis über die Missbrauchsmöglichkeiten des § 278a geäußert, die im Fall der Tierschützer evident wurden.

Balluch beschreibt und rechtfertigt die Aktionsformen konfrontativer Kampagnen, die eingesetzt werden können, wenn der Dialog mit den Machthabern zu nichts führt – von Dauerdemonstrationen bis zu Boykott-Aufrufen, Treibjagd-Störungen und Pray-Ins. Er versucht, demokratiepolitisch vertretbare gegen demokratiepolitisch bedenkliche Aktionen abzugrenzen und spricht sich eindeutig gegen Gewalttaten aus – so wie es übrigens auch die mysteriöse internationale ‘Animal Liberation Front’ in ihren Richtlinien tut. Da die österreichischen Behörden mangels an Indizien einzelne tatsächlich vorgefallene Schandtaten nicht einzelnen Tierschützern zuschreiben können, versuchen sie verbissen, den zehn Sündenböcken eine ALF-‘Mitgliedschaft’ zu unterstellen – ein schweres Unterfangen, weil ALF keine Organisation, sondern ein Internet-Forum ist, in dem verschiedene autonome Tierrechts-Aktivisten über ihre harmlosen und weniger harmlosen Aktionen berichten und das ihnen höchstens ein paar Richtlinien über die Grenzen gibt, die sie nicht überschreiten sollten.

Das letzte Drittel des Buches erörtert einige der haarsträubendsten Fälle von Behördenwillkür in Zusammenhang mit Balluchs Tierschutzarbeit und den Ereignissen seit dem 21. Mai 2008, dem Tag der Polizeiaktionen, an dem Balluchs (und des Rezensenten) naiver Glaube an den Rechtsstaat Österreich empfindlich gestört wurde. Aber auch Beispiele aus dem Ausland werden angeführt. Fast die Regel scheint es zu sein, dass die Behörden die gebotene Neutralität immer wieder brechen, ja oft sogar mit den Tierquälern kooperieren.

Kommentar

Eine Schwäche des Buches ist vielleicht das Überwiegen rechtstheoretischer Erörterungen über konkrete Beispiele auf den ersten hundert Seiten. Dabei wiederholt sich Balluch des öfteren – was aber angesichts des abstrakten, nicht immer aufs Erste verständlichen Themas vielleicht sogar gut ist.

Etwas ungeschickt ist nach Meinung des Rezensenten, den ‘Islamistenprozess’ als weiteres Beispiel für österreichische Polit-Justiz zu erörtern. (Das war der Prozess, von dem die Angeklagte wegen ihres Schleiers ausgeschlossen wurde.) Zwar dürften die Behörden auch hier zum Teil skandalös agiert haben (z.B. rechtfertigte der Richter laut Internetinformationen wiederholt Bushs Irakkrieg, was wohl weder seine Aufgabe gewesen sein kann, noch der Meinung der großen Mehrheit der österreichischen Bevölkerung entspricht), aber abgesehen davon gibt es nur zwei echte Parallelen: In beiden Fällen wurden die Angeklagten bei schwächster Beweislage der Mitgliedschaft oder Nähe zu einer internationalen Organisation beschuldigt, und beide Organisationen beginnen mit AL (Al Kaida, ALF). Damit aber hört sich die Ähnlichkeit auf. Denn es kann nicht oft genug gesagt werden: Selbst wenn die zehn Tierschützer mit der Animal Liberation Front sympathisieren sollten – ALF lehnt Gewalt ab und instruiert ihre Fans in der ihr eigenen seltsamen Sprache, alle Vorkehrungen zu treffen, damit ‘Menschen und andere Tiere’ nicht zu Schaden kommen. Die Al Kaida ist jedoch leider noch lange nicht so weit.

Berücksichtigt man nun die Abneigung des durchschnittlichen Biertisch-Politisierers gegen alles Fremde, insbesondere Islamische, dann schießt sich Balluch ein Eigentor – er bräuchte die Unterstützung vom Biertisch ebenso wie die vom alten Mutterl mit dem lieben kleinen Hund, das zwar mit den Tierschützern sympathisiert, sich aber auch leicht einreden lässt, dass diese gefährliche Terroristen seien.

Die Rechnung der Behörden und derer, die sie wohl zum Handeln angestiftet haben, geht erschreckenderweise zum Teil auf: Der Herr Karl vom Biertisch sorgt sich wenig um den dreisten Missbrauch des Rechtsstaates durch einige wenige. Er macht sich keine Gedanken darüber, dass die Aktionen gegen die Tierschützer möglicherweise den Auftakt zum unverschämtesten Angriff auf unsere Bürgerrechte seit dem Zusammenbruch der Naziherrschaft und dem Abzug der Russen darstellen. ‘Die werden schon wissen, warum sie die einsperren’, sagt er sich zufrieden und kann sich wieder seinem Bachhendl und dem Armin Assinger zuwenden. Diese Einstellung reicht bis in manche NGOs und selbst UHBP (unser Herr Bundespräsident) ist nicht dagegen gefeit: In der automatisierten Antwort auf die entsetzten Briefe vieler Untertanen meint er, dass die zuständigen Organe auch in diesem Fall wie immer ‘mit besonderer Umsicht und unter Achtung der Menschenwürde der Betroffenen’ agieren. Und zur gleichen Zeit, als ein paar hundert Meter von seiner Residenz idealistischen jungen Menschen für ihre Gesinnung ein ganzer Sommer gestohlen wird, erzählt Fischer einer Bezirkszeitung stolz von seiner langjährigen Freundschaft mit und seiner Bewunderung für Nelson Mandela. Sicher, wir alle wären stolz, wenn auch wir uns mit einer Freundschaft mit diesem großen Politiker (Mandela) brüsten könnten. Er ist ja ebenfalls für seine Gesinnung unendlich lange im Kerker gesessen. Aber man kann ihn natürlich nicht mit den Tierschützern vergleichen: Anders als diese hat sich Mandela ja während des südafrikanischen Rassistenregimes stets geweigert, sich zum Gewaltverzicht zu bekennen.

Martin Balluch, Widerstand in der Demokratie,
Promedia-Verlag 2009, Wien 2009, 156 Seiten

Dem Rezensenten sei jetzt gestattet, weiter auszuholen, weil er sich monatelang mit der Causa befasst hat. Es folgt daher eine Chronik und dann eine Auflistung einiger prominenter Personen und Firmen, die sich die Tierschützer im Laufe der Jahre zum Feind gemacht haben (Lesen Sie dazu unten weiter).

BACKGROUNDINFOS: Chronik einige bezeichnender Ereignisse

(zusammengestellt nach Polizeibericht, Wikipedia, anderen Internetquellen, Medien und Informationen des VgT)


Ab den 1990er Jahren: Legal operierende Tierschutzorganisationen, insbes. der VgT (Verein gegen Tierfabriken) erreichen nach jahrzehntelangen Bemühungen (z.B. Großbild-Vorführung am Stephansplatz von mit versteckter Kamera aufgenommenen Dokumentationen grausamer Tierhaltung) einschneidende Verbesserungen in der Tierschutzgesetzgebung und machen sich damit viele politisch einflussreiche Feinde, die bisher an grausamer Tierhaltung oder Jagd-Organisation gut verdient haben Gleichzeitig finden Gesetzesübertretungen und Straftaten durch unbekannte Tierschützer oder deren Trittbrettfahrer statt.

2002: Die Regierung Bush verwendet die Ereignisse des 11. September 2001 als Begründung für gravierende Beschneidungen der bürgerlichen Grundrechte in den USA. Österreich zieht mit dem § 278a (Mitgliedschaft bei krimineller Organisation) nach. Amnesty International äußert bereits damals massive Bedenken, weil die Definition von krimineller Organisation unangemessen weitgehend und überschießend sei.

10. April 2007: Über 30 hochqualifizierte Kriminalbeamte werden aus anderen Abteilungen abgezogen, sind nun die ‘SOKO Pelztier’. Sie widmen sich ausschließlich der Aufgabe, durch Lauschangriffe, Peilsender, Online-Überwachungen, Beschattungen und verdeckte Ermittlungen tatsächlich vorgefallene Vergehen und Verbrechen endlich bekannten Tierschützern zuzuordnen.

April 2007: Innenministeriums-Spitzenbeamter versendet internes E-Mail: Da keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Sachbeschädigungen und dem VgT vorliegen, ist mehr ‘zielgerichtete’ Arbeit der Behörden erforderlich.

18. Dezember 2007: Nach achtmonatiger zielgerichteter Arbeit berichtet SOKO Pelztier dem Generaldirektor der Polizei: Keine Ermittlungsergebnisse außer 1 Stück Pflasterstein mit 1 Stück passender DNA-Spur.

24. April 2008: Da nicht bewiesen werden kann, dass Matthias P. ‘Nie wieder Faschismus’ an eine Wand gesprayt hat, werden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Dieser Fall hat nur scheinbar absolut nichts mit der Tierschutz-Causa zu tun.

21. Mai 2008: Österreichweite Polizeiaktion – vermummte Polizisten treten Türen ein, verhaften mit gezogener Pistole 10 bekannte Tierschützer, z.T im Beisein geschockter kleiner Kinder, verwüsten bei 23 Hausdurchsuchungen Büros von Tierschutzorganisationen, beschlagnahmen Computer und Infrastruktur (z.B. Spenderdateien), legen die Tierschutzarbeit lahm.

In den nächsten Wochen berichten die Medien neutral. Auffällig ist nur der KURIER, der anfangs wie ein Sprachrohr der Staatsanwalt Wiener Neustadt wirkt. Das Landesgericht Wiener Neustadt, das in der Folge bei vielen den Eindruck besonderer Tierschutz-Feindlichkeit erweckt, ist geographisch für keine/n der 10 Gefangenen zuständig. Dies ändert sich in dem Augenblick, als wie durch ein Wunder ein elfter Name an der Spitze der Liste erscheint – jemand, der mit Tierschutz nichts zu tun hat, aber in die Zuständigkeit Wiener Neustadt fällt. Er wird weder informiert noch einvernommen noch beschuldigt und sein Name wird auch bald wieder entfernt. Es ist Matthias P. (siehe 24. April). Das Ganze war nichts anderes als ein Computerfehler, erklärt später Justizministerin Berger. Da die Zuständigkeit eines Gerichtes durch den ersten Namen auf einer Liste definiert ist, ist nun jedenfalls Wiener Neustadt für alle 10 zuständig. (Dieses Gericht fällt später in einem anderen Fall dadurch auf, dass es die Enthaftung eines irrtümlich wegen Mordversuchs Verurteilten mit allen Tricks verhindert – bis das Oberlandesgericht eingreift.)

Zahlreiche Proteste für die Tierschützer kommen aus dem In- und Ausland von Organisationen und Privatpersonen (u.a. Amnesty International, ProfessorInnen, eine Nobelpreisträgerin, Personen des öffentlichen Lebens). Vor vielen österreichischen Botschaften gibt es Demonstrationen.

Den Beschuldigten und deren Rechtsvertretern wird laufend die Einsicht in wichtige Akten verwehrt. Balluch tritt deswegen in einen lebensbedrohenden Hungerstreik.

7. Juni 2008: Der grüne Abgeordnete Peter Pilz weist in einem nur vordergründig humorvollen Artikel im Standard nach, dass eine Auslegung des ‘Anti-Mafia-Paragrafen’, wie sie gegen die Tierschützer konstruiert wurde, überraschende Folgen haben könnte: Viel eher als auf die Tierschützer treffen die Kriterien des Paragrafen nämlich auf andere, durchaus ehrenwerte Gesellschaften wie beispielsweise auf die ÖVP zu – eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung, eine wiederkehrende und geplante Begehung … strafbarer Handlungen (hier denkt Pilz an den Verdacht von Amtsmissbrauch und Amtsgeheimnis-Verrat, den damals gerade ein parlamentarischer Ausschuss untersucht), das Anstreben von erheblichem Einfluss auf Politik und Wirtschaft, der Versuch, andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern, die Abschirmung gegen Strafverfolgungsmaßnahmen (Beweismittel wurden dem Parlament vorenthalten). Wenn aber dereinst ‘Wega-Beamte … überraschten ÖVP-Abgeordneten die Pistolen an die Schläfen halten’ und sie in die U-Haft abführen, dann könne sich die ÖVP auf die Grünen verlassen, denn die werden nicht zulassen, ‘dass der Anti-Mafia-Paragraf politisch missbraucht wird’.

2. September 2008: Die Oberstaatsanwaltschaft kommt zu der Erkenntnis, die viele ÖsterreicherInnen schon Monate vorher hatten und in Demonstrationen und Beschwerdebriefen kundtaten: Die Dauer der U-Haft stehe in keinem Verhältnis zu der potenziellen Strafe. Sie verfügt die Freilassung der Inhaftierten nach über 100 Tagen Gefangenschaft.

28. April 2009: Prof. Max Siller (Universität Innsbruck) weist frappante Parallelen zwischen der Dämonisierung von Tierschützern und deren Sympathisanten und den mittelalterlichen Hexenprozessen nach (Brief an die Justizministerin).

10. Juni 2009: Erneute Hausdurchsuchungen bei einem der Verdächtigten, obwohl Hausdurchsuchungen bei ihm schon 2008 vorgenommen wurden.

16. Juni 2009: Justizministerin Bandion-Ortner lehnt Stellungnahme dazu im ORF ab.

Mitte August 2009: Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt reicht Strafantrag gegen die zehn Entlassenen ein. Gegen vier davon (u.a. Balluch) nur mehr nach § 278a wegen des abstrakten Verdachts der Mitgliedschaft in nicht bewiesenen ‘kriminellen Organisation’. Konkrete Beschuldigungen wie Brandstiftung, Buttersäreanschläge werden fallengelassen.

7. Oktober 2009:. Martin Balluch stellt sein Buch ‘Widerstand in der Demokratie’ vor. Er berichtet dabei erstmals über eine Richterin des Unabhängigen Verwaltungssenates, die, weil sie vor mehreren Jahren Tierschützer freizusprechen gewagt hat, jetzt plötzlich von der SOKO Pelztier abgehört und dann verhört wird – sie könnte ja mit der ‘kriminellen Organisation’ sympathisieren! (Der Fall wird in den nächsten Tagen von einigen Medien aufgegriffen, die eingeschüchterte Frau gibt aber auf Anraten ihres Rechtsanwaltes keine Stellungnahme ab).
Und der Verlagsleiter berichtet von Seltsamkeiten bezüglich der Buchpräsentation: Sie hätte ursprünglich im ORF stattfinden sollen. Die ORF-Redakteure waren begeistert, wollten dazu einen prominenten Gast aus Deutschland einfliegen, steckten dann schrittweise zurück, bis schließlich auch die ORF-Moderatorin absagte, die die Veranstaltung an dem neuen Ort (WUK) moderieren wollte.
Die ebenfalls anwesende Ex-Nationalratsabgeordnete Madeleine Petrovic schließlich berichtet von ihren eigenen Erlebnissen mit der Justiz: Diese hat ihr gerade eine Vorladung geschickt, in der sie sowohl als Zeugin als auch als Beschuldigte angeführt ist - sie soll Balluch nämlich einmal vor Schnüffel-Abhörern gewarnt haben. Durch die doppelte Zuordnung könnte man ihr in jedem Fall einen Strick drehen – als Angeklagte kann sie schweigen, als Zeugin muss sie aussagen. Seltsam: Dieselbe Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, die die Tierschützer so eifrig verfolgt, ignoriert stets ihre eigenen Anzeigen wegen gefährlicher Drohung (Petrovic bekommt laufend Drohbriefe wegen ihres Einsatzes für Migranten). Interessant auch, dass die Oberbehörde die Einvernahme von Petrovic den Wiener Neustädtern wegen Befangenheit entzogen hat – ein erstes Eingeständnis seitens des Justizapparates? Oder - bekommt nun auch die Oberbehörde Besuch von der SOKO?


Vergleicht man die Chronik der Tierschützer-Verfolgungen mit anderen in den letzten Monaten bekanntgewordenen Handlungen der Justizbehörde, wird man nachdenklich. So gehen die Staatsanwälte etwa mit Politbonzen und Porschefahrern offenbar anders um, zum Beispiel:

Das Verfahren gegen einen Kärntner Politbonzen, der mit seinen Ortstafel-Verrückungen dem Verfassungsgerichthof offen auf der Nase herumtanzt, wird eingestellt, weil er sich der Tragweite seiner Handlungen nicht bewusst gewesen sei …

Ein Staatsanwalt ‘vergisst’ eine 150 Seiten starke Amtsmissbrauchs-Anzeige gegen einen anderen Politbonzen so lange, bis sie verjährt ist …

Ein Porschefahrer fährt einen Motorradfahrer zu Tode, könnte durch Auswertung seiner Handydaten identifiziert werden. Der Staatsanwalt verbietet der Polizei, weiter zu ermitteln, weil der Porschefahrer den Unfall ‘nicht vorsätzlich’ verursacht habe (die folgende Fahrerflucht aber doch wohl schon …?). Den Hinterbliebenen (Frau und kleine Kinder) zahlt keine Versicherung etwas, weil der Täter ja nicht ausgeforscht werden kann …

Ist es ein Wunder, wenn vielen StaatsbürgerInnen massive Zweifel am Rechtsstaat aufsteigen? Nun könnte sich die Frau Justizministerin leicht herausreden, weil diese Fälle und die Tierschutz-Causa ja vor ihrer Amtszeit begonnen haben. Aber sie verteidigt heldenhaft jede einzelne dieser Entscheidungen (KURIER 15. Nov. 2009), will eine ‘Verunglimpfung’ der Justiz ‘nicht zulassen’. Es sei ja ‘beim geringsten Zweifel für die Angeklagten zu entscheiden’ (außer vielleicht bei Tierschützern?) und gegen mehr parlamentarische Kontrolle der Justiz ist sie auch. Leider wird sie nicht zu dem Fall der Richterin interviewt, die tatsächlich im Zweifel für die Angeklagten entschieden und sich damit Jahre später die SOKO Pelztier an den Hals geholt hat (s. oben). Also keine Kontrolle der Justiz durch das Parlament - aber vielleicht durch die Polizei? Dabei ist die Frau Minister visionären Neuerungen durchaus nicht abgeneigt, aber die scheitern halt an der Engstirnigkeit ihrer Politiker-Kollegen – etwa die Sondergenehmigung, die ihr die Benützung der Busspur hätte erlauben sollen.

Gegner: Wen die Tierschützer durch ihre Arbeit vergrämt haben

Der Verein gegen Tierfabriken und andere Organisationen haben durch ihre teils drastischen Aktionen (z.B. Großbildschirm-Vorführungen am Stephansplatz mit geheim aufgenommenen Videos aus Stallungen, Tierversuchslabors, Schlachthäusern u.ä.) vielen Menschen die Augen geöffnet und das Geschäft mit der Grausamkeit empfindlich beeinträchtigt. Auf manchen Gebieten haben sie in den letzten Jahren sogar Tierschutzgesetze durchgebracht, die zu den besten der Welt zählen. Aus Sicht der Behörden heißt das, dass sie damit ‘erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft’ ausüben wollen und damit eines der Kriterien für eine ‘kriminelle Organisation’ erfüllen. Das ist keineswegs ein Witz, sondern tierischer Behörden-Ernst. Sogar das Betreiben einer Eier-Prüfstelle ist für die Polizei ein Beweis für die Erpressung von Wirtschaftstreibenden.

Hier eine kleine Auswahl von Einzelpersonen und Gruppen, denen die Tierschützer im Laufe der Zeit auf den Schlips getreten sind:

Die (Sonntags-)Jägerschaft wurde jahrelang mit lästigen Treibjagd-Störungen und sonstigen Behinderungen geärgert. Der Rezensent hat selbst einmal an einer erfolgreichen Demo teilgenommen, um eine geschmackvolle Tradition dieser Elite-Menschen zu verhindern, nämlich in feierlicher Prozession einen toten Hirsch in den Stephansdom zu tragen.

Die Schweinezüchter haben mehr noch als die Hühnerfabrikanten und Pelztierzüchter (denen durch neue von den Tierschützern erzwungene Gesetze im wahrsten Sinne des Wortes die Felle ohnehin schon weggeschwommen sind) Grund für Hass und Handlungsbedarf: Hatten die Tierschützer doch geplant, jetzt die vom Gesetzgeber noch nicht ausreichend regulierte brutale Schweinezucht ins Visier zu nehmen – was natürlich durch die behördliche Schwächung der Tierschutzbewegung verzögert wird. Die Schweinezucht ist ein Millionengeschäft und geht mit großem politischem Einfluss einher.

Der frühere Abt von Kremsmünster zum Beispiel, Oddo Bergmair, hat viele Jahre lang eine grausame Schweinezucht betrieben und musste sie schließlich unter dem Druck öffentlichkeitswirksamer Tierschutz-Bittwallfahrten einstellen.

Die Zirkusbetreiber zwingen oft Wildtiere zu unnatürlichen Darbietungen, die Schmerz und Verkrüppelung nach sich ziehen. Friedliche Proteste von Tierschützern arteten oft zu schweren Körperverletzungen aus, die stets vom Zirkuspersonal – vom Clown bis hin zum Direktor - verursacht, vom VgT durch Fotos und Videos dokumentiert und von der anwesenden Polizei oft ignoriert wurden.
Nach vielen Jahren und vielen verletzten Tierschützern erlässt Österreich 2005 ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen. Da die Zirkusdirektoren nicht auch alle österreichischen Parlamentarier verprügeln können, beschweren sie sich bei der EU über diesen ‘Verstoß gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit’. Charlie McCreevy, willfähriger Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, schreibt auch prompt einen Drohbrief an die Bundesregierung: Der klassische Zirkus habe eine Jahrhunderte alte Tradition mit Wildtieren, das österreichische Gesetz zwinge einreisende EU-Zirkusse, ihr Programm für Österreich zu ändern und müsse zurückgenommen werden. Die Regierung aber bleibt überraschenderweise fest und nach zweijährigem Nachdenken kommt dem Herrn Kommissar die Erleuchtung, das Gesetz sei doch nicht EU-widrig. Im Oktober 2009 allerdings reicht der europäische Zirkusverband (laut Tierschützern eine Minderheit von rückständigen Zirkusdirektoren) eine Klage beim österreichischen Verfassungsgerichtshof ein.

Pelztierzüchter: Sind immer noch wütend über das von den Tierschützern durchgebrachte Zuchtverbot für Österreich.

Modehäuser: Nachdem Peek & Cloppenburg dem Druck der Tierschützer nachgegeben und auf den Verkauf von Pelz-Accessoires verzichtet hat, stößt Kleiderbauer in die sich öffnende Marktlücke vor. Dies führt zu wiederholten lästigen, lautstarken Protesten von Tierschützern. Legale, angemeldete Demonstrationen werden von der Polizei nach Meinung der Tierschützer ungerechtfertigt behindert. Die Behörden arbeiten auch insoferne mit Firmen zusammen, als sie ihnen den guten Rat geben, vor ihrem Geschäftslokal selbst Demonstrationen (etwa: für Pelzmäntel) anzumelden (und natürlich nicht durchzuführen – aber so können echte Demos am gleichen Platz verboten werden). Foggensteiner hat jahrelang solche Phantom-Demos 24 Stunden lang angemeldet und so mit Hilfe der Behörde die Tierschützer ausgetrickst.

Zurück zum edlen Waidwerk und zu der dazugehörenden Elite aus Wirtschaft und Politik – vorher aber eine Quizfrage: Von welchem durchgeknallten Tierrechtler stammt wohl der folgende Ausspruch: »Jagd ist nur eine feige Umschreibung für besonders feigen Mord am chancenlosen Mitgeschöpf. Die Jagd ist eine Nebenform menschlicher Geisteskrankheit«?
Antwort:Von Theodor Heuss, dem ersten Präsidenten der Bundesrepublik
Deutschland.


Herr Graf Mennsdorf-Pouilly soll u.a. jahrelang für Jagdbelustigungen Fasane unter Bedingungen gezüchtet haben, unter denen sich die verzweifelten Tiere gegenseitig totgepeckt hätten, wenn ihnen nicht die Schnäbel durchbohrt und zugeklammert worden wären. Der VgT hat diese Praxis aufgedeckt.

Frau Dr. Rauch-Kallat, Gemahlin des Herrn Grafen, hat einen Prozess gegen den VgT gewonnen – die Behauptung des VgT, das Ehepaar Mennsdorf-Pouilly-Rauch-Kallat betreibe die oben beschriebene Fasanenzucht, war nämlich falsch – weil sie nur vom Herrn Gemahl betrieben wurde. Einen zweiten Prozess hat sie allerdings verloren – der VgT hatte ihre Versäumnisse als für den Tierschutz zuständige Umweltschutzministerin aufgelistet und das Gericht befand, dass es sich dabei um bloße Fakten handelte.

Herr Landesjägermeister Dr. Christian Konrad, Raiffeisen-Chef mit angeblich enormem Einfluss auf österreichische Politik und Medien, insbesondere auf den KURIER.

Ist es wirklich undenkbar, dass der eine oder die andere der oben erwähnten Interessensgruppen oder Einzelpersonen die Behörden ein wenig ermutigt haben, die haarsträubenden und zunehmend widersinnigen Aktionen gegen den Tierschutz vom Zaun zu brechen?

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Anhang 1: Zwei Briefe des Rezensenten an die Justizministerin. Der erste blieb unbeantwortet. Der zweite, mit zahlreichen Unterschriften u.a. von Professoren und anderen Personen des öffentlichen Lebens, wurde beantwortet.

Mehr dazu: VGT

Brief 1

(Datum? Jedenfalls nach Vorliegen des Polizeiberichtes Frühjahr 2009).

Sehr geehrte Frau Minister, Als Nicht-Vegetarier und nur lauwarmer, nicht-aktiver Tierfreund fühle ich mich verpflichtet, Ihnen gegenüber meiner Besorgnis über gewisse Entwicklungen Ausdruck zu geben:

Die für Österreich, aber auch für jegliches andere zivilisierte Land, äußerst ungewöhnlichen behördlichen Aktionen gegen Tierschützer haben viele Beobachter vor den Kopf gestoßen. Die inhaltlich sehr mageren Ergebnisse des im übrigen haarsträubenden polizeilichen Schlussberichtes (ich habe den Teil über DDr. Balluch gelesen) scheinen nun zu bestätigen, dass - in Zeiten, wo Justiz- und Polizeiapparat aus budgetären Gründen seit Jahren schwer überlastet sind (Stichworte z.B.: Einbrüche, Banküberfälle, Kampusch) - möglicherweise leichtfertig millionenteure Überwachungs- und Einschüchterungsmaßnahmen gesetzt wurden, die in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Resultaten stehen.
Schon die filmreifen Verhaftungen mit Maske und gezogener Pistole, das Eintreten der Türen usw. können wohl nur als Übung für den Ernstfall und nicht als ernst zu nehmende Gefahrenabwendung angesehen werden, da die Behörden ja auf Grund ihrer jahrelangen Abhöraktivitäten wissen mussten, dass keinerlei gewaltsamer Widerstand zu erwarten war. Dies ist auch aus dem Bericht ersichtlich, der nirgendwo einen Hinweis auf für die Einsatzkräfte bedrohliche Vorkehrungen seitens der Tierschützer enthält. Aus diesem Schlussbericht geht aber auch hervor, dass fast alle Anschuldigungen aus bloßen Insinuationen und Vermutungen bestehen. Konkret gibt es nur einige private telefonische deftige Bemerkungen, die, offensichtlich auch aus dem Zusammenhang gerissen, den Eindruck des Ungehörigen vermitteln können.
Das Vertrauen vieler anständiger StaatsbürgerInnen in den Rechtsstaat ist durch diesen vielleicht eklatantesten Anschlag auf die österreichischen Grundrechte seit dem Zusammenbruch der Naziherrschaft und dem Abzug der Russen schwer erschüttert. Schließlich ist zu befürchten, dass in Zukunft ähnliche Einschüchterungs-Aktionen auch gegen jede Art von engagierten Menschen und deren "Sympathisanten" und finanzielle Unterstützer angezettelt werden können, wenn sie die Geschäfte vereinzelter Branchen gefährden. Dies könnte aktive Gentechnikskeptiker, Atomkraftgegner, Nationalparkfreunde ebenso treffen wie etwa humanitäre Gruppen, die sich für den Boykott bestimmter unter menschenrechtsverachtenden Bedingungen produzierter Erzeugnisse einsetzen. Irgendein Wirtschaftszweig wird solch umsatzsenkendes Engagement immer mit Missfallen registrieren und seinen Einfluss geltend machen, um zu versuchen, die unbequemen Kritiker mundtot zu machen.
Ich ersuche Sie daher, sehr geehrte Frau Minister, alles in Ihrer Macht stehende zu unternehmen, um ein für allemal
sicherzustellen, dass der dubiose § 278a des Strafgesetzes ehebaldigst dahingehend reformiert wird, dass er zwar wie ursprünglich vorgesehen gegen echte mafiöse Vereinigungen wie Menschen-, Drogen-, Falschgeldhändler usw. eingesetzt werden kann, jedoch nicht gegen aktive Bürger, deren Engagement die Geschäfte vereinzelter fragwürdiger Wirtschaftssektoren beeinträchtigt ( z.B. Pelzhandel, Billigst-Schweinehaltung, qualvolle Aufzucht von Fasanen als Zielscheibe für Sonntagsjäger usw.),
sicherzustellen, dass teure Lausch- und Spitzelaktionen bei offensichtlicher Sinnlosigkeit vorzeitig abgebrochen werden, bevor die verschwendeten Steuergelder Millionenbeträge erreichen und damit für die Behörden schwerwiegende Erfolgszwänge entstehen,
sicherzustellen, dass die Geschäftsinteressen einzelner nicht zu einer ungebührlichen Beeinflussung behördlicher Apparate führen können,
sicherzustellen, dass nicht, während Bankräuber und Einbrecher ungestört ihren Aktivitäten nachgehen, Dutzende hochqualifizierter Ermittler ausfallen, weil sie in einer Soko Pelztier Dienste verrichten müssen, an deren Sinnhaftigkeit sie vielleicht selbst nicht glauben,
sicherzustellen, dass nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird und es so zu überzogenen Einsatzbefehlen an anderswo dringend benötigte Polizeikräfte kommt, die dann natürlich auch Mittel anwenden, die nur bei der Bekämpfung echter gefährlicher Kriminalität zum Einsatz kommen sollten,
sicherzustellen, dass Österreichs Ansehen in der Weltöffentlichkeit nicht weiter leidet und dass der vorliegende Fall zu einer guten österreichischen Lösung führt. Die drei Monate ihres Lebens, die jeder der Festgenommenen als Untersuchungshaft verloren hat, sind für dumme Bemerkungen, die bei abgehörten privaten Gesprächen gefallen sein mögen, und für etwaige Aktionen des zivilen Ungehorsams sicherlich mehr als genug Bestrafung.
Die obgenannten Maßnahmen könnten das erschütterte Vertrauen vieler denkender BürgerInnen in die Rechtsstaatlichkeit der Republik Österreich und in ihre PolitikerInnen wieder festigen.
Schließlich möchte ich Sie, sehr geehrte Frau Minister, noch dringend ersuchen, den polizeilichen Abschlussbericht - wenigstens auszugsweise - selbst zu lesen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir mitteilen könnten, ob dieser Bericht nicht auch bei Ihnen wie bei vielen anderen anständigen, unbescholtenen BürgerInnen große Verunsicherung und Besorgnis auslöst und ob Sie nicht auch meinen Eindruck teilen, den ich Ihnen im Folgenden noch kurz skizzieren darf:
Methodisch erscheint mir der polizeiliche Schlussbericht erschreckend: Wiederholtes Verschweigen von Alibis und sonstigen entlastenden Fakten (lt. Berichts-Kommentar von DDr. Balluch), Aufzählung von harmlosen, manchmal fast komischen NGO-Aktivitäten ohne kriminelle Aspekte, Mehrfachbesprechung von bereits behandelten Meldungen zur Aufblähung des Volumens des inhaltlich mageren Berichtes, Berichte über Handlungen anderer Personen, wo eine Beteiligung des Observierten nicht einmal von den Verfassern behauptet wird, Formeln wie Es wird angenommen, offenbar, möglicherweise, vermutl., höchstwahrscheinlich, wird ... kennengelernt haben, ... ist davon auszugehen, es wird von ausgegangen, muss von ... ausgegangen werden, ... kann davon ausgegangen werden, den Schluss zulassen ..., mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, weiters eine erschütternd falsche Übersetzung aus dem Englischen, die aus einer auf zwei Jahre bedingten (und erlassenen) Geldstrafe von 50 englischen Pfund eine zweijährige bedingte Haftstrafe macht, sowie zahlreiche andere Seltsamkeiten in dem Bericht dürften jedem unbescholtenen Bürger die Haare zu Berge stehen und ihn an Österreichs Rechtsstaatlichkeit (ver)zweifeln lassen. Letztlich: Für ein linguistisches Gutachten, das etwas gegen Balluch beweisen soll, dabei aber - bei aller Sympathie für die Linguistik (bin selbst Linguist) - wie alle solchen Gutachten mit einem erheblichen Unsicherheitsfaktor behaftet ist, soll der horrende Betrag von 40.000 Euro ausgegeben worden sein - überraschend in Zeiten wie diesen.
Ich sehe Ihrer Rückäußerung mit Interesse entgegen und verbleibe mit dem Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung
Ihr

Mag. Dr. Gernot Neuwirth

Brief 2, unterschrieben von über 80 Professoren und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens

APPELL zum § 278 a des Strafgesetzbuches und zu drohenden Anklagen gegen
Tierschützer

Am 21. Mai 2008 kam es in ganz Österreich zu einem offenbar akkordierten Einsatz von Spezialeinheiten der Polizei gegen Mitglieder von Tierschutzvereinen. Die dabei angewandten Methoden des gewaltsamen Zutritts, der Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und Verhaftungen sind bei als gewaltbereit oder terroristisch bekannten Personen oder Organisationen angebracht, widersprechen aber gegenüber bisher unbescholtenen Bürgern, die lediglich im Verdacht von Sachbeschädigungen standen, dem menschenrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit.
Diese Aktion stützte sich auf §278a des Strafgesetzbuches, der geschaffen wurde, um gegen kriminelle Organisationen (u.a. Schlepper, sexuelle Ausbeutung, Menschenhandel, Rauschgifthandel, Terrorismus etc.) vorgehen zu können. Drei wesentliche Tatbestandselemente müssen erfüllt sein:
a) wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen und
b) Anstreben von Bereicherung in großem Umfang oder von erheblichem Einfluss auf Politik oder Wirtschaft und
c) Versuch, andere zu korrumpieren, einzuschüchtern oder sich auf besonderer Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen.


ANLÄSSLICH DER DEN TIERSCHÜTZERN NUN DROHENDEN ANKLAGEERHEBUNG APPELLIEREN DIE UNTERZEICHNETEN AN SIE, SEHR GEEHRTE FRAU MINISTER, SICH DAFÜR EINZUSETZEN, DASS


1. §278a des Strafgesetzbuches nur so angewendet wird, wie dies bei seiner Beschlussfassung gedacht war, nämlich zum Schutz vor terroristischen und kriminellen Organisationen, nicht aber als Einschüchterungsmaßnahme für Organisationen der Zivilgesellschaft, deren Handeln auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse ausgerichtet ist oder dem Schutz von Menschenrechten oder dem Schutz vor Ausbeutung anderer Lebewesen dient.
Dies bedeutet, dass entweder durch Novellierung des §278a oder durch einen erklärenden Erlass eine offenbar dem Sinn dieses Paragraphen widersprechende Auslegung und Anwendung verhindert wird. Sollte der Paragraph in seiner derzeitigen Fassung als hinreichend klar empfunden werden, wäre die im Fall der Tierschützer dann offenbar missbräuchliche Anwendung entsprechend zu verfolgen und zu ahnden.

2. die im vergangenen Jahr aufgrund §278a des Strafgesetzbuches inhaftierten Tierschützer diesbezüglich rehabilitiert und entschädigt werden.
Sollte gegen einzelne Personen der begründete Verdacht einer konkreten strafbaren Handlung, wie etwa Sachbeschädigung, vorliegen, so wäre die Anklage ausschließlich auf diesen Straftatbestand und auf diese konkreten Personen (nicht aber die Funktionäre der Vereine) zu beschränken.

Die Unterzeichneten betrachten die Erfüllung dieser Forderungen als demokratiepolitische Notwendigkeit, will man nicht jede zivilgesellschaftliche Aktivität, insbesondere solche, die der Erhaltung der Grundwerte dienen, ersticken.

(mehr als 80 Unterschriften von Professoren und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens)

Und hier die Antwort aus dem Justizministerium – schwer verständlich selbst für einen studierten Sprachwissenschaftler:

R E P U B L I K Ö S T E R R E I C H
BUNDESMINISTERIUM FÜ R J U S T I Z
BMJ-D1133/0034-IV 3/2009
Mag. Viktor Eggert
Herrn
Univ.-Lektor Mag. Dr. Gernot Neuwirth

Wien, am 25. August 2009

Sehr geehrter Herr Univ.-Lektor Mag. Dr. Neuwirth!

Zu Ihrem an die Bundesministerin für Justiz gerichteten Appell vom 15. Juni 2009, in dem Sie auf das gegen Tierrechtsaktivisten geführte Strafverfahren Bezug nehmen, darf ich Ihnen eingangs namens der zuständigen Fachabteilung im Bundesministerium für Justiz versichern, dass die Tätigkeit von gemeinnützigen Organisationen seitens der Frau Bundesministerin als wertvoller und unverzichtbarer Beitrag für das Funktionieren unserer Gesellschaft angesehen wird. Soweit Ihr Appell auf eine Novellierung bzw. restriktive Auslegung des § 278a StGB im Sinne einer Beschränkung auf die organisierte Kriminalität im Bereich des Drogenhandels, des Terrorismus und ähnlicher Auswüchse grenzüberschreitender Delinquenz abzielt, begrüße ich diesen ausdrücklich als einen Anstoß zur sachlichen Diskussion, teile Ihre Bedenken einer missbräuchlichen Anwendung in Ansehung gemeinnütziger Organisationen jedoch nicht.
In seinem Erkenntnis 15 Os 116/08k vom 21. Oktober 2008 hat sich der Oberste Gerichtshof ausführlich mit der Frage der Anwendbarkeit von § 278a StGB auf Personen im Umfeld von gemeinnützigen Organisationen (hier konkret Tierschutzorganisationen) auseinandergesetzt. Im Detail darf daher auf die in
anonymisierter Form veröffentlichte Entscheidung verwiesen werden. Hervorzuheben ist die Beurteilung des Obersten Gerichtshofes, wonach nicht die Mitgliedschaft an legal geführten Vereinen oder sonstigen Gruppierungen, deren Tätigkeit sich auf Aktionen nicht strafgesetzwidrigen Inhalts beschränke und bei Bundesministerium für Justiz, Museumstraße 7, 1070 Wien, Tel: +43 1 52152 0*, Fax: +43 1 52152 2727
denen u.U. einzelne Mitglieder strafbare Handlungen verübt hätten, die Strafbarkeit begründet. Im konkreten Fall richte sich der Vorwurf aber gegen den die Voraussetzungen des § 278a StGB erfüllenden Zusammenschluss von Personen, die sich nach der Verdachtslage, mögen sie auch teils Führungspersönlichkeiten, teils Mitglieder oder Sympathisanten von legal agierenden Vereinen oder Gruppierungen sein, von Letzteren unabhängig, wenn auch mit selber Zielsetzung, zusammengeschlossen und die gesetzmäßig agierenden Vereinigungen oder Gruppierungen sowie von diesen legal veranstaltete Demonstrationen oder Aktionen als Deckmantel für die Begehung fortgesetzter, schwerwiegender strafbarer Handlungen sowie als Möglichkeit missbraucht hätten, sich nach der Verwirklichung derartiger strafbaren Handlungen im Kreise der gutgläubigen Demonstranten zu verbergen.

Die Bestimmung des § 278a StGB diene dem Zweck, organisierter Kriminalität entgegenzutreten. Bei Umschreibung der strafbaren Handlungen, auf deren Begehung die Organisation, wenn auch nicht ausschließlich, ausgerichtet sein muss, habe der Gesetzgeber bewusst von einem festen Deliktskatalog Abstand genommen und statt dessen allgemein auf schwerwiegende Straftaten der im § 278a Abs 1 Z 1 StGB bezeichneten Art abgestellt. Durch diese Tatbestandsvoraussetzung sei eine ‘uferlose Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 278a StGB auf Personengruppen’, ‘welche nach bisherigen Verständnis im unteren Gefährlichkeits bzw. Schädigungsbereich des geltenden Strafrechts anzusiedeln waren’, ausgeschlossen.

§ 278a StGB kann – und darf – es nicht ermöglichen, Personen auf Grund Ihrer Mitgliedschaft in einer gemeinnützigen Organisation der Strafverfolgung auszusetzen. Gleichzeitig wäre es jedoch nicht tragbar und für das Ansehen von gemeinnützigen Organisationen zudem schädlich, wenn die Mitgliedschaft zu einer derartigen Organisation vor Strafverfolgung schützen würde.

Anhang 2: Und hier noch ein Brief an den Bundespräsidenten, 3. Juni 2008:

Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

In den 68 Jahren meines Lebens musste ich noch niemals mit Gefängnissen oder Polizeiwillkür Bekanntschaft machen, habe aber durch meine Arbeit als Lehrbeauftragter für Umweltpolitik an österreichischen und internationalen Universitäten einen Eindruck bekommen, wie in anderen Ländern mit den Menschenrechten von Naturschützern und Tierrechtsaktivisten umgegangen wird.

Die Aktion österreichischer Behörden gegen Tierschützer am 21. Mai 2008 erinnert in beklemmender Weise an das Vorgehen etwa der Behörden Rotchinas.

Ich beobachte berufsbedingt auch die österreichische Szene und habe aus der Vergangenheit, den laufenden Zeitungsberichten und den Aussendungen des VgT folgenden Eindruck:

Durch Aufzeigen von brutalen, oft auch gesetzwidrigen Tierquälereien hat sich der "Verein gegen Tierfabriken" bei Behörden und Politikern ebenso mächtige Feinde geschaffen wie bei der Jägerschaft (z.B. durch gewaltfreie Verhinderung der "geschmackvollen" Jäger-Zeremonie, einen toten Hirsch in den Stephansdom zu tragen) und in kirchlichen Kreisen (jahrelange und letztlich erfolgreiche Bitt-Wallfahrten, um den Abt von Kremsmünster zur Aufgabe seiner tierquälerischen Schweinezucht zu bewegen).

Wenn dieser Verein jedoch wirklich schon seit Jahren beschattet wurde, dann wusste die Polizei, dass sie bei ihrem Überfall mit keinerlei Gegenwehr zu rechnen hatte.

Trotzdem kam sie in Vermummung und mit Rammböcken, zwang mit der Pistole im Anschlag eines ihrer Opfer, sich in Gegenwart eines kleinen Kindes an die Wand zu stellen und eine Frau, sich nackt fotografieren zu lassen.

Diese unglaubliche, jegliche Verhältnismäßigkeit sprengende Behördenwillkür wurde anschließend fortgesetzt durch die Behandlung des DDr. Balluch im Gefängnis selbst, wo er als Nichtraucher extra mit einem Kettenraucher zusammengesperrt wurde, was in meinen Augen nicht nur den Tatbestand einer Verletzung der Menschenrechte, sondern moeglicherweise sogar eine Folter darstellt. Als er endlich Besuch empfangen durfte, wurde ihm dafuer der Ausgang in den Hof gestrichen. Weiters wurde ihm Waschen und frische Kleidung verwehrt und ebenso elektrisches Licht.

Ich bin entsetzt darueber, das sich all das in unserem Land abspielt und appelliere dringend an Sie, sich fuer ein sofortiges Ende dieses Rambo-Spuks einzusetzen, auch um dauernden Schaden fuer DDr. Balluch durch seinen Hungerstreik abzuwenden und den gefaehrdeten Ruf Oesterreichs als zivilisiertes Land zu retten.

Mit besten Gruessen

Ihr
G. Neuwirth


Das automatisierte Antwort-Mail vom Herrn Bundespräsidenten vom 6. Juni 2008 kann der Rezensent mit seinen dürftigen technischen Kennnissen nicht einfügen (scheint besonders geschützt, weiß nicht warum), aber es läuft darauf hinaus, dass sich Dr. Fischer sicher ist, dass die österreichischen Behörden ‘mit besonderer Umsicht und unter Achtung der Menschenwürde der Betroffenen’ vorgehen.



Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /