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DER STANDARD-Kommentar: "Kniefall vor der Großindustrie" von Günther Strobl

Kommissionsvorschlag für Energie- und Klimastrategie schadet Europa (Ausgabe ET 23.01.2014)

Es war eine gute, marketingtechnisch nahezu geniale Idee: den Anspruch Europas in Sachen Klimaschutz auf eine Folge von drei Zahlen zu kondensieren: 20-20-20. Auf dass die damit verbundenen Ziele sich sozusagen in Herz und Hirn einbrennen mögen. Das ist nur zum Teil gelungen.

Dass der CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent gesenkt, erneuerbare Energien auf 20 Prozent vom gesamten Mix gesteigert und die Energieeffizienz um 20 Prozent verbessert werden soll, ist zwar in den Köpfen angekommen; die Herzen der Menschen hat die Botschaft aber nie erreicht. Jetzt rudert die EU-Kommission auch noch zurück.

Statt sich zu überlegen, wie man es besser machen könnte (und es gäbe viel zu verbessern), wird in Brüssel die Energie- und Klimastrategie verwässert. Was die Kommission am Mittwoch als Reisevorschlag bis 2030 gemacht hat, ist ein Kniefall vor der Großindustrie. Einzig die Reduktion des Ausstoßes klimaschädlichen Kohlendioxids um 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 soll verbindlich sein. Und das ist wenig genug, hat die Kommission doch selbst eingeräumt, dieses Ziel sei auch dann in Reichweite, wenn die Mitgliedsstaaten keine weiteren Maßnahmen mehr setzen.

Der Anteil erneuerbarer Energien soll EU-weit von 20 auf 27 Prozent steigen, die einzelnen Mitgliedsländer sind aber zu nichts verpflichtet. Bei der Energieeffizienz hat die Kommission komplett der Mut verlassen. Dieses Ziel war als einziges schon bisher unverbindlich. Gerade hier ist Europa noch meilenweit von der angestrebten 20-Prozent-Verbesserung entfernt.

Vertreter der Großindustrie haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um schärfere Vorgaben der EU-Kommission zu verhindern. Besonders hervorgetan haben sich die Energiekonzerne. RWE, Enel, EdF, aber auch Verbund und viele andere leiden durch die Bank, weil ihre einstigen Gelddruckmaschinen zu Kraftwerken mutiert sind, in denen zunehmend Geld verbrannt wird. Der steigende Anteil von subventionierter Wind- und Solarenergie hat an den Strombörsen zu einem Preisrutsch geführt und die Einnahmen der alteingesessenen Stromriesen pulverisiert.

Welcher Preisrutsch, wird sich mancher Konsument fragen. Bei den Haushalten ist nichts angekommen, im Gegenteil. Je billiger Strom an der Börse gehandelt wird, desto mehr ist über die Ökoumlage zu bezahlen. Profitiert haben bisher vor allem Großverbraucher von Strom. Sie können sich so billig wie nie mit elektrischer Energie eindecken, weil sie vielfach von der Zahlung der Umlage befreit sind. Und dennoch jammern sie - weil es opportun ist, nicht weil es sie trifft. Sie können sich dadurch möglicherweise ein anderes Zuckerl einhandeln.

So verständlich das Verhalten einzelner Akteure ist - Europa insgesamt erweisen sie damit einen Bärendienst. Mit dem Verzögern der Energiewende, das bei Umsetzung der Pläne zweifellos erfolgen wird, bleibt die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen hoch. Allein im Vorjahr musste Europa knapp 550 Milliarden Euro für Öl-, Gas- und Kohleimporte ausgeben. Durch die Nutzung von Schieferöl- und Schiefergas-Reserven nach US-Vorbild könnte Europa kurzfristig vielleicht Kosten sparen und etwas Zeit gewinnen. Die Lösung des Energieproblems ist das aber nicht, die Lösung des Klimaproblems noch viel weniger. Bei der Förderung von Schiefergas gelangen Unmengen an Methan in die Atmosphäre. Das ist noch viel schädlicher als eine zu hohe Konzentration von Kohlendioxid.

Rückfragehinweis: Der Standard

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OTS0241 2014-01-22/19:00



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /