© Photo: Rettet-die-Lobau, Hertenberger
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Lobauautobahn Teil 2: Die ASFINAG-Pressekonferenz

Fachliches Desinteresse bei den Medienvertretern

Am 12. Oktober 2011 präsentierte die ASFINAG das Projekt ‘S 1 Wiener Außenring Schnellstraße’ von Süßenbrunn nach Schwechat, de facto also die Lobau-Autobahn. Anlass der Pressekonferenz war der Beginn der öffentlichen Auflage der umfangreichen Projektunterlagen (UVE) im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung. Doch irgendwie erlebte man als Fachautor im ASFINAG-Gebäude nahe dem Gasometer eine höchst eigenartige Veranstaltung.

Wenn man den ASFINAG-Repräsentanten (Vorstandsdirektor DI Alois Schedl, Geschäftsführer DI Alexander Walcher, Abteilungsleiter Planung -Bau Management DI Christian Honeger) zuhörte, bekam man den Eindruck, dass es sich um ein zweckmäßiges, mittelgroßes Projekt ohne besondere Schwierigkeiten handelt. Der Finanzrahmen sei klar, hieß es, und man könne sicher davon ausgehen, dass die Kostenberechnungen eingehalten werden – falls es Abweichungen gäbe, dann eher so, dass die realen Baukosten noch nach unten abweichen würden.

Einige Sätze wurden über die Methodik des Tunnelbaues gesprochen, auch über die Sicherheitsvorkehrungen im Tunnel, aber ein unbedarfter Journalist bekam jedenfalls den Eindruck, dass es sich bei den präsentierten Konzepten um keine allzu brisante Sache handelt.

Kaum Fragen

Und tatsächlich gab es zunächst kaum Fragen von den anwesenden Medienvertretern. Erst nach einer Weile kristallisierte sich das Thema der Brandsicherheit im Tunnel heraus, doch auch hier schienen die Journalisten rasch durch beruhigende Worte der ASFINAG-Vertreter zufrieden gestellt zu sein.

Es wirft ein schlechtes Licht auf die österreichische Medienlandschaft, wenn Journalisten bei einer solchen Veranstaltung wenig Hintergrundwissen und Interesse zeigen und Schwierigkeiten haben, die richtigen Fragen zu finden.

- Wo war beispielsweise die Frage nach der Finanzierbarkeit des solchen Riesenprojekts in einer Zeit, wo die Staaten der EU unter der Schulden- und Zinsenlast ächzen und weit von ausgeglichenen Budgets entfernt sind? Nur beiläufig wurde von der ASFINAG erläutert, dass die Rückzahlung der immensen Baukosten mehrere Jahrzehnte dauern würde.

- Wo war die Frage nach der Abluftentsorgung aus 18 Kilometern Tunnelstrecke, direkt am Rand des Nationalparks neben Wohngebieten? Die Frage nach einer eventuellen Filterung, nach der Lärmentwicklung der Abgaskamine (die euphemistisch als ‘Lüftungsbauwerke’ bezeichnet wurden) – all das kam nicht zur Sprache.

- Wo war die Frage nach der Sinnhaftigkeit von ‘Stummelautobahnen’, also von Autobahn-Sackgassen, die ab 2016/2017 jahrelang im Niemandsland enden, beim kleinen Obersiebenbrunn, beim einstweilen schwach besiedelten Flugfeld Aspern oder beim auch nicht allzu großen Großenzersdorf? (Man verzeihe mir den Ausdruck ‘Niemandsland’ für diese Regionen, aber verkehrstechnisch gibt es dort keinen Bedarf für eine Autobahn-Sackgasse.)

- Warum wurde die Beherrschbarkeit eines LKW-Auffahrunfalles mit nachfolgendem Tunnelbrand nicht genauer hinterfragt? Oder die brisante Frage, warum die ASFINAG aus Kostengründen nur mehr alle 500 Meter eine Querverbindung zwischen den beiden Tunnelröhren bauen will (siehe UVE, Seite 78)? Vor einigen Jahren war noch von doppelt so vielen Rettungsstollen die Rede (siehe Zitat der ASFINAG-Sprecherin in Der Standard, 11.5.2007), nun wurde jeder zweite begehbare Rettungsstollen weggelassen und durch ein Telefon ersetzt! Aus den Presse-Unterlagen ging das allerdings nicht hervor, ohne Fachwissen konnte das daher niemandem auffallen.

- Und warum hinterfragten die Journalisten nicht die Kostenschätzungen aufgrund eventueller Unwägbarkeiten (z.B. technischer Schwierigkeiten)? Projekte dieser Größe tendieren bekanntlich oft zu Kostenexplosionen. Und der mit Grundwasser getränkte, geologisch schwierige Untergrund nahe der Leopoldsdorfer Bruchlinie (beim ‘Schwechater Tief’) gilt nicht gerade als ideal für unterirdische Baumaßnahmen.

Magere Pressemeldungen

Dementsprechend seicht waren tags darauf auch die Medienberichte über die Pressekonferenz. Im Wesentlichen wurden die Presseunterlagen, gemixt mit einigen Statements der ASFINAG-Vertreter, wiedergegeben.

‘Österreich’ murrte beispielsweise lediglich, dass der Autobahnbau viel zu langsam gehe:
http://www.oe24.at/oesterreich/chronik/wien/Lobau-Tunnel-wird-erst-2025-fertig/43029698
und stellt in einer Grafik die skurrile Behauptung auf, dass vom Biberhaufenweg zur A4-Anschlussstelle Simmeringer Haide ‘ab 2011’ ein Tunnel gebaut würde.

Sogar die Qualitätszeitung ‘Standard’ brachte im Wesentlichen unwidersprochene und nicht hinterfragte ASFINAG-Aussagen:
http://derstandard.at/1317020023894/Nationalpark-Umstrittener-Lobautunnel-erst-2025-fertig

‘Kurier’, ‘Presse’ und ORF schrieben, teilweise garniert idyllischen Lobau-Fotos, an den Schluss des Artikels kurze ‘Pro- und Kontra’-Statements von Politikern, die aus OTS-Meldungen übernommen wurden, ohne auch nur im Ansatz in eine fachliche Ebene vorzudringen:
http://kurier.at/nachrichten/niederoesterreich/4305822.php
http://diepresse.com/home/panorama/wien/700477/Wien_Lobautunnel-kostet-14-Milliarden-Euro
http://wien.orf.at/news/stories/2505222/

Die Ursachen solch seichter Medienarbeit liegen im Zeitdruck und den Einsparungsbemühungen vieler Redaktionen begründet. Viel weniger Redakteure als früher müssen in kürzester Zeit ‘top-aktuelle’ Berichte abliefern. Aktualität ist vielen Chefredaktionen wichtiger als inhaltlicher Tiefgang und Hintergrundrecherche. Somit bleibt oft keine Zeit, die Dinge, über die man schreibt, zu hinterfragen und sich fachlich gründlich zu informieren.

Ich weiß, wovon ich spreche, denn als freier Autor habe ich die Situationen in verschiedenen Print-Redaktionen gelegentlich miterlebt. Freie Fachautoren müssen sich dieser Hastigkeit und diesem Zeitdruck glücklicherweise meist nicht in diesem Ausmaß unterwerfen und anpassen wie fixangestellte Redakteure. Andererseits muss man als freier Fachautor schon recht idealistisch gesinnt sein, um angesichts der sowohl in Deutschland, als auch in Österreich, zuweilen empörend niedrigen Honorare Qualitätsarbeit abzuliefern, ohne bankrott zu gehen.

Die großen Konzerne wiederum positionieren in einigen Zeitungen regelmäßig ganzseitige Inserate und drücken den Medienvertretern bei Pressekonferenzen Unterlagen in die Hand, in denen Zitate und Textbausteine bereits gebrauchsfertig ausgearbeitet sind. Die Lust mancher Redaktionen, angesichts des Aktualitäts-Zeitdrucks solches Material allzu kritisch zu hinterfragen und dabei auch noch mögliche Inseratenkunden zu verärgern, hält sich dann leider öfters in Grenzen.



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /