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Kottan ermittelt

Die Wanzen der „Sondereinheit für Observation“ finden keine Straftaten – SOKO-Chef Erich Zwettler fordert daraufhin eine „Beurteilungskorrektur“

Im Dezember hat die ‘verdeckte Ermittlerin’ des Bundeskriminalamts, die auf Staatskosten mehr als 14 Monate lang bei den Tierschützern mitgearbeitet hat, zugegeben, dass sie keine einzige strafbare Handlung beobachten konnte. Oder doch, eine Straftat hat sie bemerkt: Nämlich einen burgenländischen Jäger, der wutentbrannt mit dem geladenen Schrotgewehr auf einen Tierschützer geschossen (!) hat, weil dieser ihm ein Rebhendl verscheucht hatte. Angezeigt hat die Polizeiermittlerin dies jedoch nicht – es war ja eine Straftat der ‘falschen’ Seite.

Vergangene Woche wiederum haben eine bei den Tierschützern eingeschleuste ‘Vertrauensperson’ und ihr ‘Agentenführer’ ausgesagt. Sie ist keine Polizistin, sondern eine Dame, die von der Polizei zum Ausspionieren der Tierschützer überredet wurde. Bei einer der beiden Tierschützergruppen wollte sie allerdings keinen Kontakt aufzunehmen, ‘weil die Leute sie so böse anschauten’, sodass sie sich gleich wieder aus dem Staub gemacht hat.

Heute, am Montag, den 21. März 2011, war dann Oberst Stefan Pfandler als Zeuge geladen, der bis Mai 2010 stellvertretender Leiter der ‘Sondereinheit für Observation’ (SEO) war und inzwischen im Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung arbeitet. Er war verantwortlich für Lauschwanzen, die in einer sündteuren, aufwändigen Aktion in der Wohnung eines Tierschützers eingepflanzt wurden, damit 16 (!) Spezialbeamte im Bundeskriminalamt mehrere Wochen lang abwechselnd Tag und Nacht vor den Übertragungsgeräten mithorchen konnten, was in der Wohnung gesprochen oder welche Geräusche sonst noch hervorgebracht wurden. Überdies war während all dieser Wochen zusätzlich mindestens ein Mitglied der Polizei-Ermittler, also der ‘SOKO Bekleidung’, beim Lautsprecher im BKA ständig anwesend.

Lauschangriff

Bei einem laut Pfandler ‘legalen Einbruch’ in eine mit drei Zylinderschlössern gesicherte kleine Wohnung im 5. Wiener Gemeindebezirk montierten Ende April 2008 mehrere SEO-Mitarbeiter die Wanzen im Wohnschlafzimmer, sowie eine Funkeinheit, die irgendwo im Haus versteckt wurde. Die Wanzen sollten jeden Laut aus der Wohnung, rund um die Uhr, an die Funkeinheit senden, diese wiederum übertrug Tag und Nacht alles live zu den 16 Spezialbeamten ins BKA, gegenüber der Wirtschaftsuniversität. Wobei Pfandler beiläufig erwähnte, dass Beichtstühle nicht verwanzt werden dürfen, Schlafzimmer und Klosetts hingegen schon.

Die Wanzen funktionierten ziemlich schlecht, es grammelte und rauschte, aber die geübten Beamten konnten immerhin genug verstehen, um nach mehreren Wochen festzustellen, dass keinerlei Straftat auch nur erwähnt, geschweige denn geplant oder besprochen wurde. Die wochenlang ins BKA übertragenen Gespräche waren so banal und langweilig, dass der erste Bericht vom 23. Mai 2008 überhaupt keine Niederschriften enthielt. Oekonews besitzt dieses als ‘Verschlusssache’ gekenzeichnete Dokument des Bundeskriminalamts. Brigadier Kurt Mitterberger, Leiter der Sondereinheit für Observation, schreibt darin, dass während der gesamten Lauschperiode ‘keinerlei sachrelevante Gespräche festgestellt’ wurden. Lediglich einige Plaudereien über Tierschutzthemen und Demonstrationen wurden von den geheimen Mikrofonen aufgenommen.

Unter Punkt 5, ‘Art der im Rahmen einer kriminellen Organisation geplanten strafbaren Handlungen, deren Ausführung verhindert wurde’, nennt SEO-Chef Mitterberger kurz und knapp: ‘Keine’.

Beurteilungskorrektur

Der damals im selben Gebäude sitzende juristische Leiter der ‘SOKO Bekleidung’, Mag. Erich Zwettler, war mit diesem Ergebnis offenbar nicht zufrieden. Was nun passierte, ist nämlich durchaus brisant. Mit zwei Monaten Verspätung schrieb er am 18. Juli 2008 an die SEO und ersuchte um eine ‘Beurteilungskorrektur’ (!).

Es ging also nicht um eine Präzisierung, sondern um eine ‘Korrektur’ der ‘Beurteilung’, also um eine veränderte Einschätzung der Lauschergebnisse!

Am 11. August 2008 antwortete Brigadier Mitterberger, der Leiter der SEO, ‘zum vorliegenden Ersuchen einer Beurteilungskorrektur’. Nun klingt sein Resumee auf einmal viel verschwommener. Die technischen Einsatzmittel (also die Lauschwanzen) hätten nicht einwandfrei funktioniert, eventuell durch ein Verrutschen der Mikrofone. Bei einem Großteil der abgehörten Gespräche seien nur einzelne Wörter oder Satzteile verständlich gewesen. Es sei über Tierschutzkampagnen usw. gesprochen worden. Und dann der Schlusssatz: Die einzelnen Wörter oder Gesprächsteile lassen für sich alleine jedoch keine Gesamtbewertung des Inhaltes zu.’

Fassen wir also zusammen: Der erste Bericht der SEO (Mai 2008) besagt, dass während der gesamten Dauer des sündteuren ‘Lauschangriffs’ keinerlei Hinweise auf eine Erwähnung einer Straftat festgestellt wurden, daher gäbe es keine Relevanz in bezug auf die Anklage. Eine klare Entlastung der Tierschützer! Dann verlangt SOKO-Chef Zwettler eine ‘Beurteilungskorrektur’, worauf im August 2008 die SEO plötzlich ihre Meinung ändert und zum Schluss kommt, dass eine Gesamtbewertung der Gesprächsinhalte wegen defekter Wanzen nicht möglich war. Also eine verschwommene Bilanz, die im Grunde alles offen lässt.

Wanzenrauschen

Wanzenfachmann Stefan Pfandler wurde heute, am 21.3., von den Verteidigern wegen dieser merkwürdigen Meinungsänderung seines Chefs gehörig mit Fragen gegrillt. Seine Aussagen waren recht variabel: Zeitweise betonte er, wie schlecht die Qualität der übertragenen Geräusche gewesen sei. Warum man dann im BKA wochenlang vor einem grammelnden und krächzenden Lautsprecher gesessen sei, anstatt die Wanzen zu reparieren, fragten die Verteidiger. Ein nochmaliges Betreten der Wohnung sei zu gefährlich gewesen, meinte Pfandler. Einerseits hätte der Wohnungsbesitzer die SEO-Leute für Einbrecher halten können, und andererseits hätte eine öffentliche Enttarnung der Überwachung die gesamte Ermittlungstätigkeit ruiniert. Dann wieder meinte Pfandler, die Mini-Mikrofone hätten immerhin so gut funktioniert, dass man mehrere Wochen sinnvoll habe arbeiten können.

Der besagte Hauseingang im 5. Bezirk wurde von den SEO-Leuten übrigens mit einer versteckten Videokamera versehen, die mit einem Bewegungsmelder gekoppelt war. Etwa 60 Personen, die das Haus betraten oder verließen, wurden erfasst und durch die Analyse von Standbildern teilweise identifiziert.

32.000 Telefonate

Zusätzlich waren weitere Einsatzgruppen mit anderen Aufgaben betraut: Die Abteilung 41B des BKA überwacht e-mails und Internetanschlüsse. Ob sie bei den Tierschützern zum Einsatz kam, ist noch nicht geklärt. Umfangreiche versteckte Videoaufzeichnungen wurden jedenfalls von der Kriminaldirektion 3 gemacht, deren Mitglied Josef Böck operativer SOKO-Leiter war. Die KD3 ist in der Berggasse 39 lokalisiert, direkt neben dem Schubhaftgefängnis Rossau (‘Liesl’), wo während des Austrofaschismus und der NS-Zeit zahlreiche politische Häftlinge eingekerkert waren. Und in zumindest einem Fall wurde ein Peilsender verwendet, der an ein Auto eines Tierschützers geklebt wurde.



Schließlich wurde heute auch erwähnt, dass im Rahmen der bisher ergebnislosen Ermittlungen gegen die Tierschützer sagenhafte 32.000 Telefongespräche abgehört, aufgezeichnet und analysiert wurden. Auch dies ohne Ergebnis, aber jedenfalls mit ungeheurem finanziellem und personellem Aufwand.

Nebenbei erfuhren wir noch, dass die wochenlangen Aufzeichnungen der Lauschwanzen auf einer verschlüsselten, gekühlten Festplatte lagern, die möglichst nicht transportiert werden soll, da es laut Gesetz kein Backup geben darf und bei einem transportbedingten Gerätedefekt alles verloren ist.

Zur Abrundung hier noch ein Zitat aus der beliebten TV-Serie ‘Kottan’ (‘Die Einteilung’). Pilch, der mit dem Fliegenpracker gegen Kaffeeautomaten kämpfende Polizeipräsident, grantelt: ‘Warum geht nix weiter in dem Fall? Die Zeitungen zerreissen uns geradezu!’ Manchmal ist die Wirklichkeit wie Kottan.



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /