Atomkraftwerk Dukovany 1: Laufzeitverlängerung durch tschechische Nuklearaufsicht genehmigt
GLOBAL 2000 fordert international vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung - Bundesminister Rupprechter muss für Einhaltung sorgen
Heute wurde bekannt, dass die tschechische Nuklearaufsicht SÃJB trotz massiver Sicherheitsprobleme und eines zusätzlichen Betrugsfalles im 40 Kilometer von Österreich gelegenen Atom-Komplex Dukovany den Weiterbetrieb des dreißig Jahre alten Reaktors 1 auf unbestimmte Zeit genehmigen will.
"Die Laufzeitverlängerung der überalterten Blöcke, die auch bei den internationalen Stresstests nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima negativ aufgefallen sind, widerspricht jedem nuklearen Sicherheitsbegriff", so Dr. Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von GLOBAL 2000. "Die Anlagen sind in marodem Zustand, haben keine zweite Kühlquelle, und die schleissige Sicherheitskultur des Betreibers flog nicht erst durch den jahrelangen Betrug bei der Überprüfung von Kontroll-Leitungen auf."
Mitte 2015 wurde ein jahrelanger Kontroll-Betrug im Atomkraftwerk Dukovany aufgedeckt, hunderte Schweißnähte an Messleitungen für den Turbinen-Wasserdruck wurden entdeckt. Ein vom Betreiber CEZ beschäftigtes Subunternehmen pfuschte offenbar seit mehreren Jahren bei der Dokumentation von systemrelevanten Schweißnähten nicht nur, sondern fälschte auch die Röntgenbilder der Dokumentation - unklar ist bis heute ob mit Wissen und Billigung des Betreibers. Durch die kriminaltechnischen Untersuchungen wurde die geplante Laufzeitverlängerung des Atomreaktors nur vorübergehend auf Eis gelegt, jetzt aber ohne vollständige Aufklärung des Skandals und der Rolle der Betreibergesellschaft CEZ und der Nuklearaufsicht SÃJB abrupt zu Ende geführt.
Dukovany ist aus GLOBAL 2000-Sicht eines der problematischsten Atomkraftwerke in Europa: im über 30-jährigen Reaktor sind die Bauteile des Primärkreislaufes, die unter enormem Druck und Hitze permanent belastet und hochradioaktiv bestrahlt werden, in schlechtem Zustand, wie der Kontroll-Skandal belegt. Zusätzlich haben die Druckwasserreaktoren aus Sowjet-Zeit genau wie der Unglücksreaktor in Tschernobyl gar keinen Sicherheitsbehälter aus Stahl und Beton (Volldruck-Containment). Für die Kühlung der Anlage, die pro Minute knapp 83 000 Liter Wasser oder 415 Badewannen voll benötigt, steht überdies als eine einzige Haupt-Wasserquelle nur der kleine Fluss Jihlava zur Verfügung.
"Im November 2014 wurde bei Bauarbeiten an den maroden Kühltürmen die unterirdische Rohrleitung der Reaktoren 3 und 4 aus Versehen durch Baufahrzeuge so stark beschädigt, dass die Reaktoren notabgeschaltet werden mussten - ein weiterer Beleg für die schleissige Sicherheitskultur in Dukovany", so Uhrig abschließend. "Wir haben vor 5 Jahren in Fukushima gesehen, was beim Ausfall der Kühlung eines Atomreaktors unweigerlich passiert - daraus sollten wir jetzt lernen, Minister Rupprechter ist gefordert, hier auf internationales Recht zu pochen - und Mitteleuropa vor dem nächsten Super-GAU zu bewahren."
GLOBAL 2000 fordert eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), wie nach dem internationalen Recht unter der ESPOO-Konvention vorgeschrieben, und sieht Österreichs zuständigen Minister Rupprechter in der Pflicht, auf die Einhaltung dieser Rechtsvorschriften zu pochen. Im Frühjahr 2015 hatte GLOBAL 2000 mit Partnerorganisationen in Deutschland, Österreich und Tschechien über 60 000 Unterschriften gesammelt und an Rupprechter übergeben.
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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /