© Gerd Maier
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Lastwagen für den Augarten

Kürzlich besetzten Augarten-Schützer einen LKW mit Baumaterial. Anrainer bekämpfen vehement den Bau einer Konzerthalle im Grüngebiet

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Am ‘Augartenspitz’, nahe der U2-Station ‘Taborstraße’, wird bekanntlich seit Monaten um ein Bauprojekt gestritten: Mit Geldern der Privatstiftung des Fondsmanagers Peter Pühringer soll eine monumentale Konzerthalle für die Sängerknaben errichtet werden. Bürgerinitiativen und AnrainerInnen laufen gegen das Projekt Sturm, da der ‘Verbrauch’ von öffentlichem Grünraum durch einen privaten Verein problematisch ist und die vielen zusätzlichen Busse mit Touristen in der Leopoldstadt ein Verkehrschaos erzeugen würden. In einer Umfrage der ‘Kronen-Zeitung’ sprachen sich mehr als 94 Prozent der WienerInnen gegen das Projekt aus.

Am Montag, den 8. Februar, schien sich der Konflikt wieder einmal zuzuspitzen. Während besorgte Bürger neben dem Wiener Filmarchiv den Grünraum bewachten, den Kaiser Joseph II. einst ‘zur Erlustigung’ den Wienern übergeben hatte, traf überraschend der LKW einer Baufirma ein

Werbung fürs Bauprojekt im Augarten

Binnen weniger Minuten hatten einige Augarten-Schützer, den LKW erklettert und Transparente entfaltet: ‘Pühringer: Hände weg vom Augarten!’ und ‘Augarten statt Betonklotz’. Telefonate ergaben schließlich, dass mit den Holzbalken angeblich eine Werbeausstellung für die Konzerthalle errichtet werden soll.

Anrainer und Augarten-Schützer blieben misstrauisch, zumal der LKW keine Genehmigung der Bundesgärten für das Befahren des Parkareals aufweisen konnte. Auch die Polizei bestätigte kurz darauf, dass der LKW nicht legal in den Augarten eingefahren war.

Mehrere Stunden ‘besetzten’ die Projektgegner den LKW, wobei sich eine ältere Dame, eine sehr resolute Anrainerin, sogar an einen nahegelegenen Baum kettete.

Börsenmillionen für die Sängerknaben

Die Firma ließ wissen, dass eine Rückführung der Holzbalken aus ‘technischen Gründen’ nicht möglich sei. Zumindest aber wurde vom Projektbetreiber zugesichert, dass keine weiteren Lieferungen mehr eintreffen würden, und dass es Mitte Februar einen Gesprächstermin geben werde.

An dieser Stelle sind vielleicht Hintergrundinfos angebracht: Der gewaltige Reichtum des Investors Peter Pühringer entstand laut dem Magazin FORMAT in den 70er Jahren, als Pühringer große Mengen an Fertigwohnungsteilen an die Armee Saudiarabiens lieferte. Später investierte er dieses Geld in deutsche Immobilien, ab den 90er Jahren managte er hochprofitable Börsenfonds, deren Gewinne u.a. aus Projekten in Osteuropa stammten. Nun investiert Pühringers Stiftung etliche Millionen Euro in die Sängerknaben.

Verzückte Spinner

Diese wiederum entstanden in einer seltsamen Zeit: Sie trällerten schon im 16. Jahrhundert ihre süßlichen Liedchen in der Hofburgkapelle, wo ihnen Kaiser Ferdinand I., der Sohn von Johanna der Wahnsinnigen, oftmals andächtig und verzückt lauschte, wenn er nicht gerade Protestanten umbringen ließ. In sein Testament schrieb Ferdinand 1555, er wolle seinen Sohn Max lieber tot sehen als protestantisch.

Ferdinands Neffe, der spanische König Philipp II., ließ die geschrumpfte Mumie des heiligen Diego unter die Bettdecke seines erkrankten Sohnes legen, damit dieser schneller gesunde. Später ließ er diesen Sohn verhaften und quälen. Ferdinands Söhne brachten Pferde aus Spanien nach Wien, aus ihnen entstanden die Lipizzaner.

Kitsch oder lebendige Stadtkultur?

Es ist seltsam, dass ausgerechnet die Liedchen trällernden Sängerknaben und die spanischen Pferde als Inbegriff für Wiener Lebensgefühl angesehen werden. Ursprünglich waren sie Teil eines konservativen autoritären Herrschertums, hinter dessen pompöser Fassade sich dunkle Abgründe verbargen – für Wien vielleicht ein durchaus zutreffendes Bild.

Im Gegensatz zum Gesang der Sängerknaben bieten die Augarten-Schützer derzeit in einem beheizten Zelt neben dem Filmarchiv ein wirklich lebendiges ‘sanftes’ Kulturprogramm, das absolut beeindruckt (Details: www.erlustigung.org). An Februar-Montagen beispielsweise zeigt Doris Kittler faszinierende Dokumentarfilme (20 Uhr), u.a. über die eisige und fremdartige Welt Sibiriens. Wenn man so will, ein Stück Weltoffenheit als Gegensatz zur uniformierten, gedrillten Perfektion der braven singenden Kinderchen.



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /