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Eine Chronik gefährlicher Kurzschlüsse und Blitzschläge in deutschen Atomkraftwerken

1977: Nach 10 Minuten stand das Wasser im Reaktorgebäude 3-4 Meter hoch

Ebenso wie im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark ein
Kurzschluss außerhalb der Anlage einen Beinahe-GAU auslöste, ist auch vor knapp 30 Jahren ein externer Kurzschluss die Ursache für den Großunfall und Totalschaden von Block A des deutschen Atomkraftwerks Gundremmingen gewesen. Am 13. Januar 1977 kam es in den beiden abführenden Stromleitungen dieses Akws nach einem Kälteeinbruch und einem Blitzschlag zu Kurzschlüssen, so dass das Atomkraftwerk seinen Strom nicht mehr ableiten konnte.

Aufgrund von mehreren Fehlern in der Steuerung des Atomkraftwerks kam es zur Schnellabschaltung, was zu einem schnellen Druckanstieg und zur Dampfabblasung ins Reaktorgebäude führte und in Folge dessen zu Rissen in Sicherheitsventilen und Rohrleitungen. Schon nach rund zehn Minuten stand im Reaktorgebäude das Wasser drei bis vier Meter hoch, die Temperatur war auf brisante 80 Grad Celsius angestiegen. Das Atomkraftwerk erlitt einen Totalschaden und ging nie wieder in Betrieb.

"Es geht nicht vorrangig darum, Schaltpläne von AEG-Notstromsystemen zu analysieren und zu schauen, ob genau die gleiche Schaltung auch hierzulande vorkommt", meint Henrik Paulitz, Atomexperte der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW. "Es mag zwar im Interesse der Atomkraftwerksbetreiber und der Atomaufsicht liegen, die Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf diese Detailfrage zu beschränken. Sie lenkt aber geschickt von dem grundlegenden und ungelösten Problem ab, dass Unwetter und Kurzschlüsse in Atomkraftwerken jederzeit zur Katastrophe führen können. Die derzeitig häufigen Sommergewitter mit Blitzschlägen stellen eine akute Gefahr dar."

Chronik einiger vergleichbarer Störfälle in deutschen Druck und Siedewasserreaktoren:

- AKW Gundremmingen am 13. Januar 1977: Kälte und Blitzschlag, Kurzschluss, Abfangen auf Eigenbedarf misslingt, Notstromfall, Druckanstieg und Dampfabblasung, AKW-Totalschaden, endgültige Stilllegung

- AKW Neckarwestheim-1 am 6. Juni 1982: Blitzschlag in das 220-kV-Hochspannungsnetz, Abfangen auf Eigenbedarf misslingt, die automatische Umschaltung auf das Reservenetz misslingt, Notstromfall

- AKW Isar-1 am 29. Mai 1983: Blitzschlag, Ausfall mehrerer Elektronikkarten und der Speisewasserbehälterfüllstandsanzeige, Reaktor und Turbinenschnellabschaltung

- AKW Krümmel 4. August 1984: Blitzschlag, Ausfall von Messkreisen, Leistungsreduzierung

- AKW Biblis B am 4. Mai 1986: Blitzschlag während der Revision, Abschaltung der Reservenetzeinspeisung, Notstromfall

- AKW Biblis am 19. April 1988: Explosion eines 220-kV-Stromspannungswandlers, Kurzschluss, Ausfall des Reservenetzanschlusses, Doppelter Notstromfall in Biblis Block A und Block B

- AKW Brokdorf am 23. Februar 2003: Sturm, Kurzschlüsse in Freileitungen des 400-kV-Netzes in Kraftwerksnähe, Abschaltung von AEG-Gleichrichtern im Notspeisegebäude; Teilausfall der Notstromversorgung

- AKW Biblis B am 8. Februar 2004: Sturm, Kurzschluss im 220-kV-Netz, fehlerhafte Netztrennung, Abfangen auf Eigenbedarf misslingt, Notstromfall, Schnellabschaltung, Teilausfall der Notstandsstromeinspeisung für Block A

- AKW Brunsbüttel am 23. August 2004: Kurzschluss in einer Kabelverbindung des Eigenbedarfs vermutlich aufgrund von Alterungserscheinungen und nachgerüsteten Blitzschutzmaßnahmen, Kabel verschmorte auf 1 Meter Länge, Reaktor und Turbinenschnellabschaltung, Nichtverfügbarkeit eines Notstromdiesels



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