© Johannes Nendwich
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Berufsdemonstrant oder Aktivist aus Berufung?

14 Jahre Öko-Engagement und kein bißchen weise - äh - müde. Warum Johannes Nendwich, unser Held des Monats, noch immer nicht die Nase voll hat

© Johannes Nendwich
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Seit 14 Jahren ist Johannes Nendwich ehrenamtlicher Aktivist, bei Global2000, Greenpeace, VgT, Vier Pfoten und Virus. Als alter Hase in der "Szene" läßt er sich gerne bezeichnen, zum alten Eisen gehörig fühlt er sich noch lange nicht.

ÖN: Wie hat Deine "Karriere" begonnen und wieso bist Du noch immer dabei?

JN: Meine erste Aktion war 1991, eine Tagung der IAEO (Internationale Atomenergie Organisation, manche sagen auch Internationale Atommafia dazu) in der Hofburg in Wien. Eine Freundin fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, bei einer Greenpeace-Aktion mitzumachen. Brav und angepaßt wie ich damals noch war, willigte ich ein, als dokumentierender Kameramann zu fungieren. Obwohl der Akku zwei Minuten nach Beginn der Aktion den Geist aufgab, war mir auf jeden Fall nach der Aktion klar, daß ich das nächste Mal auf der anderen Seite der Linse stehen würde.

Warum ich immer noch dabei bin? Na ja, wenn ich mich so umschaue, habe ich nicht den Eindruck, daß mensch schon die Hände in den Schoß legen kann, trotz der vielen Erfolge, die schon erreicht wurden.

ÖN: Hat es überhaupt einen Sinn, sich zu engagieren? Den Organisationen wird jaoft vorgeworfen, hauptsächlich mit der Spendenverwaltung beschäftigt zu sein.Was kann einen jungen (aber auch älteren) Menschen heutzutage noch dazu bewegen, sich ehrenamtl

JN: Auf jeden Fall kann ich nicht ruhig dasitzen und zuschauen, wie einige wenige die anderen unterdrücken, ausbeuten, sich auf deren Kosten bereichern und dabei unseren wunderschönen Planeten ruinieren. Auch wenn es abgedroschen klingt, möchte ich mir dereinst nicht vorwerfen lassen müssen, nichts dagegen getan zu haben.

Und in Zusammenarbeit mit einer (oder mehreren) Organisation kann ich mehr erreichen als alleine. Wenn die NGOs auch nicht absolut fehlerfrei sind, ist es für mich doch am effektivsten, meine Energie dort einzusetzen.

Eine "gewisse grundstörrische Haltung" (Zitat Achternbusch) im Sinne einer Karriereverweigerungstendenz gehört wohl schon dazu, wenn mensch sich ehrenamtlich engagiert anstatt die Ich-Aktie zu pushen und die Ego-Marke zu promoten.

ÖN: Was hältst Du von den österreichischen PolitikerInnen?

JN: Es ist ihre Aufgabe, die Politik so zu gestalten, daß alle was davon haben und sie sich nicht nur als willfährige Handlanger der Großkonzerne und des internationalen Kapitals betätigen sollen! Derzeit ist es ja so, daß die Leute arbeiten und Steuern zahlen, mit denen dann die PolitikerInnen bezahlt werden, die wiederum gegen die Interessen dieser Menschen handeln. D.h. die Menschen zahlen nochmals an NGOs, damit diese gegen die PolitikerInnen gute Arbeit leisten, und dann soll mensch nochmals Zeit, Geld und Energie aufwenden für Unterschriftenlisten, Protestmails, Infostände, Bürgerinitiativen, ... eigentlich eine ziemliche Ver...hinterung der Bevölkerung! Ein trauriger Höhepunkt vor kurzem war ja z.B. das Stutzen der UVP mit tatkräftiger Mithilfe des sogennanten Umweltministers!

ÖN: Nochmals zu den NGOs. Es wird ihnen immer wieder übertriebene Panikmachevorgeworfen. Wie siehst du das?

JN: Ja, ja, diese alte Leier! In Österreich hat das vor einigen Jahren bei einer Wochenzeitschrift angefangen, die sich quasi beklagt hat, daß der Wald nicht gestorben ist, trotz der hysterischen Warnungen der Ökos. Die Wahrheit ist natürlich, daß er WEGEN dieser Warnungen überlebt hat, weil dadurch Maßnahmen dagegen ergriffen wurden. Es ist schon eine ziemliche Chuzpe, den NGOs ihren Erfolg vorzuwerfen und somit den Beweis ihrer Existenzberechtigung für das Gegenteil zu mißbrauchen.

ÖN: Kommen wir zum Aktionistischen: was machst Du als Aktivist?

JN: Im Prinzip alles, d.h. von Webpage machen, Datenbank füttern, Recherche (sowohl Feld als auch Computer) zu einem Thema, Transparent malen über Flugzettel verteilen, Infostände machen, Straßentheater bis zu Straßen- und Baustellen-Blockaden und Transparente von Dächern und Schornsteinen hängen, wobei ich mich im Lauf der Jahre auf's Klettern spezialisiert habe und da seit einiger Zeit auch als Trainer für die nächste Generation von AktivistInnen tätig bin. Jede dieser Tätigkeiten ist gleichwertig und wichtig und notwendig.

ÖN: Was verdient mensch so als Berufsdemonstrant? ;-)

JN: 1.800,- Schilling waren es vor kurzem, oder? Wieviel der Gadhaffi damals in Hainburg bezahlt hat, weiß ich nicht. O.k., Scherz beiseite. Natürlich gibt es auch kleine Aufmerksamkeiten oder Gegenleistungen für AktivistInnen: Wenn die Aktion sich über den ganzen Tag oder länger hinzieht, dann krieg ich eine Verpflegung (wenn ich wo angekettet bin, könnte ich sie mir sowieso nicht selbst besorgen), wenn ich ins Ausland zu einer Aktion fahre (weil ich von dort "angefordert" wurde), zahle ich klarerweise nicht selber den Fahrschein, ich werde zur Weihnachtsfeier und zu Betriebsausflügen eingeladen, und wenn ich als Trainer tätig bin (was kein Bestandteil des "normalen" AktivistInnentums ist), dann gibt's eine kleine Aufwandsentschädigung. Das ist es im Wesentlichen.

Halt, das Wichtigste hätte ich fast vergessen: Ich habe viele gute Freunde und Bekannte, sowohl unter den AktivistInnen als auch den Büro-Angestellten, d.h. ich verbringe die Zeit mit gleichgesinnten Menschen und fühle mich sehr wohl dabei.

Insgesamt war ich in den 14 Jahren vier Monate halbtags, ein Monat Vollzeit und ca. ein Jahr geringfügig beschäftigt/angestellt.

ÖN: Was war deine beste Aktion?

JN: Die beste gibt es so nicht. Zu den Highlights zählt sicher die monatelange Autobahnaustellenbesetzung inkl. dreimaliger Räumung bei der Ennsnahen Trasse 1993 im steirischen Ennstal. Was mich am meisten dort beeindruckt hat, war die quasi familienartige Aufnahme durch einen Teil der Bevölkerung.

ÖN: Die "schlechtesten" Aktionen?

JN: Das kommt drauf an. Eine Kandidatin ist sicher die Pyhrn-Autobahn-Baustellen-Besetzung 1994: Der Rückhalt in der Bevölkerung war sehr gering und in einem unachtsamen Moment unsererseits hat uns die Polizei überrascht und die Baustelle war in kurzer Zeit ohne nennenswerte Gegenwehr geräumt.

In anderer Hinsicht ist die Aktion beim ungarischen AKW Paks 2003 zu nennen: Ich war 22 Stunden im Gefängnis, in einer Zelle mit zwei Ungarn, von denen ich nicht wußte, welcher Delikte sie sich schuldig gemacht hatten. Nach einer nicht in erholsamen Tiefschlaf verbrachten Nacht und zusammen mit der folgenden Gerichtsverhandlung, wo ich wohl als erster und einziger Mensch mit nacktem Oberkörper sogar in die Medien Einzug gefunden habe, sind die Erfahrungen mit den Behörden als kafkaesk zu bezeichnen.

Aber auch die Ennstal-Sache hatte einen unangenehmen Beigeschmack: ich wurde mit einer Schadenersatzklage von damals 56.000,- öS beglückt! - Freispruch.

Äußerst unangenehm in Erinnerung ist mir auch die Räumung bei einer Anti-Atom-Aktion in Prag 2000. Ich hatte noch den ganzen Tag Halsschmerzen von der zarten Behandlung meines Freundes und Helfers; die Prager Polizei war damals etwas aufgeputscht wegen einer bevorstehenden IWF/Weltbank-Tagung und übte quasi schon den Ernstfall.

Die schwerste Verletzung - nämlich Knöchelbruch - zog ich mir allerdings beim Tanzen ums Lagerfeuer zu, bei einer Abschluß-Party eines mehrtägigen Trainings, dabei hatte ich kaum noch was getrunken ;-)

ÖN: Ist das AktivistInnen-Dasein also gefährlich?

JN: Nein! Flugzettel-Verteilen z.B. ist kaum als gefährlich zu bezeichnen, abgesehen von irgendwelchen ausrastenden PassantInnen, aber die können Dir immer und überall begegnen. Aber auch dafür gibt es Trainings, wie deeskaliere ich, wie gehe ich mit Aggressionen um, ...? Außerdem wird niemand gezwungen irgendwo mitzumachen, jede/r kann immer selbst entscheiden, bei welcher Aktion mache ich in welcher Form mit.

ÖN: Was für einen offenen persönlichen Wunsch hast Du noch in aktionistischerHinsicht?

JN: Ein Transparent von einem AKW-Kühlturm hängen! So ein Kühlturm ist schlicht und ergreifend ein Klassiker, der in einer "odentlichen AktivistInnenkarriere" einfach nicht fehlen darf! ;-)

ÖN: Zum Abschluß: Dein Ratschlag an die Menschen, sollen alle AktivistInnenwerden?

JN: Das muß jede/r für sich selbst entscheiden. Was mensch tun soll? Na abgesehen vom Üblichen (Müll zuerst vermeiden und dann trennen, weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen, keine Standby-Geräte, Bio- (und Öko-)Produkte kaufen, Ökostrom beziehen, ...) vor allem eins: sein Hirn einsetzen! Wer mit halbwegs offenen Augen durch die Welt geht, sieht schon, wo was zu tun ist.

Und zuletzt ein bißchen Eigenwerbung: auf meiner Homepage gibt's immer wieder Links zu aktuellen Aktionen, Online-Petitionen und Ähnlichem, also hin und wieder vorbeischauen.

ÖN: Vielen Dank für das Interview. Tipp an alle LeserInnen: Zum Download gibt es das ungekürzte Interview, unbedingt lesen!!!

Bildtext zu Bild 2: Protest gegen eine geplante Spülung des Margaritzenspeichers direkt unterhalb der Pasterze am Großglockner am Mo, 20. Jänner 2003. Im Jahr 1995 war es nach solch einer Spülung zu einem riesigen Fischsterben gekommen, 90% der oberen Möll waren biologisch tot.


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Nendwich_hdm_interview.pdfDOWNLOAD

Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /