© Alexander Liedtke /  Wir müssen ambitoniert weitertun
© Alexander Liedtke / Wir müssen ambitoniert weitertun

Weltmeister? Eine Halbzeit allein reicht nicht

Eine OEKONEWS-Ansichtssache von Chefredakteurin Doris Holler-Bruckner

Österreich ist im Gebäudesektor unendlich ambitioniert. Wir haben die meisten Passivhäuser pro Kopf berechnet weltweit. Bereits jahrelang wird das Thema in Österreich bereits vorangetrieben, mit unendlich viel "Herzblut" von Pionieren wie Günter Lang von Passivhaus Austria oder Helmut Krapmeier vom Energieinstitut Vorarlberg oder Robert Lechner vom Ökologieinstitut, der sich ebenfalls Jahre mit der Thematik beschäftigt. In der Zwischenzeit gibt es hunderte, große und kleine Baufirmen, die sich damit beschäftigen. Es gibt Ausbildung, Qualitätssicherung, eigens entwickelte Gebäudekomponenten (Entwicklung unterstützt durch das heraussragende Forschungsprogramm "Haus der Zukunft"), und unendlich viele Passivhausbewohner und -bewohnerinnen, die wissen was den Unterschied ausmacht. Sogar der eigentliche Erfinder des Passivhauses, Prof. Feist , hat seinen Lehrstuhl nicht in Deutschland, wo er herkommt, sondern in Österreich. Schlaue Techniker setzen in der Zwischenzeit auf Sanierung mit Passivhauskomponenten: Mit einem Plus an Wohnqualität und einem Gewinn für die Bewohner und Bewohnerinnen durch extremst niedrige Betriebskosten, mit einem Vorteil für die Volkswirtschaft, weil wir für diese Häuser kein Öl und kein Gas mehr brauchen, das aus dem Ausland kommt und aus Exporten, für Gebäude die in der Zwischenzeit mit Komponenten und Know-How aus Österreich weltweit errichtet werden.

Besucher und Besucherinnen aus aller Welt strömen nach Österreich, um die absoluten Vorreiterprojekte zu sehen. Es ist unglaublich, was da vor sich geht!

Österreich ist Weltmeister!


Und dann passiert folgendes: Nach und nach werden in manchen Bundesländern die unendlichen Vorteile dieser positivsten Entwicklung im Rahmen von gesetzlichen Änderungen schlicht und einfach nicht (mehr) berücksichtigt.

Statt (wie am Anfang) unsere Baustandards und die Standards für entsprechende Sanierungsqualität zu erhöhen, werden mit gesetzlichen Änderungen und durch eine Umstrukturierung der Förderlandschaft so manche Unterstützungen mit dem Gießkannenprinzip über Österreich geschüttet. Das wäre, wie wenn man als Team bei einem Fußballspiel in der zweiten Halbzeit nur mehr herumstehen würde, oder noch schlimmer, als ob wir auf unserer Seite den Rasen gießen würden und gar nicht mehr auf das Spielfeld gehen und der Gegner ist dort und spielt seine Runde und schießt Tor um Tor! Können Sie sich das vorstellen?

Ich behaupte ja nicht, das nur Passivhausstandard - der es immens einfach zulässt, diese Gebäude in Null-Energie- oder sogar Plusenergiegebäude zu verwandeln, der einzig wahre Standard wäre. Aber ein Niedrigenergiehaus verbraucht bis zu 4 Mal mehr Energie und ein Umstieg auf Plusenergiestandard bei schlechterem Gebäudestandard verschlingt einfach mehr Ressourcen für das Ziel, 100% erneuerbare Energien zu erreichen. Viele Experten sind sich da einig. Erhebungen in der Praxis und Vergleichsstudien beweisen, dass ein "Kostenoptimales" Gebäude am allereinfachsten mit dem Passivhausstandard erreicht werden kann (auf eine Gebäudenutzungsdauer von 30 Jahren berechnet). Passivhauserfinder Wolfgang Feist wollte ja von Anfang an möglichst kosteneffizienze aber gleichzeitig günstige Gebäude bauen und es ist schlicht und einfach ein Märchen, das Passivhäuser unendlich mehr kosten als ein Niedrigenergiehaus.

In der Zwischenzeit geht es in den anderen Ländern einfach richtig los!!
Brüssel hat z.B. für alle Gebäude seit dem 1.1.2015 ganz einfach den Passivhausstandard als Baustandard, Bayern baut alle öffentlichen Gebäude in diesem Standard, Antwerpen baut ein neues Stadtviertel entsprechend. Ein Vorort von Dublin, mit 200.000 Einwohnern, ebenso.. und weltweit da machen sich unzählige Städte auf den Weg in Richtung Passivhaus: New York, Vancouver, ...

2. HALBZEIT: Wir ruhen uns auf bisherigen Lorbeeren aus, weil wir sind doch ganz vorne!! Nicht einmal im Megavorreiter-Projekt, dem hochgelobten Smart City Projekt der Gemeinde Wien, in der Seestadt, schaffen wir es, zu 100% umzusteigen.

Nun hat sich die Staatengemeinschaft weltweit entschieden, den Kampf gegen den Klimawandel anzugehen. Vielen standen in Paris die Tränen in den Augen, als endlich ein gemeinsamer Vertrag Realität wurde. Alle, die in Paris waren, berichten von der unendlichen Aufbruchsstimmung. Ärmeln hochkrempeln und los geht´s!!

In Österreich schauen wir mal, was da kommt. Positiverweise hat unser Bundeskanzler in Paris bei seiner Rede das 100% Ziel für erneuerbare Energien im Bereich Elektrizität bis 2030 festgelegt. Von Energieeffizienz war leider nichts zu hören.

Passivhaus Austria, Ökologie-Institut, ÖGNB, Energieinstitut, Umweltdachverband und GLOBAL 2000 luden diese Woche genau dazu gemeinsam zu einer Pressekonferenz ein. "Road to ZERO by 2050 - Der <1,5°C Pfad für den Gebäudesektor" war das Thema.
Bei der Pressekonferenz legten sie Details dazu vor, was wie zu erledigen ist. Wir haben dazu Aktionspläne, wir haben klimaaktiv Gold Standard. Hervorragende Pläne und Instrumente... alles ist da. Nur eines nicht: Politischer Mut, um das ganz einfach zur Verpflichtung zu machen.

Vielleicht sollte man die Experten von der Pressekonferenz als Trainer/Berater für die 2. Halbzeit engagieren. Es ist nicht so, dass wir keine Ahnung haben und bei Null anfangen- wir sind viel weiter als andere, die sich getraut haben, entsprechende Standards in ihren Bauordnungen und Gesetzen zu fixieren.

Auf zu mehr Passivhäusern! Auf zu 100% erneuerbarer Energie, einem Ziel, das mit Energieeffizienz viel leichter zu erreichen ist. Es gibt auf der Welt wohl kaum ein anderes Land, das, auch aus bereits umgesetzten Praxisprojekten, so gut über die Details dazu Bescheid weiß. Das einzige was noch fehlt, ist etwas politischer Mut.

Worauf warten wir noch? Doch nicht, bis alle anderen uns überholen...


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /