© Boutiquehotel Stadthalle
© Boutiquehotel Stadthalle

Mit Vollpower in Richtung Energieunabhängigkeit

Unsere Heldin des Monats: Michaela Reitterer, die mit ihrem Hotel die Energiewende bereits umsetzt

© Ringhofer
© Ringhofer
© BOUTIQUEHOTEL stadthalle
© BOUTIQUEHOTEL stadthalle
© BOUTIQUEHOTEL stadthalle
© BOUTIQUEHOTEL stadthalle
© BOUTIQUEHOTEL stadthalle
© BOUTIQUEHOTEL stadthalle
© oekonews- Wolfgang  J. Pucher
© oekonews- Wolfgang J. Pucher
© Hotel Stadthalle
© Hotel Stadthalle
© www.andibruckner.com
© www.andibruckner.com

Seit November 2009 gibt es in Wien Fünfhaus ein Hotel, das nicht nur toll und sehr einladend aussieht, sondern auch den modernsten Anforderungen eines umweltgerechten Bauwerkes entspricht: das BOUTIQUEHOTEL stadthalle WIEN (oekonews berichtete darüber ). Eigentümerin und Unternehmerin ist Michaela Reitterer, die 2001 das Hotel Ihrer Familie übernahm und bis dato zu einem Null-Energie-Bilanz-Gebäude umbaute. Das sehr gemütliche und liebevoll eingerichtete Hotel bietet für viele Geschmäcker das richtige Ambiente. Zu durchaus erschwinglichen Preisen kann man rustikale Zimmer mit gediegenem Mobiliar bis hin zu ganz modernen Suiten mit Balkon und sehr schönem Ausblick in den begrünten Innenhof mieten. Viele Aspekte wurden bei der Ausstattung der Zimmer berücksichtigt und Umweltverträglichkeit als Wohlfühlfaktor realisiert. Von der Technik bemerkt man in den Zimmern nichts, sondern nur ein sehr angenehmes Raumklima abseits trockener Heizungsluft. Es gibt Zimmer, die behindertengerecht ausgestattet sind, und Zimmer, die extra für Asthmatiker konzipiert sind. Die Liebe zum Detail, die überall spürbar ist, vermittelt eine sehr persönliche Anteilnahme am persönlichen Wohlergehen jedes Gastes, der in diesem Hotel absoluter König ist.

Facts zum Hotel

Eine innovative Passivhaus-Betonkonstruktion mit entsprechender Fassade wurde errichtet und als eigener Baukörper ausgebildet. Kontrolliertes Heizen und Kühlen erfolgen dank Betonkernaktivierung. Mittels 82m² Photovoltaikanlage und 160m² Solarfläche wird Strom erzeugt, das Nutzwasser für die Toiletten liefert der Regen; Wärmepumpen erzeugen ein angenehmes Raumklima. Der hauseigene Brunnen liefert Kühlenergie und versorgt die Wärmepumpenanlage mit Grundwasser. Eine 130m² große thermische Solaranlage dient zur Frischluftvorwärmung für die Lüftung und zur Warmwasserbereitung. Der notwendige Luftwechsel wird durch ein Wohnraumlüftungsgerät mit 90-prozentiger Wärmerückgewinnung realisiert. Das Wasser wird mittels Grander-Technik aufbereitet und sehr großer Wert wird auch auf Farben und Aromen gelegt. Ein Lavendelgarten am Hausdach liefert nicht nur Lavendelduftsäckchen, sondern auch Blütenduft im Innenhof den ganzen Sommer über.

oekonews: Frau Reitterer, wir freuen uns, eine Frau als Heldin des Monats interviewen zu dürfen. Sind Ihrer Meinung nach schon viele Frauen im Umwelt- und Energietechnikbereich tätig?

Nein. Wenn ich darüber jetzt nachdenke, ist es nur eine geringe Anzahl an Frauen, die ich da wahrnehme. Es gibt sicher viele Frauen, die sich für diese Themen engagieren, aber sie fallen nicht so auf. Und das ist letztendlich das worauf es ankommt, dass man wahrgenommen wird mit einer Botschaft. Frauen sind eher im Bereich der CSR anzutreffen, aber im Bereich der grünen Initiativen, dort wo auch wirklich jemand etwas selber umsetzt, treffe ich doch eher mehr Männer. Ich glaube, vieles resultiert noch immer aus der Geschichte, dass Männer in Gremien und Funktionen repräsentativ vernetzt sind und Frauen diesbezüglich noch Aufholbedarf haben. Das sehe ich auch speziell in der in der Hotellerie so. Wobei die Chancen für Frauen absolut da sind, wirklich etwas zu bewegen. Man wird dann als Frau, die etwas getan hat, viel leichter wahrgenommen, weil es halt nicht so oft vorkommt. Dass ich mein Projekt so umgesetzt habe, hat bei mir auch nichts mit Mut zu tun. Ich wollte es einfach machen und hab meine Ziele und Ideen dann umgesetzt. Es ist eher eine Herzensangelegenheit und selbstverständlich für mich, ökologisch bewusst zu leben und zu arbeiten. Ich möchte auch bald wieder neue Projekte in Angriff nehmen.

oekonews: Bei unserem letzten Interview 2009 erzählten Sie, dass noch 3 Windräder für das Dach Ihres Hauses in der Genehmigungsphase sind. Was ist aus diesem Projekt in der Zwischenzeit geworden?

Michaela Reitterer: Ich bekomme immer Anfragen wegen der Windräder… Wir haben jetzt 1 Jahr lang auf dem Dach meines Hotels Windmessungen durchgeführt. Die Daten können jetzt ausgewertet werden und man kann ganz genau bilanzieren, wieviel kWh Strom erbringt die Energienutzung der Windkraft auf dem Dach meines Hotels. Das heißt einer Debatte über die Effizienz, die für mich außer Zweifel ist, und der Umsetzung steht nichts mehr im Wege und die wird es jetzt auch geben. Aktuelle Gegenargumente, oder vielmehr Befürchtungen, kommen momentan ausschließlich von den Anrainern, indem sie mögliche gesundheitsgefährdende Aspekte ins Treffen führen. Da stehen noch beweisführende Gutachten aus und handfeste Bescheide. Ich schaue mir das mit einem lachenden und einem weinenden Auge an und finde es schade, dass die Stadt Wien nicht die Gelegenheit nutzt, um auch auf das Thema aufzuspringen. Schließlich geht es ja um Innovationen zur alternativen Energiegewinnung für eine grüne Stadt - und die werden uns alle betreffen in den nächsten Jahrzehnten. Als gewerblicher Betrieb, der solche Ideen umsetzen will, hat man es halt meiner Meinung nach noch schwerer.

oekonews: Was sind Ihre Erwartungen an die rot-grüne Koalition in Wien?

Michaela Reitterer: Eine Verbesserung. Ich habe wirklich Hoffnung. Mir geht es da gar nicht so um einzelne Personen, vielmehr um eine Bewusstseinsänderung, und ich weiß gar nicht, ob das so schnell möglich sein wird. Ich sehe da oft einen persönlichen Grund einzelner Personen im Vordergrund, aber irgendwann wird ja hoffentlich die Vernunft siegen. Wir können uns vor Umweltthemen nicht verstecken. Da sehe ich für Frauen Zukunft, weil die weniger Probleme haben ab und zu in der zweiten Reihe zu stehen und das reine Sachthema in den Vordergrund zu bringen.

oekonews: Gibt es für Sie eine persönliche Erfolgsbilanz, abgesehen von den vielen Preisen und Auszeichnungen, die Sie schon erhalten haben?

Michaela Reitterer: Es freut mich, dass man mich um meine Meinung fragt. Ich bin stolz, dass ich mit diesem Projekt zeigen konnte, dass es auch Lösungen gibt, nicht immer nur Forderungen. Da haben wir etwas geschafft und weitergebracht und man zollt uns Anerkennung und ich sage dieses ‘uns’ bewusst, weil das Lob auch besonders meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt. Auch die Wertschätzung, die mir von Mitarbeitern und Gästen entgegenkommt ist für mich ein persönlicher Gewinn. Der Titel ‘Hotelier des Jahres’ hat mich besonders gefreut, weil es so exzellente Hoteliers in Österreich gibt und für mich eine Auszeichnung gerade in diesem Bereich toll ist. Auch der Klimaschutzpreis freut mich sehr.

oekonews: Wie sieht es eigentlich mit dem wirtschaftlichen Nutzen eines Null-Energie Hotels aus? Wann rechnet sich der finanzielle Mehraufwand für alternative Energiegewinnungstechniken?

Michaela Reitterer: Das ist eine Frage, die ich so nicht beantworten kann. Je mehr z.B. die Energiepreise steigen, umso schneller rechnet es sich. Die Wasserwärmepumpe rechnet sich viel schneller als die Photovoltaikanlage. Schwierig, wenn man alles in einen Topf wirft. Für uns rechnet sich dieser Mehraufwand auch noch schneller, weil wir durch unseren innovativen, ökologischen Zugang sehr rasch große Popularität erreicht haben. Klaus Woltron hat einmal gesagt ‘Bei der Nachhaltigkeit steht am Anfang die Moral.’ und das finde ich sehr passend. Ob sich das nun in 9, 10 oder gar 11 Jahren erst rechnet ist mir dann egal. Für mich rechnet es sich heute, weil es das ist, was ich wollte. So etwas ist einfach notwendig. Ich gebe auch z.B. mehr Geld für Mitarbeiterkosten aus, weil es mir meine Mitarbeiter Wert sind. Solange ich mir das leisten kann, warum nicht? Mir ist auch wichtig, dass die Menschen gerne bei mir arbeiten.

oekonews: Was ist Ihr persönlicher Bezug zur Ökologie? Können Sie als „gestresste Geschäftsfrau“ mit Ihrer Natur Haushalten wie Sie es möchten? Wie entspannen Sie?

Michaela Reitterer: Ich kann einfach sehr schnell abschalten. Selbst wenn ich Urlaub habe und im Hotel bin, wo ich auch wohne, werde ich von meinen Mitarbeitern nicht angerufen und ich rufe auch nicht an. Ich bin auch gerne bei meinem Freund, der neben einem Wald wohnt, und entspanne in der Natur. Die Natur ist eine große Kraftquelle für mich.

oekonews: Wie steht es mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Hotelbranche? Gibt es viele Anfragen oder den Wunsch das eigene Hotel auch umweltgerechter zu gestalten?

Michaela Reitterer: Ich halte es da so: Wenn jemand etwas von mir braucht, kann er gerne meine Beratung in Anspruch nehmen. Es werden ja meistens nicht gleich Null-Energie-Bilanz-Gebäude angedacht. Immer öfter treten Kollegen an mich heran, um einfach Verbesserungsvorschläge für ihre Hotels von mir einzuholen. Oft geht es darum, z.B. bei der Einrichtung eines Wellnessbereiches, über den Bau einer Solaranlage auf dem Dach oder das installieren einer Wärmepumpenanlage zu reden. In dem Bereich finde ich die Hoteliers noch zu wenig offen, weil die zuerst ihre gewohnten Installateure oder Elektriker fragen und diese dann eher abraten – oft weil sie sich, meiner Meinung nach, noch zu wenig auskennen. Dazu kommt auch die Angst der Hoteliers, Förderungen einzureichen und sich durch den bürokratischen Dschungel zu kämpfen. Da sehe ich Zukunft für neue Berufsbilder, die zu den Themen Energieberatung und nachhaltige Planung sowie die Abwicklung der Förderungen als Berater zur Verfügung stehen.

oekonews: Nach all Ihren Erfahrungen der letzten Jahre… halten Sie Öko-Hotels in der Zukunft für standardisierbar?

Michaela Reitterer: Ja. Zumindest teilweise kann man Energie durch alternative Methoden ganz einfach selbst erzeugen. Es muss ja nicht gleich ein Null-Energie-Bilanz-Hotel sein. Ich bin schon erschüttert, wie wenig diese neuen Techniken in neue Hotelbauten eingebaut werden. Eine fehlende Wärmerückgewinnung im Schwimmbadbereich finde ich unverzeihlich, weil das so leicht machbar ist. Ich finde es unmoralisch, wenn bei der Errichtung neuer Gebäude die Möglichkeiten der erneuerbaren Energiegewinnung nicht berücksichtigt werden. Das verstehe ich einfach nicht! Warum wird bei der Errichtung des Wiener Hauptbahnhofes keine Energie aus dem Boden verwendet? Wo bleiben da die Photovoltaikanlagen auf dem Dach? Logische Erklärungen kann ich dafür keine finden.

oekonews: Wie definieren Sie den Begriff Ökologie für sich?

Michaela Reitterer: Für mich gibt es die drei Säulen der Nachhaltigkeit: Ökonomie – Ökologie – Soziale Vertretbarkeit. Ökologie ist dabei für mich eine Investition in die Umwelt und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Energien.

oekonews: Was ist Ihr Lieblingsplatz in Wien?

Michaela Reitterer: Meine Terrasse.

oekonews: Haben Sie selbst Vorbilder, Heldinnen oder Helden, die Ihnen Mut machen und Kraft geben?

Michaela Reitterer: Nein. Ich habe ein paar Mentoren wo ich mir etwas abschaue und ich schätze die Arbeit von Elisabeth Gürtler in Punkto Ideendurchsetzung und Vernetzung. Das Einfache bewundere ich vor dem Komplizierten – mich fasziniert die Einfachheit. Meine Eltern haben mir einen gesunden Glauben an mich selbst mitgegeben. Das finde ich sehr wichtig und davon profitiere ich. Ich glaube daran, dass meine Ziele und Träume eine Berechtigung haben und die Umsetzung traue ich mir dann auch zu.

oekonews: Wer sind Ihre Hotelgäste? Und wie ist deren Feedback?

Michaela Reitterer: Wir haben unsere speziellen Zielgruppen und positionieren uns schon in der Nische umweltbewusster KonsumentInnen und KundInnen. 95% der Gäste buchen uns als spezielle Marke, die für ökologische Werte steht. Auch die sehr persönliche Betreuung im Hotel ist unseren Gästen sehr wichtig und wird honoriert. Vor allem unsere Gäste der 50plus-Generation fühlen sich dadurch sehr wohl bei uns. Aber wir hatten auch schon Leute im Hotel, die bis zum Schluss nicht mitbekommen haben, dass sie in einem Ökohotel übernachtet haben.

oekonews: Achten Sie auch auf biologische Lebensmittelqualität in Ihrem Hotel oder z.B. auf umweltverträgliche Reinigungsmittel?

Michaela Reitterer: Zurzeit besteht unser Buffet zu 40% aus biologischen Lebensmitteln und dieser Anteil soll sich noch erhöhen. Für mich ist aber auch vorrangig, dass die Produkte aus der Region sind. Ich brauche keine Bio-Mangos aus Venezuela. Natürlich habe ich da immer den Spagat zwischen Kundenwunsch und Angebot zu schaffen. Speziell Bio-Orangensaft bekomme ich nicht, ohne viel Verpackungsmaterial für kleine Gebinde entsorgen zu müssen. Bei der Reinigung arbeiten wir sehr viel mit Microfasertüchern und ersparen uns dadurch Reinigungsmittel. Natürlich verwenden wir nur umweltverträgliche Reinigungs- und Waschmittel in unserem Hotel. Auch die Mülltrennung und Müllvermeidung sind für mich wichtige Themen, schon allein aus Platzmangel.

oekonews: Was lesen Sie gerade?

Michaela Reitterer: "Ich war Kaiser von China" von Pu Yi
"Der Schatten des Windes" von Carlos Ruiz Zafón

oekonews: Was ärgert Sie momentan am meisten?

Michaela Reitterer: Mein Nachbar wegen der Windräder.

oekonews: Was freut Sie momentan am meisten?

Michaela Reitterer: Der Spieleabend heute Abend mit meinen 2 erwachsenen Kindern. Wir spielen sehr gerne und oft. Am liebsten Backgammon.

oekonews: Wunschlos glücklich?

Michaela Reitterer: Mein großer Wunsch ist, dass das ganze Grätzel hier ein bisschen mehr in Richtung ‘grün’ mitzieht und wir dann, in Kooperationen etwa, unterschiedliche Sachen, z.B. auch ein grünes Seminarzentrum, anbieten können.

oekonews: Danke für das Gespräch.

Mehr Info über das Hotel von Michaela Reitterer:
www.hotelstadthalle.at

oekonews Artikel über das BOUTIQUEHOTEL stadthalle:
Erstes Null-Energie-Bilanz-Hotel eröffnet in Wien
Nachhaltig mobil beim Urlaub in Wien
Tourismus mit positiver Energie

GastautorIn: Dr. Elisabeth Berger für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /