©  Oesterreichs Energie/Christian Fürthner - Energiewirtschaft als Chance
© Oesterreichs Energie/Christian Fürthner - Energiewirtschaft als Chance

Wie die Energiewende gelingen kann

Dekarbonisierung heißt Elektrifizierung - Schrittweiser Umbau der Energieversorgung bringt neue Strukturen und Herausforderungen

© Österreichs Energie/  Christian Fürthner / Prof. Brauner sieht Dezentralisierung als große Chance
© Österreichs Energie/ Christian Fürthner / Prof. Brauner sieht Dezentralisierung als große Chance
© Oesterreichs Energie/Christian Fürthner - Trendforum in Wien
© Oesterreichs Energie/Christian Fürthner - Trendforum in Wien

Der kommende Umbau der Energieversorgung und die Abkehr von fossilen Energieträgern auf Basis der Beschlüsse des Klimagipfels von Paris ist ein Muss. Österreichs Energie sieht dies als Chance, aber gleichzeitig auch als große Herausforderung. "Dekarbonisierung heißt Elektrifizierung", meint dazu Wolfgang Anzengruber, Verbund CEO und Präsident von Oesterreichs Energie im Rahmen eines Trendforums der Interessenvertretung der E-Wirtschaft.

Ziel der Energiewende ist für Anzengruber die aus klimapolitischen Gründen weitgehend CO2-freie Energieversorgung, die auch als "Dekarbonisierung" des Energiesystems bezeichnet wird. Diese könne nur mittels Elektrifizierung erreicht werden. Für die Jahre der Umstellung und die notwendigen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz empfiehlt es sich, marktwirtschaftliche Instrumente einzusetzen, wobei es weder zu Wohlstands-verlusten noch zu einer Deindustrialisierung kommen dürfe. Den Konsumenten wiederum müssten Anreize zum sorgsamen Umgang mit Energie geboten werden. "Wenn wir es nicht schaffen, die Kunden für die Energiewende zu gewinnen, werden wir Schiffbruch erleiden", warnte Anzengruber. Er riet der Branche indessen, die Energiewende als Chance und als "Konjunkturprogramm" zu betrachten. Auch habe die E-Wirtschaft hinsichtlich des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz bereits viel erreicht: "Aufbruchsstimmung ist daher durchaus am Platz."

Freilich benötige die E-Wirtschaft geeignete politische und regulatorische Rahmen-bedingungen zur Umsetzung ihrer Stromstrategie. Eine rasche Fertigstellung der Energie- und Klimastrategie sei ebenso notwendig wie der Beschluss der angekündigten umfassenden Novelle des Ökostromgesetzes gegen Ende des Jahres. Österreich habe das Klimaabkommen von Paris vom Dezember 2015 ratifiziert und müsse dieses nun auch umsetzen. "Das wird schwer genug. Aber es wird überhaupt nicht funktionieren, wenn man nichts tut", erklärte Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie. Oesterreichs Energie hat für den Bereich der E-Wirtschaft die Stromstrategie "Empowering Austria" entwickelt und der Strategieprozess geht weiter. Im laufenden Jahr sollen in Zusammenarbeit mit anderen Branchen konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie entwickelt werden. Damit möchte die E-Wirtschaft mit ihrer Stromstrategie zur österreichischen Energie- und Klimastrategie beitragen, die derzeit erarbeitet wird und laut Bundesregierung noch vor dem Sommer präsentiert werden soll.

Gesamtoptimierung des Energiesystems nach ökologischen und ökonomischen Standards

Günther Brauner, Arbeitsgebietsleiter "Elektrische Anlagen" an der Technischen Universität Wien sieht die Energiewende als längerfristigen evolutionären Prozess mit schwer prognostizierbarem Verlauf. Wegen des hohen Kapitalbedarfs seien jedoch die Investitionszyklen in der Energiewirtschaft vergleichsweise lange. "Deshalb haben wir viel Zeit für den Umbau des Energiesystems", erläuterte Brauner in seinem Einleitungsreferat für das Trendforum. Ziel sei eine Gesamtoptimierung nach wirtschaftlichen und ökologischen Standards. Eine wesentliche Rolle spielt dabei auch ein strategisch ausgerichteter Kommunikationsprozess, um der Bevölkerung den Nutzen der Energiewende zu verdeutlichen.

Wie Brauner betonte, wird derzeit in Österreich mehr Energie benötigt, als sich mit regenerativen Quellen bereitstellen lässt. Somit ist eine "Effizienzoffensive" unumgänglich. Der Energiebedarf muss laut Brauners Berechnungen bis 2050 um rund 60 Prozent vermindert werden. Davon entfallen 70 Prozent auf technische Neuerungen und 40 Prozent auf Bewusstseinsbildung. In technischer Hinsicht ist vor allem beim Verkehr, bei der Raumwärme sowie bei der Prozesswärme in Industrie und Gewerbe anzusetzen. Damit sollte sich der Energiebedarf auf rund 42 Prozent des derzeitigen vermindern lassen.

Klare Strukturen und innovative Systeme<(b>

Da der Ausbau der Stromnetze nur auf geringe Akzeptanz seitens der Bevölkerung stößt, sind die regenerativen Energien, so Brauner, auf innovative Weise so weit wie möglich zur dezentralen Stromversorgung zu nutzen. Auch sei das System stärker als bisher in seiner Gesamtheit zu betrachten. Als Beispiel nannte Brauner die Windkraft. "Schwachwindanlagen", die große Rotoren mit kleineren Generatoren kombinieren, seinen zwar in der Investition teurer, aus Sicht des Systems aber dennoch günstiger, weil sie mehr Volllaststunden aufweisen und weniger Netzinvestitionen erfordern.

Photovoltaikanlagen sollten nach Ansicht Brauners nur mehr gebäudeintegiert installiert und nach Möglichkeit zur Deckung des Strombedarfs ihrer Besitzer benutzt werden. Soweit es überhaupt noch einer Subventionierung der regenerativen Energien bedarf, habe diese durch marktbasierte Modelle wie etwa Ausschreibungen zu erfolgen. Neben der dezentralen Stromerzeugung sind laut Brauner aber auch weiterhin große zentrale Kraftwerke sowie starke Leitungssysteme und ein Ausbau der Speichermöglichkeiten notwendig, um eine sichere Versorgung zu gewährleisten. Die Energieversorger müssten sich zu Dienstleistern und Contracting-Partnern für Private weiterentwickeln.

Niederösterreichs Umwelt-Landesrat Stephan Pernkopf plädierte für ein Gesamtkonzept, um die Energiewende zum Erfolg zu machen. So müssten beispielsweise parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien auch die Stromnetze erweitert und verstärkt werden. Genau das geschehe in Niederösterreich - mit Zustimmung der Bevölkerung, der die Notwendigkeit des Netzausbaus vermittelt werde. Rechnerisch könnten im Land mittlerweile rund 104 Prozent des Strombedarfs mittels erneuerbarer Energien gedeckt werden. Größte Bedeutung hätten dabei die Wasser- und die Windkraft sowie die Biomasse. Auf die Photovoltaik entfallen laut Pernkopf zwar nur rund drei Prozent der installierten Leistung: "Aber sie ist für die Bewusstseinsbildung sehr wichtig. Rund 65.000 Personen haben bereits Photovoltaikanlagen installiert. Das zeigt das Interesse der Bevölkerung an der Energiewende." Pernkopf ergänzte, auch hinsichtlich der Energiewende müsse die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangehen: "Wir sollten insbesondere die Kraft der Gemeinden nicht unterschätzen." Deshalb habe das Land Niederösterreich die Kommunen aufgerufen, "Energiegemeinderäte" zu benennen, die sich mit einschlägigen Fragen befassen. Auch Pernkopf sprach sich für den raschen Beschluss der Energie- und Klimastrategie sowie des neu gestalteten Ökostromgesetzes aus.

"Alternativlose Notwendigkeit"


Georg Rebernig, Geschäftsführer des Umweltbundesamtes, bezeichnete die Dekarbonisierung des Energiesystems als "alternativlose Notwendigkeit". Erforderlich seien erhebliche Änderungen im Konsumverhalten sowie in den grundlegenden gesellschaftlichen Werthaltungen. Laut EU-Kommission muss Österreich seine CO2-Emissionen bis 2030 um rund 36 Prozent senken, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Erfolgten jedoch keine zusätzlichen Maßnahmen, werde Österreich um rund 40 bis 50 Mio. Tonnen CO2 zu viel emittieren. Daher müsse die Politik im Rahmen ihrer Energie- und Klimastrategie entschlossen gegensteuern: "Wir brauchen entsprechend dimensionierte Maßnahmen sowie eine rasche und konsistente Umsetzung der Strategie. Uns fehlt die Zeit, um eine widersprüchliche Politik zu betreiben."

Für einen raschen Beschluss und eine zügige Umsetzung der Energie- und Klimastrategie plädierte Christian Knill, CEO der Knill Energy Holding und Obmann des Fachverbands der Metalltechnischen Industrie. Er warnte indessen vor einem Anstieg der Strompreise infolge eines möglichen Mehrbedarfs an elektrischer Energie. Diese könnten die Wettbewerbs-fähigkeit der Industrie beeinträchtigen. Laut Knill entfallen etwa acht Prozent der Produktionskosten seiner Branche auf Energie. Ein Drittel der Energiekosten wiederum macht Strom aus. Die Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds der Bundesregierung (KLI.EN), Theresia Vogel, argumentierte, für einen Erfolg der Energiewende sei vor allem technische Innovation notwendig. So müssten etwa manche Produktionsprozesse "komplett umgestaltet" werden, um die gewünschte Dekarbonisierung zustande zu bringen. "Innovation funktioniert aber nicht zu Marktpreisen, sondern muss gefördert werden", betonte Vogel. Oesterreichs Energie Trendforum ist eine Diskussionsreihe zur Erörterung von Zukunftsfragen bezüglich Strom und Energie.

Quelle: Oesterreichs Energie



Verwandte Artikel:


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /